Holger Michael • VOM BALTIKUM NACH KLEINASIEN
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phäre herausbekommen und seiner zugeordnet. Dadurch<br />
konnte der deutsche Überfall verhindert werden. Auf sowjetische<br />
Initiative wurde im Oktober zusammen mit der<br />
Übergabe des Wilna-Gebietes ein litauisch-sowjetischer<br />
Beistandspakt abgeschlossen. In vier Orten wurden nun<br />
20 000 Sowjetsoldaten stationiert. Das war angesichts der<br />
28 000 litauischen Armeeangehörigen und der 62 000<br />
Mann paramilitärischer Hilfskräfte keine „Bedrohung“<br />
für die 2,5 Millionen Litauer.<br />
Nachdem die unmittelbare Gefahr einer deutschen<br />
Aggression abgewehrt worden war, änderte sich die innenpolitische<br />
Situation grundlegend. Die außenpolitischen<br />
Niederlagen hatten zu einer permanenten Systemkrise<br />
geführt. Mit Weltkriegsbeginn brach der litauische<br />
Außenhandel zusammen. Arbeitslosigkeit, Gütermangel<br />
und Preissteigerungen nahmen rapide zu und drohten in<br />
Zukunft noch zu eskalieren. Der Lebensstandard sank<br />
schnell und spürbar für alle. Der Anschluss der historischen<br />
Hauptstadt Vilnius wurde zwar als Sieg litauischer<br />
Außenpolitik deklariert, doch jeder wusste, dass das nur<br />
der Sowjetunion zu verdanken war. Das gab der prosowjetischen<br />
Stimmung in allen Teilen der Gesellschaft<br />
Auftrieb. Die UdSSR hatte hier im Vergleich zu den anderen<br />
baltischen Republiken einen guten Namen, da sie<br />
vorher mehrmals Litauen gegen Polen in Schutz genommen<br />
hatte. Im Oktober gingen die Linken unter Führung<br />
der Kommunisten daher in die Offensive. Wie das Staatssicherheitsdepartement<br />
einschätzte, konnten Kommunisten<br />
nun weit in ihnen bisher „widerstehende Schichten“<br />
vordringen und ihren Einfluss vervielfachen. Die illegale<br />
KP konnte so ihre Mitgliederzahl verdoppeln. Besonders<br />
die Dankfeiern gegenüber der UdSSR gestalteten sich zu<br />
breiten antifaschistischen Massenveranstaltungen, die<br />
zumeist mit Auseinandersetzungen mit der Polizei und<br />
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