Holger Michael • VOM BALTIKUM NACH KLEINASIEN
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nun wesentlich härter verfolgt. Den Ausschlag gab hierbei<br />
der Amtsantritt der israelischen Botschafterin Golda<br />
Meir in Moskau. Sie wurde von den Moskauer Juden wie<br />
ein Staatsoberhaupt und mit großem Enthusiasmus begrüßt.<br />
Nun kamen die alten Geschichten über Trotzki,<br />
Sinowjew und Kamenew wieder hoch, hohe Partei- und<br />
Staatsfunktionäre, die ebenfalls Juden waren und den<br />
Sowjetstaat entweder verraten oder als Feinde hingerichtet<br />
worden waren. Auf dieser Grundlage verbreitete sich<br />
unter der Bevölkerung schnell die Ansicht, dass Juden ihr<br />
sozialistisches Vaterland verachten würden, Kosmopoliten<br />
und mehr als andere bereit wären, die UdSSR zu verraten.<br />
Damit begann die letzte und womöglich unwürdigste der<br />
Stalin’schen Repressalien, die glücklicherweise aber nur<br />
kurz währte. Dennoch ist es nicht richtig, hierbei von<br />
Antisemitismus zu sprechen, denn das war nur politisch<br />
motiviert und betraf auch nur einen geringen Teil der jüdischen<br />
Sowjetbürger.<br />
Massendeportationen von Völkerschaften hatte es<br />
in der UdSSR gegeben. Davon sprechen heute auch die<br />
Balten. Doch von denen wurden nur Sowjetfeinde und<br />
erwiesene Konterrevolutionäre deportiert. Auch aus der<br />
Westukraine und Westbelorussland wurden vor dem Naziüberfall<br />
Belorussen, Ukrainer, Juden und Polen deportiert.<br />
Hier ging es nicht um die Nationalität, sondern um<br />
Klassenzugehörigkeit und politische Einstellung. Anders<br />
verhielt es sich bei der Umsiedlung der Wolgadeutschen,<br />
Tschetschenen, Inguschen, Krimtataren und Koreaner.<br />
Hier wurden ganze Völkerschaften umgesiedelt. In ihnen<br />
vermutete die Sowjetmacht im Vorfeld des deutschen<br />
Überfalls eine „fünfte Kolonne“ der Nazis bzw. Japaner.<br />
Diese gewaltsamen Umsiedlungen haben sich als ungerechtfertigt<br />
erwiesen und viel Leid verursacht. Die Russlanddeutschen<br />
wurden noch über 20 Jahre später wegen<br />
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