17.01.2017 Aufrufe

ECHO Top500 Tirol 2016

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

„Generell hat man oft den<br />

Eindruck, dass gewisse<br />

Dinge im Bilanzrecht zum<br />

Selbstzweck geändert<br />

werden.“<br />

geringfügig höher ausfallen. Es wird seitens<br />

des BMF übersehen, dass die Unternehmer<br />

ihre Geldflüsse genau erfassen, um eine<br />

Kontrolle über ihre Finanzen zu haben. Das<br />

Bestreben der Unternehmer ist nicht die<br />

Steuerhinterziehung, zu prüfen, dass im Unternehmen<br />

kein Geld versickert.<br />

<strong>ECHO</strong>: Wie sehen Sie die Einführung des<br />

zentralen Kontoregisters?<br />

Gessler: Da erwartet sich der Finanzminister<br />

auch wieder zusätzliche Einnahmen. Das<br />

ist mir unverständlich, zumal in der Presse<br />

eigenartige Beispiele genannt werden, die an<br />

den Haaren herbeigezogen sind. Ich glaube<br />

nicht, dass Unternehmer eigene Schwarzgeldkonten<br />

unterhalten.<br />

<strong>ECHO</strong>: Diese Maßnahmen machen den<br />

Eindruck, dass der Staat den Wirtschaftstreibenden<br />

einen Misstrauensvorschuss entgegenbringt.<br />

Gessler: Man hat den Eindruck, dass der<br />

Unternehmer wie ein potenzieller Steuerhinterzieher<br />

am Pranger steht. Es mag das eine<br />

oder andere schwarze Schaf geben, aber das<br />

ist nicht die Masse.<br />

<strong>ECHO</strong>: Gründen wird von Bund und<br />

Land mittels diverser Initiativen forciert. Wie<br />

schwierig ist aus bürokratischer Sicht, ein Unternehmen<br />

zu gründen?<br />

Gessler: Neugründungen von Unternehmen<br />

sind kein großer Aufwand. Das Gewerberecht<br />

wurde erleichtert. Das Hauptproblem<br />

bei Unternehmensgründungen ist, dass die<br />

Bank kaum Kredite vergibt, sofern der Gründer<br />

nicht mit mindestens 70 Prozent haftet.<br />

Die Banken gehen keine Risiken ein. Häufig<br />

müssen Familienangehörige bürgen, damit<br />

der Unternehmensgründer einen Kredit bekommt.<br />

Darin sehe ich das größte Problem<br />

und das größte Hindernis. Die Bürokratie,<br />

das Steuer- und Gewerberecht sind nicht ein<br />

so großes Problem wie die restriktiven Bedingungen<br />

für die Anschubfinanzierung. Der<br />

Staat könnte Unternehmensgründern mehr<br />

Unterstützung anbieten.<br />

<strong>ECHO</strong>: Gibt es für Neugründer eine steuerliche<br />

Privilegierung?<br />

Gessler: Es gibt das Neugründungs-Förderungsgesetz,<br />

in dem bei der Kommunalsteuer,<br />

Grunderwerbssteuer, Sozialversicherung<br />

und Firmenbucheintragung Erleichterungen<br />

vorgesehen sind. Das ist schon in Ordnung,<br />

macht das Problem der Finanzierung aber<br />

nicht wesentlich besser. Aus meiner Sicht<br />

wäre ein Gründungsfonds, der Haftungen für<br />

Neugründer in einem bestimmten Ausmaß<br />

übernimmt, die beste Lösung.<br />

<strong>ECHO</strong>: In Österreich wird seit bald Jahrzehnten<br />

über Bürokratieabbau und Reformen<br />

geredet. Worüber haben Sie sich in letzter<br />

Zeit geärgert?<br />

Gessler: Zum Beispiel werden die kapitalistischen<br />

Personengesellschaften in Zukunft<br />

zwei steuerliche Kapitalkonten führen<br />

müssen. Die Behandlung dieser zwei Kapitalkonten<br />

ist einen Wissenschaft. Die Kapitalkonten<br />

haben unterschiedliche steuerliche<br />

Auswirkungen fürhen zu einer starken Einschränkung<br />

der Verlustverwertung. Die rückwirkenden<br />

Änderungen der Aufteilung in<br />

Grund und Boden und der Neuberechnung<br />

der Abschreibungen lassen Zweifel in Bezug<br />

auf den Rechtsstaat aufkommen. Das RÄG<br />

2014 müssen Unternehmer bei der Bilanzierung<br />

ab 1.1. <strong>2016</strong> bezahlen. Die neuen gesetzlichen<br />

Bestimmungen führen wieder zu<br />

Mehraufwand für Unternehmer, ohne dass<br />

sich die Aussagekraft der Bilanzen verbessert.<br />

Generell hat man oft den Eindruck, dass gewisse<br />

Dinge im Bilanzrecht zum Selbstzweck<br />

geändert werden. Es wird komplexer. Das ist<br />

für Unternehmen alles andere als hilfreich<br />

und auch für Außenstehende, die in eine Bilanz<br />

Einsicht nehmen wollen, keine Verbesserung.<br />

Das permanente Ändern bringt auch<br />

einen enormen Schulungsaufwand mit sich.<br />

Der Aufwand steht in keinem Verhältnis zum<br />

Ergebnis.<br />

<strong>ECHO</strong>: Kann man aus den Änderungen<br />

im Steuersystem eine gewisse Praxisferne<br />

herleiten?<br />

Gessler: Für mich ist enttäuschend, dass<br />

Finanzminister Schelling, der aus der Wirtschaft<br />

kommt, in seinem Ministerium keine<br />

wirklich praxiskonforme Regelung zuwege<br />

gebracht hat. Die Bestimmungen, wie sie<br />

etwa die Geldwäsche-Richtlinie vorsieht,<br />

belasten wieder nur Unternehmen, Rechtsanwälte<br />

und Steuerberater. Da wird meines<br />

Erachtens wieder mit Kanonen auf Spatzen<br />

geschossen. Die ganz Großen trifft man<br />

dadurch nicht, die sind ohnehin offshore.<br />

Die Transparenz und der Informationsaustausch<br />

werden immer stärker. Man muss ein<br />

Weltkonzern wie Apple oder Google sein,<br />

dass man mit der Regierung Steuerpriviliegien<br />

ausverhandeln kann. Da wird dann auf<br />

Steuereinnahmen in Milliardenhöhe verzichtet,<br />

wie wir es aktuell in Irland gesehen<br />

haben. Bei den Klein- und Mittleren Unternehmen<br />

werden dafür die Steuerschrauben<br />

so stark angezogen, dass von diesen auch<br />

noch die letzten Reserven herausgequetscht<br />

werden. Für die allgemeine Stimmung ist<br />

das sehr schlecht.<br />

<br />

Interview: Marian Kröll<br />

<strong>ECHO</strong> TOP 500 UNTERNEHMEN <strong>2016</strong><br />

101

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!