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ECHO Top500 Tirol 2016

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die mannigfaltige Rechtsprechung des Europäischen<br />

Gerichtshofes adaptiert, der das<br />

Auslegungsmonopol hat. Durch den starken<br />

angelsächsischen Einschlag unterscheidet<br />

sich das Europarecht wesentlich vom Kontinentalrecht.<br />

Eine ganz markante Auswirkung<br />

der EuGH-Rechtsprechung ist die grundsätzliche<br />

Zulässigkeit von Mehrfachbeteiligungen<br />

von Bietergemeinschaften und Subunternehmern.<br />

Das ist für den Markt essenziell.<br />

Vor der Novelle durfte ein Subunternehmer<br />

nur für einen Bieter benannt werden. Mehrfachbenennung<br />

führte zum Ausschluss. Der<br />

EuGH sagt, dass ein Ausschluss nur zulässig<br />

ist, wenn es einen konkreten Hinweis gibt,<br />

dass eine Mehrfachbeteiligung zu einer Wettbewerbsverzerrung<br />

führt. Das bedeutet eine<br />

Stärkung für KMUs und lokale Unternehmen,<br />

die in mehreren Bieterkonsortien als<br />

Subunternehmer genannt werden können.<br />

Damit steigt die Wahrscheinlichkeit sehr<br />

stark, dass der lokale Betrieb als Subunternehmer<br />

am Bauvorhaben teilnimmt.<br />

<strong>ECHO</strong>: Sie haben ihren Kanzleischwerpunkt<br />

als Vergebende Stelle, die für öffentliche<br />

Auftraggeber den Beschaffungsvorgang<br />

abwickelt. Was heißt das konkret?<br />

Schöpf: Ich trete für den öffentlichen Auftraggeber<br />

auf dem Markt ein und organisiere<br />

Beschaffungsvorgänge. Ich formuliere die<br />

Ausschreibungsbedingungen, mache die<br />

Ausschreibung bekannt und verantworte den<br />

organisatorischen Beschaffungsvorgang. Zu<br />

diesem ziehe ich technische Berater bei. Die<br />

neuen Vergaberichtlinien sind ein Handwerkzeug<br />

für eine qualitative Beschaffung.<br />

<strong>ECHO</strong>: Was darf man sich unter dem Übergang<br />

vom Billigst- zum Bestbieterprinzip<br />

vorstellen und was heißt das vor dem Hintergrund,<br />

dass die öffentlichen Haushalte unter<br />

Druck sind?<br />

Schöpf: Eigentlich möchte man meinen,<br />

dass von der Begrifflichkeit das Billigstbieterprinzip<br />

für knappe Kassen das Vernünftigste<br />

wäre. Ich halte es aber mit Sherlock Holmes,<br />

der zu Dr. Watson gesagt hat: „Wir sind zu<br />

arm, um uns etwas Billiges leisten zu können.“<br />

Das heißt, das Billigste ist oft nicht das Beste<br />

für die öffentliche Hand. Beim Billigstbieterprinzip<br />

ist das einzige Zuschlagskriterium der<br />

Preis. Fairerweise muss man sagen, dass auch<br />

das Billigstbieterprinzip Qualität hat, die man<br />

über die Leistungsbeschreibung festlegt. In<br />

der Vergangenheit hat man entweder von der<br />

technischen Seite die Qualität nicht ausreichend<br />

definiert, sodass sie sich über den Preis<br />

nicht wiedergegeben hat oder – was am Markt<br />

passiert ist – es trotz einer qualitativen Ausschreibung<br />

zu Dumpingpreisen gekommen<br />

ist. Durch das Primat des Bestbieterprinzips<br />

muss zum Preis mindestens noch ein Qualitätskriterium<br />

beurteilt werden. Das darf kein<br />

Scheinkriterium sein. Zumindest zehn Prozent<br />

der Gewichtung sollte auf Qualität beruhen,<br />

dieses Verhältnis kann beliebig angepasst<br />

werden. Das ist ein Steuerungsinstrument.<br />

Das Bestangebot ist rechtlich definiert als das<br />

technisch und wirtschaftlich günstigste Angebot.<br />

Durch die entsprechende Gewichtung<br />

des Preiskriteriums zum Qualitätskriterium,<br />

z. B. 60 : 40, kann man sicherstellen, dass die<br />

beste Qualität zum günstigsten Preis den Zuschlag<br />

erhält.<br />

<strong>ECHO</strong>: Welche Qualitätskriterien kann man<br />

berücksichtigen?<br />

Schöpf: Ein Qualitätskriterium ist die Qualifikation<br />

des Schlüsselpersonals. Wenn man<br />

zum Beispiel einen Bau in Sichtbeton ausführen<br />

lassen möchte, kommt es darauf an, ob<br />

das ausführende Bauunternehmen das auch<br />

beherrscht. Neben dem Preis kann man dann<br />

die Qualifikation der Mitarbeiter – welche<br />

Ausbildungen, Fachschulungen, Berufserfahrung<br />

haben sie vorzuweisen – als Kriterium<br />

heranziehen und bepunkten. Man kann aber<br />

auch die Mindestqualität in den technischen<br />

Spezifikationen definieren und darüber hinausgehende<br />

Leistungen, die dem Bauherren<br />

in der Nutzung technische oder wirtschaftliche<br />

Vorteile bringen, bepunkten. Generell<br />

ist das neue Vergabegesetz eine Klaviatur mit<br />

vielen neuen Tasten, auf der zu spielen man<br />

lernen muss.<br />

<strong>ECHO</strong>: Wie lässt sich verhindern, dass die<br />

Qualitätskriterien so selektiv formuliert werden,<br />

dass das Angebot auf einen Bieter zugeschnitten<br />

wird?<br />

Schöpf: Es ist verpönt, bieter- oder produktspezifisch<br />

auszuschreiben, wenn es nicht<br />

sachlich gerechtfertigt ist. Es ist aber nicht ein<br />

Phänomen des Bestbieterprinzips, sondern<br />

bei Best- und Billigstbieterprinzip ganz einfach<br />

„Das neue Vergabegesetz<br />

ist eine Klaviatur mit vielen<br />

neuen Tasten.“<br />

eine Frage einer transparenten Leistungsbeschreibung,<br />

die Bedingungen festlegt, die<br />

nicht produkt- oder bieterspezifisch sind.<br />

<strong>ECHO</strong>: Es gibt im Bundesvergabegesetz<br />

neue Möglichkeiten, wie etwa die Innovationspartnerschaft<br />

oder den wettbewerblichen<br />

Dialog. Können diese zur Herausbildung einer<br />

neuen Baukultur führen?<br />

Schöpf: Derzeit steckt die Ausreizung der<br />

vielen Möglichkeiten, die das neue Bundesvergabegesetz<br />

eröffnet, noch in den Kinderschuhen.<br />

Ganz wichtig ist es, die gesamten<br />

Lebenszykluskosten in Ausschreibungen<br />

zu berücksichtigen. Es gibt noch kaum jemanden,<br />

der diese PS auf den Boden bringt.<br />

Das Gesamtpaket ist der Schlüssel zum Erfolg,<br />

mit dem ich eine moderne, innovative, nachhaltige<br />

Beschaffung gewährleisten kann, die<br />

auch hält, was versprochen wurde. Dann hat<br />

der öffentliche Markt eine ehrliche Chance,<br />

budgetschonend qualitative Leistungen zu<br />

bekommen, die auch die lokale Wirtschaft<br />

stärken, weil ich die Fertigungsqualität bewerten<br />

und beurteilen kann. Wenn das Bundesvergabegesetz<br />

richtig eingesetzt wird, dann<br />

führt das in eine neue Ära, zu einer neuen<br />

Baukultur, von der letztlich alle am Bauprozess<br />

Beteiligten profitieren.<br />

<br />

Interview: Marian Kröll<br />

<strong>ECHO</strong> TOP 500 UNTERNEHMEN <strong>2016</strong><br />

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