Holger Michael • VOM BALTIKUM NACH KLEINASIEN

Sowjetmacht beteiligt. Das Überlaufen der Alasch hat für
die heutige nationalistische Geschichtsschreibung eine
verheerende Wirkung. Damit war die einzige auf Lostrennung
von Russland bedachte kasachische Exekutive nicht
nur am Willen ihrer Landleute gescheitert, sondern hatte
sich auch selbst aufgegeben. Diese kurze Traditionslinie
lässt sich daher politisch-ideologisch heute nicht durch
die Nationalisten verwerten.
Sowjetkasachstan brauchte etwa 15 Jahre, um sich
innenpolitisch zu stabilisieren. Die Lebensbedingungen
waren schon unter dem Zarismus schlecht, nicht zuletzt
daher war man hier zumeist für die Revolution. Doch
durch Bürger- und Interventionskriege waren die Lebensgrundlagen
der Kasachstaner noch mehr erschüttert
worden. Hunger wurde zu einer ständigen Erscheinung.
Zudem hatte sich sozialpolitisch kaum etwas geändert.
Die Maßnahmen der Sowjetmacht begannen nur sehr
langsam und verspätet zu greifen. Viele, die aktiv für die
Sowjetmacht gekämpft hatten, waren nun enttäuscht und
wurden zu ihren erbitterten Feinden. Schon in den ersten
Jahren (1920 und 1921) kam es daher zu sporadischen
antisowjetischen Aufständen. Sie waren aber örtlich begrenzt,
hatten nie mehr als 20 000 Kämpfer, waren vor
allem von russischen Kosaken getragen und konnten
schnell niedergeschlagen werden.
Der Aufbau des Sozialismus begann faktisch aus
dem Feudalismus heraus, was größere Probleme als anderswo
mit sich brachte. Dazu musste die Macht der moslemischen
Mullahs und Beis gebrochen werden, die noch
auf dem Land herrschten und viele Menschen in absoluter
Abhängigkeit hielten. Die Beis hatten zwar offiziell ihre
politische Macht verloren, verfügten aber nach wie vor
noch über ihren Besitz, hatten dadurch die wirtschaftliche
Macht und somit auch politisch das Sagen. In vielen
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