<strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> hatte Schwer<strong>in</strong> so gut wie ke<strong>in</strong>e »vorgegebenen« Möglichkeiten. Erschuf sie sich aus eigener Initiative durch <strong>das</strong> Beziehungsnetz se<strong>in</strong>er Freunde.Zunächst wurde es ihnen sehr bald deutlich, <strong>das</strong>s Hitlers Außenpolitik <strong>in</strong> <strong>den</strong>nächsten Krieg führen würde. Die Kommunisten hatten schon immer gesagt,<strong>das</strong>s Hitler Krieg bedeute, aber nun sahen auch Schwer<strong>in</strong> und se<strong>in</strong>e Freunde,woh<strong>in</strong> die Reise offensichtlich g<strong>in</strong>g. Als Hitler die allgeme<strong>in</strong>e Wehrpflicht1934 wieder e<strong>in</strong>führte, begannen Schwer<strong>in</strong> und se<strong>in</strong>e Freunde Schulenburgund Yorck mit Wehrübungen. Schwer<strong>in</strong> übte mit dem ausgesprochenen Ziel,im Kriegsfall Reserveoffizier zu se<strong>in</strong>, um durch <strong>den</strong> alten FamilienfreundHans Oster e<strong>in</strong>gesetzt wer<strong>den</strong> zu können. Oster arbeitete seit Oktober 1933<strong>in</strong> der Abwehrabteilung des Reichswehrm<strong>in</strong>isteriums und führte Schwer<strong>in</strong>bei dem für Berl<strong>in</strong> zuständigen Kommandeur des Wehrkreises III, GeneralErw<strong>in</strong> v. Witzleben, e<strong>in</strong>. Mit dem General hatte Schwer<strong>in</strong> e<strong>in</strong>ige geme<strong>in</strong>sameBerührungspunkte, da er bereits mit Witzleben-Liszkowo im Korridor politischzusammenarbeitete und die Witzlebens seit dem 16. Jahrhundert dieErbadm<strong>in</strong>istratoren der Klosterschule Rossleben stellten.Als Hitler 1938 im Verlauf der Sudetenkrise bewusst e<strong>in</strong>en Krieg mit <strong>den</strong>Westmächten <strong>in</strong> Kauf nahm, führte Schwer<strong>in</strong> se<strong>in</strong>en Vetter Albrecht v. Kesselbei Witzleben e<strong>in</strong>. Kessel, auch Rosslebener und Diplomat, arbeitete <strong>in</strong>diesen Monaten im Vorzimmer des neuen Staatssekretärs des AuswärtigenAmtes Ernst v. Weizsäcker. Kessel und Schwer<strong>in</strong> <strong>in</strong>formierten Witzleben überdie sich zuspitzende außenpolitische Lage. Beide jungen Männer waren gut<strong>in</strong>formiert, Kessel durch se<strong>in</strong>e Arbeit, beide aber auch durch ihre Freunde.So war e<strong>in</strong> weiterer geme<strong>in</strong>samer Freund, Eduard Brücklmeier, genannt Colombo,im Vorzimmer des neuen Außenm<strong>in</strong>isters Ribbentrop tätig, Wussowim sog. »Büro Ribbentrop«, e<strong>in</strong>em Amt der <strong>NS</strong>DAP, Fritz-Dietlof Graf v.d.Schulenburg, genannt Fritzi, im Polizeipräsidium Berl<strong>in</strong>.Zwanzig Jahre nach der verheeren<strong>den</strong> Niederlage im 1. Weltkrieg war <strong>den</strong>Deutschen e<strong>in</strong>schließlich e<strong>in</strong>iger ihrer Spitzenmilitärs die Furcht vor e<strong>in</strong>emneuen Waffengang immer noch tief e<strong>in</strong>gebrannt. Nach <strong>den</strong> enormen <strong>in</strong>nen- wieaußenpolitischen Erfolgen Hitlers bot sich jetzt erstmalig e<strong>in</strong>e psychologischeKonstellation, die e<strong>in</strong>en Sturz Hitlers, der auch für die Öffentlichkeit erkennbarauf e<strong>in</strong>en neuen Krieg h<strong>in</strong>steuerte, <strong>den</strong>kbar ersche<strong>in</strong>en ließ. Getriebendurch Oster, unterstützt durch <strong>den</strong> wegen der Kriegsgefahr zurückgetretenenGeneralstabschef des Heeres, Ludwig Beck, bereiteten Witzleben und derneue Generalstabschef Franz Halder e<strong>in</strong>en Staatsstreich vor, der Hitler zudem Zeitpunkt festnehmen sollte, zu dem er <strong>den</strong> Mobilisierungsbefehl gab.Schwer<strong>in</strong> war mit se<strong>in</strong>en Freun<strong>den</strong> direkt <strong>in</strong> die Vorbereitungen des Staats-108
streichs e<strong>in</strong>gebun<strong>den</strong>, operativ am direktesten Schulenburg auf Grund se<strong>in</strong>erFunktion <strong>in</strong> der Berl<strong>in</strong>er Polizei. Der britische Premier Neville Chamberla<strong>in</strong>und die Münchener Konferenz bannten die Kriegsgefahr buchstäblich <strong>in</strong> letzterM<strong>in</strong>ute. Dem geplanten Staatsstreich war damit der Bo<strong>den</strong> entzogen.Trotz dieses erneuten triumphalen Erfolges befahl Hitler, getrieben vonse<strong>in</strong>er pathologischen Kriegssehnsucht, wenige Tage nach dem MünchenerAbkommen die Vorbereitung zum E<strong>in</strong>marsch <strong>in</strong> die »Rest-Tschechei« unddamit <strong>den</strong> Bruch des neuen Vertrages. Bereits fünf Monate später im März1939 zog Hitler <strong>in</strong> Prag e<strong>in</strong>. Se<strong>in</strong>e Expansionsgelüste wandten sich nun Polenzu. Schwer<strong>in</strong> kommentierte diese Entwicklung: »Erst Österreich, dann dieTschechoslowakei, wenn dann Polen dran ist, kommt es zum Krieg. Noche<strong>in</strong>mal wird sich die Welt solch e<strong>in</strong> Schauspiel nicht gefallen lassen.« Er sollteRecht behalten.E<strong>in</strong>er der profiliertesten <strong>in</strong>nerdeutschen Kriegsgegner <strong>in</strong> diesen Monaten warStaatssekretär Ernst v. Weizsäcker, der immer wieder versuchte, die kriegslüsternePolitik Hitlers und se<strong>in</strong>es Außenm<strong>in</strong>isters zu h<strong>in</strong>tertreiben. Da die SituationDanzigs Hitler e<strong>in</strong>en Kriegsvorwand <strong>gegen</strong> Polen bieten konnte, verwandteder Staatssekretär auf Anraten von Kessel gelegentlich Schwer<strong>in</strong> als Emissärzu dem Hohen Kommissar des Völkerbundes <strong>in</strong> Danzig, Carl Burckhardt.Schwer<strong>in</strong> <strong>in</strong>formierte Burckhardt am 22.8.1939 über <strong>den</strong> <strong>in</strong> drei Tagen geplantenAngriff auf Polen und forderte e<strong>in</strong>e kräftige englische Demarche beiHitler. Vergeblich! Am 25.8. gab Hitler <strong>den</strong> Angriffsbefehl, zog ihn nach dreiStun<strong>den</strong> zurück, nur um ihn sechs Tage später endgültig auszufertigen. Canaris,der Chef Osters <strong>in</strong> der Abwehr, sah <strong>das</strong> »f<strong>in</strong>is Germaniae« kommen.Der große Krieg, <strong>den</strong> Schwer<strong>in</strong> und se<strong>in</strong>e Freunde seit Jahren vorhergesehenund befürchtet hatten, aber nicht verh<strong>in</strong>dern konnten, war da. Schwer<strong>in</strong> unde<strong>in</strong> weiterer Rosslebener Freund, Peter Graf Yorck v. Wartenburg, wur<strong>den</strong> alsLeutnants der Reserve zu ihren <strong>Regime</strong>ntern e<strong>in</strong>gezogen. Sie machten <strong>den</strong>»Blitz« <strong>gegen</strong> Polen mit. Während Yorck im Oktober jedoch u.k. gestellt wurde,wurde Schwer<strong>in</strong>, der »Leutnant mit <strong>den</strong> unmilitärischen Formen«, mit HilfeOsters <strong>in</strong> <strong>den</strong> Stab der 1. Armee zu Witzleben nach Bad Kreuznach versetzt.Auf Grund se<strong>in</strong>er <strong>in</strong> der Su<strong>den</strong>tenkrise bewiesenen aktiven oppositionellenHaltung und se<strong>in</strong>er Kommandos spielte Witzleben im militärischen <strong>Widerstand</strong>seit 1938 e<strong>in</strong>e Schlüsselrolle. Schwer<strong>in</strong> wurde ihm als Vertrauensmannder Berl<strong>in</strong>er Verschwörer beigegeben. In Berl<strong>in</strong> wurde zur Verh<strong>in</strong>derung derdrohen<strong>den</strong> Westoffensive erneut versucht, Hitler mit e<strong>in</strong>em Staatsstreich zubeseitigen. Dieser Versuch scheiterte am 5.11.1939 auf Grund e<strong>in</strong>er Nervenkrisedes Generalstabschefs Halder.109
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