Holger Michael • VOM BALTIKUM NACH KLEINASIEN
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die kasachstanische Führung bestand nun das schwierige<br />
Problem, eben jene Unabhängigkeit aus einer Entwicklungslinie<br />
herzuleiten, die es nicht gab. Es wird daher ein<br />
Geschichtsbild vermittelt, das in sich nicht stimmig und<br />
widersprüchlich ist. Zudem gibt es erhebliche Probleme<br />
mit der wissenschaftlichen und historiografischen Einordnung.<br />
So sagte z. B. Sara Nursapajewa, eine kasachische<br />
Historikerin von der Akademie der Wissenschaften: „In<br />
den Jahren 1458 bis 1462 sammelten die Sultane Girei<br />
und Dshanibek unzufriedene Untertanen Abul-Hairs um<br />
sich und zogen mit ihnen in die Steppe, um dort frei von<br />
Unterdrückung zu leben. Dies gilt als der Beginn der kasachischen<br />
Nation, obwohl es noch sehr lange gedauert, bis<br />
ein kasachischer Staat in unserem heutigen Sinn entstanden<br />
ist.“ Hier wird die historische Reihenfolge von Stamm<br />
– Stammesverband – Volk – Nationalität – Staat – Nation<br />
einfach unterschlagen. Jene Jahre können bestenfalls als<br />
Beginn der Herausbildung des kasachischen Volkes gelten.<br />
Vor dem Anschluss an Russland im 18. Jahrhundert hatte<br />
es auch noch keine kasachische Nation, sondern bestenfalls<br />
einige über die Entwicklung als Volk hinausgehenden<br />
Ansätze einer Ausprägung als Nationalität gegeben.<br />
Problemlos lässt sich das Mittelalter bis in die Neuzeit<br />
(1731) darstellen, wobei der Eindruck entsteht, dass<br />
es sich hier um ein „goldenes Zeitalter“ gehandelt hätte.<br />
Dieser Eindruck ist aber falsch, denn die Khanate waren<br />
trotz zeitweiliger Stabilisierung schwach, die kasachischen<br />
Stämme und Stammesverbände nicht zu einem Volk vereinigt<br />
und ihren äußeren Feinden fast aussichtslos ausgeliefert.<br />
Diese kritische Sicht geht weitgehend unter, sodass<br />
der seit 1731 schrittweise erfolgte Anschluss an Russland<br />
unverständlich bleibt oder Raum für vom historischen<br />
Tatbestand weit abgehobene Spekulationen und Interpretationen<br />
lässt.<br />
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