Holger Michael • VOM BALTIKUM NACH KLEINASIEN

in Alma-Ata Massenunruhen, die allerdings nationalistisch-rassistisch
motiviert waren und schnell in Rowdytum
ausarteten. Igor Trutanow, ein prowestlicher russischer
Zeitzeuge schrieb dazu: „Zahlreiche Gruppen, Teilnehmer
und Sympathisanten der Protestdemonstration überfielen
Passanten europäischer Nationalität und auch Kasachen,
die sich nicht der randalierenden Menge anschließen wollten.
Sie demolierten vorbeifahrende Busse und Taxis, kippten
Kraftfahrzeuge um und steckten sie in Brand. In der
Stadt herrschte Chaos, etliche Lebensmittel- und andere
Geschäfte wurden geplündert. An diesem schrecklichen
Tag wurden in Alma-Ata elf Fahrzeuge verbrannt, 24 Autos,
39 Busse und 33 Taxis zerstört; 13 Studentenwohnheime,
fünf Lehranstalten, sechs Geschäfte und vier administrative
Gebäude wurden erheblich beschädigt. 1 137
Personen wurden verletzt. Drei Menschen kamen ums Leben.
...“ Die Staatsmacht griff nun ein, mobilisierte 15 000
Milizhelfer aus Arbeitern der Betriebe und Angestellten der
Institutionen, die Miliz und den KGB. Etwa 2 000 Randalierer
wurden festgenommen und 730 von ihnen am 25.
Dezember der Prozess gemacht. Das Gericht verurteilte 98
Kasachen zu Freiheitsstrafen von zweieinhalb bis 15 Jahren.
Ein Kasache, der des Mordes beschuldigt worden war,
wurde zum Tode verurteilt, dann aber begnadigt.
Die Unabhängigkeit Kasachstans war nicht von der
Bevölkerungsmehrheit gewollt, sondern im Wesentlichen
das Werk des Ersten Sekretärs der Kommunistischen Partei
und Präsidenten Sowjetkasachstans Nursultan Nasarbajew
und seiner Führungsmannschaft. Vor allem unter
seiner Regie wurde aus der sozialistischen Sowjetrepublik
die Republik Kasachstan, aus einem sozialistischen Land
ein kapitalistisches.
Die Kasachstaner waren durch die von der Gorbatschow’schen
Perestroika eingetretenen chaotischen Zu-
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