Holger Michael • VOM BALTIKUM NACH KLEINASIEN
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Amerikanern und EU-Europäern ein Dorn im Auge, denn<br />
Sprache heißt auch Einfluss. Wer Russisch kann, sieht<br />
auch russisches Fernsehen, hört russisches Radio und liest<br />
russische Zeitungen. Die Kasachstaner richten auch heute<br />
noch ihre Augen und Ohren immer mehr nach Moskau<br />
als nach Astana. Was von dort kommt, hat immer<br />
noch erhebliche Bedeutung und man fühlt sich mit dem,<br />
was in Russland passiert, immer noch verbunden. Wer es<br />
sich leisten kann, studiert in St. Petersburg, Moskau oder<br />
anderswo in Russland. Nicht die amerikanischen Filme<br />
sind die Straßenfeger in Kasachstan, sondern die ausgezeichneten<br />
sowjetischen Filme und Serien der 50er- bis<br />
70er-Jahre. Und wenn die auch heute noch sehr attraktive<br />
und bekannteste kasachische Sängerin Rosa Rymbajewa<br />
bei überfülltem Hause in Russland sagt, dass es eigentlich<br />
schade sei, dass man nicht mehr zusammen sei, wo<br />
man doch eine gemeinsame Geschichte gehabt habe, so<br />
findet das nicht nur den Beifall der Russen. Zumeist ist<br />
also nicht Russisch die zweite Landessprache (sogenannte<br />
Verkehrssprache) sondern Kasachisch.<br />
Lieber Kasachisch als Russisch sprechen nicht nur<br />
die meisten südkasachischen Dorfbewohner, sondern<br />
auch viele Unausgebildete, Arbeitslose und nicht zuletzt<br />
Abenteurer, die den Dörfern den Rücken zugekehrt haben,<br />
in den großen Städten ihre Zukunft suchen und<br />
nicht wählerisch bei der Annahme von Arbeit sein dürfen.<br />
Jene Kasachen bilden selbst unter den Kasachen eine<br />
Randgruppe. Doch sie nimmt zu und bildet das potenzielle<br />
Fußvolk der von den Amerikanern unterstützten<br />
Nationalisten und der Kräfte, die gern die gut bezahlten<br />
Stellungen der „Russischsprachigen“ oder „Russischdenkenden“<br />
einnehmen wollen. Die Frage „Russisch oder Kasachisch?“<br />
kann sich daher jederzeit zu einen gefährlichen<br />
Politikum entwickeln.