Holger Michael • VOM BALTIKUM NACH KLEINASIEN

hatten eine sehr geringe Besiedlungsdichte (1,4 Menschen
pro km²), was zur Bildung vieler Dialekte und Mundarten
führte. Das ist leicht nachzuvollziehen: Bei einer Entfernung
von nur 876 Kilometer zwischen dem nördlichsten
und südlichsten Punkt Deutschlands könnten sich sogar
bei heutiger Kommunikation und weitaus dichterer Besiedelung
die so entfernten Menschen kaum verständigen,
wenn sie sich nur ihrer Mundart bedienten.
Russisch aber sprach man überall, sodass Händler
und Angehörige der Intelligenz auf Russisch nicht verzichten
konnten. So paradox es klingen mag, aber die
russische Sprache beförderte die Nationalitäten- und Nationenbildung
mehr als die kasachische Sprache selbst.
Denn gerade durch diesen Prozess konnte auch die kasachische
Sprache mit der Zeit vereinheitlicht werden und
ihre Hochform erhalten. So verwundert nicht, dass die
bedeutendsten kasachischen Dichter, deren Namen Straßen
und Denkmäler zieren, prorussisch orientiert waren.
Abai Kunanbajew (1845-1904) und Schambul Schabajew
(1846-1945) waren glühende Verehrer des russischen
Volkes und seiner Sprache.
Die bedeutendste nationale Erhebung der Kasachen
gegen das zaristische Russland war der Aufstand von
1916. Er lässt sich aber durch die heutigen Nationalisten
nicht instrumentalisieren, da der Führer des Aufstandes
Amangeldy Iwanow (1873-1919) als Bolschewik (Kommunist)
auch ein bedeutender Kämpfer für die Erringung
und Verteidigung der Sowjetmacht war.
Der erste Versuch, im Gefolge der Februarrevolution
1917 ein bürgerliches und unabhängiges Kasachstan
zu schaffen, ist mit dem Namen der Alasch-Partei verbunden.
In ihr wollte die schwache nationale kasachische
Bourgeoisie Kasachstan von Russland abtrennen. Demzufolge
stellte sie sich gegen die sich seit dem Winter
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