ECHO Top500 Tirol 2016
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
die mannigfaltige Rechtsprechung des Europäischen<br />
Gerichtshofes adaptiert, der das<br />
Auslegungsmonopol hat. Durch den starken<br />
angelsächsischen Einschlag unterscheidet<br />
sich das Europarecht wesentlich vom Kontinentalrecht.<br />
Eine ganz markante Auswirkung<br />
der EuGH-Rechtsprechung ist die grundsätzliche<br />
Zulässigkeit von Mehrfachbeteiligungen<br />
von Bietergemeinschaften und Subunternehmern.<br />
Das ist für den Markt essenziell.<br />
Vor der Novelle durfte ein Subunternehmer<br />
nur für einen Bieter benannt werden. Mehrfachbenennung<br />
führte zum Ausschluss. Der<br />
EuGH sagt, dass ein Ausschluss nur zulässig<br />
ist, wenn es einen konkreten Hinweis gibt,<br />
dass eine Mehrfachbeteiligung zu einer Wettbewerbsverzerrung<br />
führt. Das bedeutet eine<br />
Stärkung für KMUs und lokale Unternehmen,<br />
die in mehreren Bieterkonsortien als<br />
Subunternehmer genannt werden können.<br />
Damit steigt die Wahrscheinlichkeit sehr<br />
stark, dass der lokale Betrieb als Subunternehmer<br />
am Bauvorhaben teilnimmt.<br />
<strong>ECHO</strong>: Sie haben ihren Kanzleischwerpunkt<br />
als Vergebende Stelle, die für öffentliche<br />
Auftraggeber den Beschaffungsvorgang<br />
abwickelt. Was heißt das konkret?<br />
Schöpf: Ich trete für den öffentlichen Auftraggeber<br />
auf dem Markt ein und organisiere<br />
Beschaffungsvorgänge. Ich formuliere die<br />
Ausschreibungsbedingungen, mache die<br />
Ausschreibung bekannt und verantworte den<br />
organisatorischen Beschaffungsvorgang. Zu<br />
diesem ziehe ich technische Berater bei. Die<br />
neuen Vergaberichtlinien sind ein Handwerkzeug<br />
für eine qualitative Beschaffung.<br />
<strong>ECHO</strong>: Was darf man sich unter dem Übergang<br />
vom Billigst- zum Bestbieterprinzip<br />
vorstellen und was heißt das vor dem Hintergrund,<br />
dass die öffentlichen Haushalte unter<br />
Druck sind?<br />
Schöpf: Eigentlich möchte man meinen,<br />
dass von der Begrifflichkeit das Billigstbieterprinzip<br />
für knappe Kassen das Vernünftigste<br />
wäre. Ich halte es aber mit Sherlock Holmes,<br />
der zu Dr. Watson gesagt hat: „Wir sind zu<br />
arm, um uns etwas Billiges leisten zu können.“<br />
Das heißt, das Billigste ist oft nicht das Beste<br />
für die öffentliche Hand. Beim Billigstbieterprinzip<br />
ist das einzige Zuschlagskriterium der<br />
Preis. Fairerweise muss man sagen, dass auch<br />
das Billigstbieterprinzip Qualität hat, die man<br />
über die Leistungsbeschreibung festlegt. In<br />
der Vergangenheit hat man entweder von der<br />
technischen Seite die Qualität nicht ausreichend<br />
definiert, sodass sie sich über den Preis<br />
nicht wiedergegeben hat oder – was am Markt<br />
passiert ist – es trotz einer qualitativen Ausschreibung<br />
zu Dumpingpreisen gekommen<br />
ist. Durch das Primat des Bestbieterprinzips<br />
muss zum Preis mindestens noch ein Qualitätskriterium<br />
beurteilt werden. Das darf kein<br />
Scheinkriterium sein. Zumindest zehn Prozent<br />
der Gewichtung sollte auf Qualität beruhen,<br />
dieses Verhältnis kann beliebig angepasst<br />
werden. Das ist ein Steuerungsinstrument.<br />
Das Bestangebot ist rechtlich definiert als das<br />
technisch und wirtschaftlich günstigste Angebot.<br />
Durch die entsprechende Gewichtung<br />
des Preiskriteriums zum Qualitätskriterium,<br />
z. B. 60 : 40, kann man sicherstellen, dass die<br />
beste Qualität zum günstigsten Preis den Zuschlag<br />
erhält.<br />
<strong>ECHO</strong>: Welche Qualitätskriterien kann man<br />
berücksichtigen?<br />
Schöpf: Ein Qualitätskriterium ist die Qualifikation<br />
des Schlüsselpersonals. Wenn man<br />
zum Beispiel einen Bau in Sichtbeton ausführen<br />
lassen möchte, kommt es darauf an, ob<br />
das ausführende Bauunternehmen das auch<br />
beherrscht. Neben dem Preis kann man dann<br />
die Qualifikation der Mitarbeiter – welche<br />
Ausbildungen, Fachschulungen, Berufserfahrung<br />
haben sie vorzuweisen – als Kriterium<br />
heranziehen und bepunkten. Man kann aber<br />
auch die Mindestqualität in den technischen<br />
Spezifikationen definieren und darüber hinausgehende<br />
Leistungen, die dem Bauherren<br />
in der Nutzung technische oder wirtschaftliche<br />
Vorteile bringen, bepunkten. Generell<br />
ist das neue Vergabegesetz eine Klaviatur mit<br />
vielen neuen Tasten, auf der zu spielen man<br />
lernen muss.<br />
<strong>ECHO</strong>: Wie lässt sich verhindern, dass die<br />
Qualitätskriterien so selektiv formuliert werden,<br />
dass das Angebot auf einen Bieter zugeschnitten<br />
wird?<br />
Schöpf: Es ist verpönt, bieter- oder produktspezifisch<br />
auszuschreiben, wenn es nicht<br />
sachlich gerechtfertigt ist. Es ist aber nicht ein<br />
Phänomen des Bestbieterprinzips, sondern<br />
bei Best- und Billigstbieterprinzip ganz einfach<br />
„Das neue Vergabegesetz<br />
ist eine Klaviatur mit vielen<br />
neuen Tasten.“<br />
eine Frage einer transparenten Leistungsbeschreibung,<br />
die Bedingungen festlegt, die<br />
nicht produkt- oder bieterspezifisch sind.<br />
<strong>ECHO</strong>: Es gibt im Bundesvergabegesetz<br />
neue Möglichkeiten, wie etwa die Innovationspartnerschaft<br />
oder den wettbewerblichen<br />
Dialog. Können diese zur Herausbildung einer<br />
neuen Baukultur führen?<br />
Schöpf: Derzeit steckt die Ausreizung der<br />
vielen Möglichkeiten, die das neue Bundesvergabegesetz<br />
eröffnet, noch in den Kinderschuhen.<br />
Ganz wichtig ist es, die gesamten<br />
Lebenszykluskosten in Ausschreibungen<br />
zu berücksichtigen. Es gibt noch kaum jemanden,<br />
der diese PS auf den Boden bringt.<br />
Das Gesamtpaket ist der Schlüssel zum Erfolg,<br />
mit dem ich eine moderne, innovative, nachhaltige<br />
Beschaffung gewährleisten kann, die<br />
auch hält, was versprochen wurde. Dann hat<br />
der öffentliche Markt eine ehrliche Chance,<br />
budgetschonend qualitative Leistungen zu<br />
bekommen, die auch die lokale Wirtschaft<br />
stärken, weil ich die Fertigungsqualität bewerten<br />
und beurteilen kann. Wenn das Bundesvergabegesetz<br />
richtig eingesetzt wird, dann<br />
führt das in eine neue Ära, zu einer neuen<br />
Baukultur, von der letztlich alle am Bauprozess<br />
Beteiligten profitieren.<br />
<br />
Interview: Marian Kröll<br />
<strong>ECHO</strong> TOP 500 UNTERNEHMEN <strong>2016</strong><br />
99