Holger Michael • VOM BALTIKUM NACH KLEINASIEN

14. Russisch oder Kasachisch?
Anfang 2007 wurde von der Regierung Kasachstans festgestellt,
dass alle Bemühungen um die Durchsetzung der
kasachischen Sprache als Staatssprache gegenüber dem
Russischen erfolglos waren und die meisten Kasachstaner
einfach nicht Kasachisch sprechen wollen. Aus europäischer
Sicht mag das unerheblich sein, für Astana und
Almaty hingegen ist das auch eine erhebliche politische
Niederlage. Mit dem Programm der Kasachisierung einschließlich
der Durchsetzung der kasachischen Sprache
als Staatssprache hatte sich hiesige Führung in eine Sackgasse
hineinmanövriert, die sich jederzeit zu einem unbeherrschbaren
Politikum zu entwickeln droht.
Zum Ende der UdSSR lebten in der Kasachischen
Sozialistischen Sowjetrepublik über 15 Millionen Menschen,
die über 100 Nationalitäten angehörten. Die Kasachen
selbst waren die stärkste Nationalität, machten aber
nur um die 40 Prozent aus. Dem folgten Russen, Ukrainer,
Belorussen, kaukasische Völkerschaften, Balten, asiatische
Nationalitäten, Russlanddeutsche usw. Für fast alle
Kasachstaner war Russisch Muttersprache, sie wurde von
allen zumindest verstanden. Kasachisch, eine Turksprache
mit Verwandtschaft zum Türkischen, Kirgisischen, Usbekischen
und Turkmenischen, wurde von einer Minderheit
gesprochen. Noch nicht einmal die Hälfte der Kasachen
sprach Kasachisch. Im Gegensatz zu heutigen Behauptungen
war Kasachisch weder unterdrückt noch verboten.
Diese Sprache wurde gepflegt. Es erschienen kasachische
Bücher, Lieder und Zeitungen. Auch in Filmen wurde diese
Sprache gesprochen. Kasachisch-Unterricht wurde aber
an Schulen nur dort erteilt, wo der Anteil der Kasachen
eine bestimmte Prozentzahl überschritt. Umgangssprache
5