Holger Michael • VOM BALTIKUM NACH KLEINASIEN
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Wohnungen gebaut worden waren, gab es nie genug, da<br />
die Kasachstaner – wie in allen sozialistischen Ländern<br />
– mehr und früher heirateten, Kinder bekamen und sich<br />
auch schneller und öfter als anderswo scheiden ließen.<br />
Fast jede Familie in den Städten wohnt in einer Neubauwohnung.<br />
Die Gorbatschow’sche Perestroika (Umbau der sozialistischen<br />
Gesellschaft) und Glasnost (Durchschaubarkeit)<br />
hatten unter der Bevölkerung Mittelasiens, so auch<br />
in Kasachstan, keine besondere Begeisterung hervorgerufen.<br />
Man wartete ab, wie sich die Dinge in Moskau<br />
entwickeln würden, so wie man das seit Jahrhunderten<br />
gewöhnt war. Die kasachische Parteiführung unter Kunajew<br />
war auch dem „neuen dynamischen Mann“ in Moskau<br />
nicht besonders zugetan. Mit seinem eher westeuropäischen<br />
Staatsmännern ähnlichen Auftreten konnte er<br />
den gestandenen kasachstanischen Funktionären nicht<br />
imponieren. Die mittelasiatischen Parteichefs hielten sich<br />
immer betont zurück, wenn der neue KPdSU-Generalsekretär<br />
mit seinen unrealistischen Visionen brillierte. Aber<br />
Gorbatschow war empfindlich und eitel, wovon die mittelasiatischen<br />
Parteiführer sich bald überzeugen konnten.<br />
Der „Demokrat“ Gorbatschow suchte sich seine eigene<br />
Mannschaft zusammen und scherte sich wenig darum,<br />
dass die Parteiführer, die da von ihm abgesetzt wurden,<br />
ordentlich gewählt worden waren. Für Kasachstan ließ er<br />
sich etwas Besonderes einfallen und setzte seinen Genossen<br />
Gennadij Kolbin – einen Russen – am 18. Dezember<br />
1986 als neuen Ersten Sekretär ein. Damit setzte er sich<br />
ignorant über hier bestehende Traditionen und Gewohnheiten<br />
hinweg. Es gehörte zu den ungeschriebenen Gesetzen<br />
der sowjetischen Nomenklatura, die Ersten in den<br />
Unionsrepubliken nach Möglichkeit mit Angehörigen<br />
der Titularnationalität zu besetzen. An den abgesetzten<br />
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