ECHO Top500 Tirol 2016
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gewisser Commodities, angefangen bei Büchern.<br />
Bei aller Sympathie für Buchhändler,<br />
die meisten haben für ihre Konsumenten<br />
kaum einen Wertbeitrag geleistet. Die Beratungsleistung<br />
war sehr limitiert, weil der<br />
Buchhändler nicht wissen konnte, was ich<br />
bereits an Büchern gekauft habe.<br />
<strong>ECHO</strong>: Heutzutage treffen dagegen Algorithmen<br />
im Hintergrund die Entscheidung,<br />
was ich auf verschiedenen Webseiten, etwa<br />
bei Online-Versandhändlern, überhaupt zu<br />
sehen bekomme.<br />
Alge: Genau. Und die Abstimmung der<br />
Kunden ist eindeutig. Es ist unfassbar viel<br />
besser als eine Buchhandlung. Ich weiß, was<br />
ich gekauft habe, was andere gekauft haben,<br />
die Empfehlungen sind auf mich zugeschnitten,<br />
ich kann in der Nacht und an Feiertagen<br />
einkaufen. Ich wollte es lange Zeit nicht wahrhaben,<br />
aber die Beratungsleistung von Algorithmen<br />
ist bei Büchern tatsächlich besser, als<br />
wenn einzelne Menschen miteinander reden.<br />
An diesem Beispiel und an jenem der Musikindustrie<br />
haben wir das erste Mal gemerkt,<br />
wie sich ganze Branchen in relativ kurzer Zeit<br />
radikalst ändern können.<br />
<strong>ECHO</strong>: Ist das dieses disruptive Moment,<br />
das der Digitalisierung zugeschrieben wird?<br />
Alge: Genau. Die Anpassung des Gesamtsystems<br />
an Änderungen verläuft langsamer als<br />
die Änderung selbst. Das wird als disruptiv<br />
wahrgenommen. Es holpert und rumpelt.<br />
Am Beispiel des Buchhandels heißt das,<br />
dass große Ketten gegen den Online-Versandhändler<br />
keine Chance hatten. Kleineren<br />
Buchhändlern blieb dagegen der Weg in die<br />
Spezialisierung.<br />
<strong>ECHO</strong>: Noch einmal zurück zur Einstiegsfrage.<br />
Ist die Digitalisierung eigentlich ein alter<br />
Hut?<br />
Alge: Als vor drei, vier Jahren plötzlich inflationär<br />
über die digitale Transformation geredet<br />
wurde, habe ich mir gedacht, was sind das für<br />
Idioten? Wer kann im Jahr 2012, 2013, 2014<br />
anfangen, über die Konsequenzen der Vernetzung<br />
zu reden? Ich habe meine erste E-Mail<br />
1991 geschrieben. Sechs Wochen, nachdem<br />
im CERN die erste Website online gegangen<br />
ist, hatten wir in Innsbruck auch eine. Was es<br />
aber dennoch rechtfertigt, dass man der jetztigen<br />
Situation eine gewisse Aufmerksamkeit<br />
schenkt, ist die Tatsache, dass sehr viele Branchen<br />
jetzt draufgekommen sind, dass auch in<br />
ihrem Bereich Wertschöpfungsketten, ja ganze<br />
Ökosysteme, neu gedacht werden müssen,<br />
man sich die Frage stellt, wie ein bestehendes<br />
System aussähe, wenn man es von Anfang an<br />
neu aufsetzen würde. In etwa so, wie sich die<br />
Typen von Uber gefragt haben, wie das Taxiwesen<br />
aussehen würde, wenn man es jetzt<br />
neu erfinden würde. Natürlich hätte dann<br />
nicht jede Stadt ihre eigene Funktaxi-Zentrale<br />
mit lustigen selbstständigen Taxifahrern. Es<br />
gäbe keine solchen Vorschriften wie etwa jene<br />
in Deutschland, nach der man als Kunde das<br />
erste Taxi in einer Reihe nehmen muss. Als<br />
Zweiter in der Reihe steht der neue Mercedes<br />
und davor eine acht Jahre alte, komplett versiffte<br />
Karre und als Kunde muss ich zum<br />
selben Preis ins vordere Auto einsteigen. Da<br />
sage ich Nein! Hätte es die heutigen technologischen<br />
Voraussetzungen zum Zeitpunkt<br />
der Entstehung des Taxiwesens schon gegeben,<br />
Uber wäre das Normalste auf der Welt.<br />
<strong>ECHO</strong>: Das Taxiwesen wird von außen verändert.<br />
Es sind aber auch noch andere Branchen,<br />
die „late in the game“ sind?<br />
Alge: Es gibt einige Branchen, wo sich bis<br />
jetzt eigentlich gar nichts getan hat, wie etwa<br />
im Lebensmittelhandel. Ich fahre mit dem<br />
Auto hin, mit dem Wagen durchs Geschäft,<br />
lade alles ein und bringe dann das Zeug noch<br />
nach Hause. Meistens kaufe ich die selben<br />
Sachen und muss mich, wenn ich einmal in<br />
einem anderen Laden einkaufe, wieder völlig<br />
neu orientieren. Wo ist das Mineralwasser?<br />
Ist es mein Kundenwunsch, immer das<br />
verdammte Mineralwasser zu suchen und<br />
herumzuschleppen? Manche unserer Wünsche<br />
als Konsumenten sind uns aber noch<br />
gar nicht bewusst. Vor zwanzig Jahren war<br />
ich überzeugt, kein Mobiltelefon zu brauchen,<br />
so wie 85 Prozent der Österreicher laut<br />
Umfragen der Meinung waren, das ist nur für<br />
Angeber und Trottel. Man hat sich anfangs<br />
lustig gemacht über die Wichtigtuer mit ihren<br />
Mobiltelefonen, bis man draufgekommen<br />
ist, dass es einen fundamentalen Bedarf<br />
gibt, ortsunabhängig mit anderen sprechen<br />
zu können. Man hätte früher erkennen können,<br />
wie zu kurz das Festnetztelefon für den<br />
eigenen Bedarf greift. Die Verbreitung der<br />
„Viele Branchen sind jetzt<br />
draufgekommen, dass<br />
auch in ihrem Bereich<br />
ganze Ökosysteme neu<br />
gedacht werden müssen.“<br />
Mobiltelefone verlief disruptiv, ebenso jene<br />
des Smartphones. Lustigerweise hat sich die<br />
Videotelefonie nicht durchgesetzt. Eine andere<br />
Branche, die vor großen Änderungen<br />
steht, ist das Bankengeschäft. Dort gab es<br />
zwar schon eine Welle der Digitalisierung,<br />
die zweite steht aber erst bevor. Jede Bank hat<br />
ein Rechenzentrum, eine vollständig digitalisierte<br />
Bank ist ein Rechenzentrum mit angeschlossenem<br />
Marketing und Vertrieb. Das<br />
Rechenzentrum ist das Produkt, mein Konto<br />
besteht aus Daten, die dort liegen. Der Bankberater<br />
ist ja eigentlich eine Illusion, der ist in<br />
Wirklichkeit ja ein Verkäufer.<br />
<strong>ECHO</strong>: Unser neues digitales Leben ist<br />
wahnsinnig bequem. Doch wir hinterlassen<br />
überall Daten. Die Frage ist nun, was passiert<br />
mit diesen Daten und wer hat die Kontrolle<br />
über sie? Sehen Sie darin ein Problem oder<br />
muss man einfach damit leben, wenn man<br />
die Annehmlichkeiten des digitalen Lebens<br />
genießen will?<br />
Alge: Ich habe 15 Jahre geglaubt, dass Datenschutz<br />
und Privatheit wahnsinnig wichtig<br />
sind, und ich glaube das nach wie vor. Aber<br />
wir werden nicht umhinkommen, die De-<br />
<strong>ECHO</strong> TOP 500 UNTERNEHMEN <strong>2016</strong><br />
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