ECHO Top500 Tirol 2016
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„Generell hat man oft den<br />
Eindruck, dass gewisse<br />
Dinge im Bilanzrecht zum<br />
Selbstzweck geändert<br />
werden.“<br />
geringfügig höher ausfallen. Es wird seitens<br />
des BMF übersehen, dass die Unternehmer<br />
ihre Geldflüsse genau erfassen, um eine<br />
Kontrolle über ihre Finanzen zu haben. Das<br />
Bestreben der Unternehmer ist nicht die<br />
Steuerhinterziehung, zu prüfen, dass im Unternehmen<br />
kein Geld versickert.<br />
<strong>ECHO</strong>: Wie sehen Sie die Einführung des<br />
zentralen Kontoregisters?<br />
Gessler: Da erwartet sich der Finanzminister<br />
auch wieder zusätzliche Einnahmen. Das<br />
ist mir unverständlich, zumal in der Presse<br />
eigenartige Beispiele genannt werden, die an<br />
den Haaren herbeigezogen sind. Ich glaube<br />
nicht, dass Unternehmer eigene Schwarzgeldkonten<br />
unterhalten.<br />
<strong>ECHO</strong>: Diese Maßnahmen machen den<br />
Eindruck, dass der Staat den Wirtschaftstreibenden<br />
einen Misstrauensvorschuss entgegenbringt.<br />
Gessler: Man hat den Eindruck, dass der<br />
Unternehmer wie ein potenzieller Steuerhinterzieher<br />
am Pranger steht. Es mag das eine<br />
oder andere schwarze Schaf geben, aber das<br />
ist nicht die Masse.<br />
<strong>ECHO</strong>: Gründen wird von Bund und<br />
Land mittels diverser Initiativen forciert. Wie<br />
schwierig ist aus bürokratischer Sicht, ein Unternehmen<br />
zu gründen?<br />
Gessler: Neugründungen von Unternehmen<br />
sind kein großer Aufwand. Das Gewerberecht<br />
wurde erleichtert. Das Hauptproblem<br />
bei Unternehmensgründungen ist, dass die<br />
Bank kaum Kredite vergibt, sofern der Gründer<br />
nicht mit mindestens 70 Prozent haftet.<br />
Die Banken gehen keine Risiken ein. Häufig<br />
müssen Familienangehörige bürgen, damit<br />
der Unternehmensgründer einen Kredit bekommt.<br />
Darin sehe ich das größte Problem<br />
und das größte Hindernis. Die Bürokratie,<br />
das Steuer- und Gewerberecht sind nicht ein<br />
so großes Problem wie die restriktiven Bedingungen<br />
für die Anschubfinanzierung. Der<br />
Staat könnte Unternehmensgründern mehr<br />
Unterstützung anbieten.<br />
<strong>ECHO</strong>: Gibt es für Neugründer eine steuerliche<br />
Privilegierung?<br />
Gessler: Es gibt das Neugründungs-Förderungsgesetz,<br />
in dem bei der Kommunalsteuer,<br />
Grunderwerbssteuer, Sozialversicherung<br />
und Firmenbucheintragung Erleichterungen<br />
vorgesehen sind. Das ist schon in Ordnung,<br />
macht das Problem der Finanzierung aber<br />
nicht wesentlich besser. Aus meiner Sicht<br />
wäre ein Gründungsfonds, der Haftungen für<br />
Neugründer in einem bestimmten Ausmaß<br />
übernimmt, die beste Lösung.<br />
<strong>ECHO</strong>: In Österreich wird seit bald Jahrzehnten<br />
über Bürokratieabbau und Reformen<br />
geredet. Worüber haben Sie sich in letzter<br />
Zeit geärgert?<br />
Gessler: Zum Beispiel werden die kapitalistischen<br />
Personengesellschaften in Zukunft<br />
zwei steuerliche Kapitalkonten führen<br />
müssen. Die Behandlung dieser zwei Kapitalkonten<br />
ist einen Wissenschaft. Die Kapitalkonten<br />
haben unterschiedliche steuerliche<br />
Auswirkungen fürhen zu einer starken Einschränkung<br />
der Verlustverwertung. Die rückwirkenden<br />
Änderungen der Aufteilung in<br />
Grund und Boden und der Neuberechnung<br />
der Abschreibungen lassen Zweifel in Bezug<br />
auf den Rechtsstaat aufkommen. Das RÄG<br />
2014 müssen Unternehmer bei der Bilanzierung<br />
ab 1.1. <strong>2016</strong> bezahlen. Die neuen gesetzlichen<br />
Bestimmungen führen wieder zu<br />
Mehraufwand für Unternehmer, ohne dass<br />
sich die Aussagekraft der Bilanzen verbessert.<br />
Generell hat man oft den Eindruck, dass gewisse<br />
Dinge im Bilanzrecht zum Selbstzweck<br />
geändert werden. Es wird komplexer. Das ist<br />
für Unternehmen alles andere als hilfreich<br />
und auch für Außenstehende, die in eine Bilanz<br />
Einsicht nehmen wollen, keine Verbesserung.<br />
Das permanente Ändern bringt auch<br />
einen enormen Schulungsaufwand mit sich.<br />
Der Aufwand steht in keinem Verhältnis zum<br />
Ergebnis.<br />
<strong>ECHO</strong>: Kann man aus den Änderungen<br />
im Steuersystem eine gewisse Praxisferne<br />
herleiten?<br />
Gessler: Für mich ist enttäuschend, dass<br />
Finanzminister Schelling, der aus der Wirtschaft<br />
kommt, in seinem Ministerium keine<br />
wirklich praxiskonforme Regelung zuwege<br />
gebracht hat. Die Bestimmungen, wie sie<br />
etwa die Geldwäsche-Richtlinie vorsieht,<br />
belasten wieder nur Unternehmen, Rechtsanwälte<br />
und Steuerberater. Da wird meines<br />
Erachtens wieder mit Kanonen auf Spatzen<br />
geschossen. Die ganz Großen trifft man<br />
dadurch nicht, die sind ohnehin offshore.<br />
Die Transparenz und der Informationsaustausch<br />
werden immer stärker. Man muss ein<br />
Weltkonzern wie Apple oder Google sein,<br />
dass man mit der Regierung Steuerpriviliegien<br />
ausverhandeln kann. Da wird dann auf<br />
Steuereinnahmen in Milliardenhöhe verzichtet,<br />
wie wir es aktuell in Irland gesehen<br />
haben. Bei den Klein- und Mittleren Unternehmen<br />
werden dafür die Steuerschrauben<br />
so stark angezogen, dass von diesen auch<br />
noch die letzten Reserven herausgequetscht<br />
werden. Für die allgemeine Stimmung ist<br />
das sehr schlecht.<br />
<br />
Interview: Marian Kröll<br />
<strong>ECHO</strong> TOP 500 UNTERNEHMEN <strong>2016</strong><br />
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