Holger Michael • VOM BALTIKUM NACH KLEINASIEN

oder Afghanistan ähnlich gewesen wäre. Kasachstan wäre
zum Spielball fremder Mächte geworden.
Die Oktoberrevolution war aber von den und für die
„kleinen Leute“ gemacht worden und ihre sozialökonomische
und kulturelle Emanzipation war angesagt und
nicht die der Beis. 1928 schien der Sowjetmacht auch in
Kasachstan der Zeitpunkt gekommen zu sein, die wesentlichen
sozialökonomischen Reste der feudalistischen Gesellschaftsordnung
zu beseitigen. In diesem Jahr wurden
in einer Großaktion alle Beis enteignet und weit von ihrem
bisherigen Einflussbereich deportiert. Den Beis wurden
1 250 000 ha landwirtschaftliche Nutzfläche, 1 360 000
ha Weidefläche und 145 000 Stück Vieh weggenommen.
Damit waren sie innerhalb kürzester Zeit auch ihrer politischen
Macht beraubt. Ihr Hab und Gut kam den armen
Kasachstanern zugute bzw. bildete den Grundstock für
die nun zu schaffenden landwirtschaftlichen Genossenschaften
(Kolchosen). Das führte aber auch zu großen Irritationen,
denn vom Privatbesitz – so klein er auch war
– wollte sich kaum ein kasachstanischer Landbewohner
trennen. Eine neue Enttäuschung griff um sich. Nicht wenige
ehemalige Rotarmisten erklärten nun zu Recht, dass
ihnen keiner diese Perspektive vor Augen geführt hatte,
als sie freiwillig gegen die Weißen gekämpft hatten. Besonders
den Viehzüchtern, die mit jedem ihrer Tiere auf
eine ihnen eigene Weise verbunden waren, schien diese
Zukunft unannehmbar. Vor allem unter der Gefolgschaft
der nun auch ökonomisch entmachteten Beis rief das
große Unruhe hervor. Sie mussten sich nicht nur in das
sich entwickelnde neue Wirtschaftssystem eingliedern,
was für viele, die der lange Arm der Beis waren, nicht nur
eine völlige sozialökonomische Umstellung bedeutete.
Mit der völligen Entmachtung der Beis und der nun folgenden
konsequenteren Durchsetzung des sowjetischen
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