ECHO Top500 Tirol 2016
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Top 500 | Stiftung<br />
„Das Stiftungsmodell ist,<br />
anders als im englischsprachigen<br />
Raum, bei uns<br />
extrem selten.“<br />
<br />
Gregor Wenning,<br />
Neurologe und Stiftungsratspräsident der<br />
Bischof Dr. Karl Golser Stiftung<br />
sich Eiweißstoffe im Gehirn ablagern, die normalerweise<br />
entgiftet werden. Diese Stoffe verklumpen<br />
im Gehirn und führen dazu, dass die<br />
Nervenzellen nicht mehr arbeiten “, erklärt<br />
Wenning auch für den Laien anschaulich.<br />
„Die klinische Symptomatik dieser Patienten<br />
ist in erster Linie ein Parkinson-Syndrom.<br />
Atypisch bedeutet aber zusätzliche Probleme,<br />
weil die Erkrankung einfach maligner ist und<br />
sich diese Eiweiße irgendwann überall ablagern“,<br />
so Wenning. Die Patienten würden<br />
häufig dement, litten unter Sprachstörungen,<br />
Inkontinenz, hätten Probleme mit den Augenbewegungen<br />
und dem Schlucken. Als<br />
atypisch werden die Symptome deshalb bezeichnet,<br />
weil sie in dieser gravierenden Form<br />
bei der klassischen Parkinson-Krankheit nicht<br />
vorkommen. „Wenn sie so wollen, ist die klassische<br />
Parkinson-Krankheit gewissermaßen<br />
‚Parkinson light‘“, illustriert Wenning die Vehemenz<br />
der atypischen Parkinson-Krankheit,<br />
ohne damit den klassischen Parkinson verniedichen<br />
zu wollen.<br />
Neurologe Gregor Wenning, Leiter der Abteilung für klinische Neurobiologie an der Medizinischen<br />
Universität Innsbruck, fungiert als Stiftungsratspräsident der Bischof Dr. Karl Golser Stiftung, deren<br />
Zweck es unter anderem ist, die wissenschaftliche Erforschung der Krankheit zu fördern.<br />
Ambitionierte Ziele<br />
Die atypische Parkinson-Krankheit (APS),<br />
die als Multisystematrophie (MSA), Demenz<br />
mit Lewy-Körper (DLK), progressive<br />
supranukleäre Blickparese (PSP) und kortikobasale<br />
Degeneration (CBD) auftritt, teilt<br />
das Schicksal vieler anderer seltener Krankheiten:<br />
Es stehen kaum Forschungsgelder<br />
zur Verfügung und die internationalen Forschungsnetzwerke<br />
sind auch alles andere als<br />
engmaschig, kurzum die Lage ist schwierig,<br />
um nicht zu sagen prekär. Und genau da setzt<br />
die Bischof Dr. Karl Golser Stiftung mit ihrem<br />
Modell an, das auf zwei Ebenen funktioniert.<br />
Einerseits will man in Zusammenarbeit zwischen<br />
der Medizinuni Innsbruck und der<br />
EURAC Bozen Doktorandenstellen schaffen,<br />
um bestimmte Themen zum atypischen Parkinson<br />
zu bearbeiten. In erster Linie gehe es<br />
dabei um translationale Therapieforschung,<br />
das Testen neuer Substanzen, um die Krankheit<br />
aufhalten zu können. Die Koordination<br />
der Experimente in Innsbruck obliegt dabei<br />
Nadia Stefanova, der Leiterin des Labors<br />
für experimentelle Neurodegenerationsforschung.<br />
Ihr Gegenüber in Bozen ist Peter<br />
Paul Pramstaller, Direktor des biomedizinischen<br />
Instituts an der EURAC. Pramstaller<br />
beschäftigt sich wie Wenning auch schon seit<br />
langer Zeit mit der Erforschung von Parkinson<br />
und hat in Bozen Methoden – wie etwa<br />
in der Stammzellforschung – zur Verfügung,<br />
die es in Innsbruck nicht in dieser Intensität<br />
gibt. Darüber hinaus hat es sich die Stiftung<br />
zum Ziel gesetzt, kleinere Grants bzw. Stipendien<br />
in der Größenordnung von 30.000 bis<br />
50.000 Euro international auszuschreiben.<br />
Nach Bewertung der Proposals durch einen<br />
wissenschaftlichen Beirat sollen so die besten<br />
Forscher in den Genuss eines Golser-Stipendiums<br />
kommen. „So wollen wir versuchen,<br />
gezielt die Forschungstätigkeit im Bereich der<br />
APS anzuschieben“, sagt Neurologe Gregor<br />
Wenning.<br />
Gemäß Satzung der Stifung bemüht man<br />
sich auch um die Öffentlichkeitsarbeit rund<br />
um APS, weshalb Stiftungsratspräsident<br />
Wenning erpicht ist, Vorträge bei Ärzten, Angehörigen<br />
und Betroffenen in Südtirol, dem<br />
Hautpaktionsgebiet der Stiftung, zu halten.<br />
Diese Form der Bewusstseinsbildung ist<br />
auch für die Ärzteschaft von Vorteil, zumal<br />
APS häufig fehldiagnostiziert wird. Die atypische<br />
Form von Parkinson tritt in der Regel<br />
bei Patienten um die 50 auf, und weil es keine<br />
definierte Therapie gibt, kommen diese nicht<br />
selten in ein Altersheim. Wenning will daher<br />
auch die Möglichkeit ausloten, in Südtirol<br />
eine Parkinson-Palliativstation zu gründen.<br />
„Derzeit laufen diesbezüglich die ersten Vorgespräche“,<br />
so der Neurologe. In Innsbruck ist<br />
die Infrastruktur, was die Betreuung von Parkinson-Patienten<br />
betrifft, wesentlich besser.<br />
Das Stiftungsmodell, vor allem im anglophonen<br />
Bereich durchaus üblich, sei hierzulande<br />
noch extrem selten, so Wenning:<br />
„Ich habe es als Chance gesehen, durch den<br />
hohen Bekanntheitsgrad des Bischofs viele<br />
Menschen mit ins Boot zu holen, die in Südtirol<br />
gesellschaftlich involviert sind.“ Man<br />
habe den Schritt zur Stiftung gewagt und<br />
sei bisher erfolgreich gewesen. Nun gelte es,<br />
das PhD-Programm ins Werk zu setzen und<br />
über Spenden die Stiftungsfinanzen zu konsolidieren,<br />
um ausgeschriebene Stipendien<br />
finanzieren zu können. Wenning ist, was die<br />
Zukunft der Bischof Dr. Karl Golser Stiftung<br />
und damit verbunden der Forschung an der<br />
atypischen Parkinson-Krankheit betrifft, guter<br />
Dinge. Die Stiftung ist letztlich ein in unseren<br />
Breiten atypisches Instrument, um die Forschung<br />
an einer atypischen Krankheit einen<br />
kleinen Schritt näher zum hehren Ziel voranzubringen,<br />
nämlich der Entwicklung einer<br />
wirksamen APS-Therapie. Marian Kröll<br />
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