ECHO Top500 Tirol 2016
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Top 500 | Personal<br />
Perspektiven<br />
anbieten<br />
Idealtours-Geschäftsführerin Susanne<br />
Neuhauser schildert ihre Personalsituation.<br />
<strong>ECHO</strong>: Wie würden Sie Ihre Mitarbeitersituation<br />
beschreiben?<br />
Susanne Neuhauser: Wir haben uns<br />
bereits vor über zehn Jahren auf die Digitalisierung<br />
eingestellt und unsere Idealtours-<br />
Akademie eingeführt, mit deren Weiterbildungsangeboten<br />
wir in der Lage sind,<br />
Quereinsteigern das nötige Wissen für<br />
ihren Aufgabenbereich zu vermitteln. Entscheidungskriterium<br />
ist daher für uns nicht<br />
nur das fachliche Können, sondern vor<br />
allem die Begeisterung für die Reisebranche,<br />
Service- und Lösungsorientierung.<br />
Erfreulich ist, dass in den letzten Jahren die<br />
Tourismusschulen und das Tourismuskolleg<br />
auf den Bedarf reagiert haben und es<br />
zumindest ein Reisebüro-Fach gibt.<br />
<strong>ECHO</strong>: Ist es über die letzten zehn Jahre<br />
schwieriger geworden, gute Mitarbeiter zu<br />
finden?<br />
Neuhauser: Den größten Wandel sehe<br />
ich darin, dass sich Unternehmen gegenüber<br />
den Mitarbeitern attraktiv präsentieren<br />
müssen, denn gute Mitarbeiter können<br />
zwischen mehreren Stellenangeboten auswählen.<br />
<strong>ECHO</strong>: Was kann man als Arbeitgeber<br />
heutzutage tun, um Mitarbeiter langfristig<br />
an das Unternehmen zu binden?<br />
Neuhauser: Wir versuchen, in Mitarbeitergesprächen<br />
herauszufinden, was den<br />
Mitarbeiter motiviert, um ihm entsprechende<br />
Perspektiven und Ziele anbieten zu<br />
können, auch wenn unsere Hierarchie sehr<br />
flach ist. Unser ausgezeichnetes Betriebsklima<br />
trägt dazu bei, dass wir auch schwierige<br />
Situationen ohne größere Energieverluste<br />
meistern können. Gerade Mitarbeiter, die<br />
bereits anderweitig Erfahrung gesammelt<br />
haben, schätzen das sehr.<br />
zukünftig anspruchsvollere Tätigkeiten weiter<br />
zunehmen und mit ihnen verbunden die<br />
Anforderungen der Unternehmen an die<br />
Arbeitskräfte. Diese Theorie dürfte auch von<br />
den meisten Unternehmen, die sich mit der<br />
Digitalisierung strategisch befasst haben, vertreten<br />
werden. Diese höheren Anforderungen<br />
können sich nicht allein in höheren formalen<br />
Abschlüssen und größerer Weiterbildungsnotwendigkeit<br />
manifestieren, sondern in<br />
multidimensionalen Tätigkeitsprofilen, die<br />
mehrere Aufgaben in sich vereinen, etwa einen<br />
Mix aus technischen, kaufmännischen<br />
und rechtlichen Qualifikationen. Dieser Annahme<br />
steht eine Beobachtung gegenüber,<br />
die auf den Arbeitsmärkten Europas eine zunehmende<br />
Polarisierung ausmacht. Das bedeutet,<br />
dass die Beschäftigungsmöglichkeiten<br />
sowohl am oberen als auch am unteren Ende<br />
der Qualifikations- und Einkommensskala<br />
zunehmen, während gleichzeitig die mittleren<br />
Qualifikations- und Einkommensschichten<br />
wegbrechen. Die Ursache für diese Polarisierung<br />
wird in der Automatisierung von Routinetätigkeiten<br />
ausgemacht, die vorher von den<br />
mittleren Qualifikations- und Einkommensgruppen<br />
durchgeführt wurden.<br />
Gefragte IT-Kräfte<br />
Ein Unternehmen, in dem sehr viel mit Köpfchen<br />
gearbeitet wird ist die zum A1-Konzern<br />
gehörige Innovationsschmiede World-Direct<br />
in Sistrans. Das rund 80 Personen zählende<br />
IT-Unternehmen sucht Querdenker. Die<br />
fachliche Eignung – es muss nicht unbedingt<br />
ein Universitäsabschluss sein – setzt man bei<br />
Bewerbern voraus. Gute Informatiker sind<br />
schon seit längerem Mangelware, weshalb<br />
man bei World-Direct Talenten schon während<br />
des Studiums unter die Arme greift. „Wir<br />
versuchen, den Studierenden eine Partnerschaft<br />
anzubieten, unterstützen Bachelor- und<br />
Masterarbeiten und geben Interessenten die<br />
Möglichkeit, bereits während des Studiums<br />
in Teilzeit bei uns zu arbeiten“, erklärt World-<br />
Direct-Geschäftsführer Jürgen Klösch. Für<br />
Bachelor-Arbeiten stellt das Unternehmen<br />
sogar Kapazitäten im Rechenzentrum zur<br />
Verfügung. Mit dem MCI und der Universität<br />
Innsbruck gibt es eine Kooperation. „Für uns<br />
ist der Zugang zu diesen Studentinnen und<br />
Studenten ganz wichtig“, sagt Klösch. Neben<br />
der fachlichen Kompetenz sind auch Social<br />
Skills und Teamfähigkeit Grundvoraussetzungen,<br />
um im IT-Betrieb reüssieren zu können.<br />
„Wir wollen unsere Mitarbeiterinnen<br />
und Mitarbeiter in der Softwareentwicklung<br />
nicht von der Außenwelt abschotten. In der<br />
Projektumsetzung sollen sie direkt mit dem<br />
Projektpartner kommunizieren. Das hat auch<br />
den großen Vorteil, dass die Identifikation mit<br />
dem Projekt viel größer ist“, so der World-Direct-Geschäftsführer.<br />
Neue Arbeitsformen<br />
Die Digitalisierung wird nicht nur die Arbeitswelt<br />
grundlegend verändern, sondern auch<br />
neue Formen der Arbeit hervorbringen. Für<br />
Unternehmen gibt es neue Möglichkeiten,<br />
bislang von Beschäftigten durchzuführende<br />
Tätigkeiten an den Kunden auszulagern. Das<br />
wird, derzeit noch überwiegend im anglophonen<br />
Raum, unter dem Begriff „Crowdsourcing“<br />
diskutiert. Dieses Phänomen habe das<br />
Potenzial, disruptive Entwicklungen in den<br />
tradierten Modellen der Arbeitsbeziehungen<br />
auszulösen, schreibt das AMS in einer umfassenden<br />
Analyse.<br />
Der Strukturwandel, den die Digitalisierung<br />
auf mehreren Ebenen mit sich bringt, entwickelt<br />
sich nicht-linear und ist von disruptiven<br />
Innovationen geprägt, die sich nicht vorhersagen<br />
lassen. Insofern lässt sich auch nicht<br />
abschätzen, ob und wie viele Arbeitsplätze<br />
verloren gehen werden oder ob in Summe<br />
gar ein positiver Saldo zu verzeichnen ist.<br />
Liegt die Boston Consulting Group mit ihrer<br />
Einschätzung richtig, dürfte zumindest die digital<br />
angetriebene Industrialisierung im Maschinen-<br />
und Anlagenbau bis 2025 zu einem<br />
Plus von 10.000 Arbeitsplätzen in Österreich<br />
führen. Jedenfalls ist es nicht nur für Großunternehmen<br />
von essenzieller Wichtigkeit, sich<br />
mit den Herausforderungen und vor allem<br />
Chancen der Digitalisierung zu beschäftigen,<br />
und entsprechende Strategien zu entwickeln,<br />
sondern auch für kleine und mittlere Unternehmen<br />
und nicht zuletzt EPUs.<br />
„Mögest du in interessanten Zeiten leben“,<br />
heißt ein chinesisches Sprichwort. Ob wir nun<br />
wollen oder nicht, das tun wir ganz gewiss.<br />
Oder um mit dem griechischen Philosophen<br />
Heraklit zu sprechen: „Panta rhei - alles fließt.“<br />
Das gilt besonders für die Datenströme, die<br />
Wirtschaft, Arbeit und Gesellschaft einschneidend<br />
und stetig verändern. Marian Kröll<br />
16 <strong>ECHO</strong> TOP 500 UNTERNEHMEN <strong>2016</strong>