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ECHO Top500 Tirol 2016

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top 500 | INTERVIEW<br />

Die Bereiche, für die wir hier in Ellmau nicht<br />

die notwendigen Spezialisten bekommen –<br />

vor allem im Online-Marketing-Bereich – bespielen<br />

wir künftig von Berlin aus. Aufgrund<br />

der Nähe des Markts in Berlin haben wir auch<br />

das Business Development dorthin verlegt. In<br />

der heutigen Zeit ist in einem schnelllebigen<br />

Segment wie dem unseren vor allem ein<br />

Punkt entscheidend: Time-to-Market, die<br />

Zeit von der Entwicklung eines Produkts bis<br />

zu dessen Markteinführung. Unsere Verträge<br />

gibt es nur mehr in digitaler Form. Da ist kein<br />

Papier mehr im Spiel. Wir arbeiten an der<br />

Vereinfachung von Prozessen. Einen Abbau<br />

von Arbeitsplätzen sehe ich damit verbunden<br />

nicht, wir sind ein People Business und brauchen<br />

gute Arbeitskräfte, um unser Geschäft<br />

voranzutreiben.<br />

<strong>ECHO</strong>: Welche Arbeitskräfte werden für<br />

den Standort Ellmau gesucht, welche sind<br />

kaum zu bekommen?<br />

Poot: Grundsätzlich ist die Arbeitslosenquote<br />

in der Gegend um Ellmau sehr niedrig. Was<br />

die Touristik angeht, sind viele potenzielle Arbeitskräfte<br />

sehr verhalten, weil zum Teil auch<br />

am Wochenende gearbeitet wird. Da wird es<br />

zunehmend schwieriger, die nötigen Fachkräfte<br />

zu bekommen. Wobei das aus meiner<br />

Sicht auch mit der allgemeinen Entwicklung<br />

der Generation Y zu tun hat, die einen höheren<br />

Fokus auf Work-Life-Balance legt und<br />

für die Freizeit einen extrem hohen Wert hat.<br />

Die wesentliche Rolle spielt nicht das Monetäre,<br />

sondern das Gesamtpaket, das die Leute<br />

verlangen. Deshalb achten wir im Unternehmen<br />

auf ein gutes Betriebsklima, haben eine<br />

ausgesprochen lockere Unternehmenskultur<br />

und legen viel Wert auf Fortbildung, die wir<br />

im Rahmen einer Travel-Partner-Akademie<br />

machen. Wir haben erkannt, dass sogenannte<br />

High Potentials, vielversprechende Nachwuchstalente,<br />

früh und gezielt gefördert werden<br />

müssen und als Führungskräfte herangeformt<br />

werden.<br />

„Die Lösung des Nachfolgeproblems<br />

ist aus meiner<br />

Sicht das größte Problem,<br />

mit dem der Tourismus in<br />

<strong>Tirol</strong> konfrontiert ist.“<br />

<strong>ECHO</strong>: Wie muss man beschaffen sein, um<br />

als High Potential eingestuft zu werden?<br />

Poot: Das kann man nicht pauschal sagen.<br />

Grundvoraussetzung ist sicher, dass jemand<br />

beruflich Karriere machen und die Werkzeuge<br />

erlernen will, die es dazu braucht. Da<br />

geht es nicht nur um die Fachkompetenz. Der<br />

größte Fehler, der in vielen Unternehmen gemacht<br />

wird, ist der, dass man Leute zu Führungskräften<br />

ernennt, nur weil sie die Fachkompetenz<br />

mitbringen. Zur Führungskraft<br />

gehört aber viel mehr. Dafür braucht es Leadership.<br />

Als Führungskraft muss man manchmal<br />

auch unpopuläre Entscheidungen fällen.<br />

Das Leben ist ja schließlich kein Ponyhof. Auf<br />

die Eignung unserer Führungskräfte legen wir<br />

bei Travel Partner großen Wert, denn – so<br />

lautet meine These – die Mitarbeiter arbeiten<br />

in erster Linie für die Führungskraft und<br />

erst in zweiter Instanz für die Firma. Unsere<br />

Bemühungen um Mitarbeiter haben Früchte<br />

getragen, auf der Arbeitgeber-Bewertungsplattform<br />

Kununu haben wir im Ranking der<br />

besten Arbeitgeber im Tourismus im vergangenen<br />

Jahr den ersten Platz belegt. Wir haben<br />

sehr viel getan, um dort hinzukommen.<br />

<strong>ECHO</strong>: Sie haben von den Vorzügen Berlins<br />

geschwärmt. Ergibt sich daraus eine Gefahr<br />

für den Standort Ellmau?<br />

Poot: Unser Hauptstandort und Ursprung<br />

des Unternehmens ist Ellmau, und das wird<br />

auch so bleiben. Seit 2000 haben wir eine Filiale<br />

in Wien, seit 2014 haben wir in Heidelberg<br />

einen Standort, haben aktuell eine Filiale<br />

in Berlin eröffnet. In Ellmau wird die Ferientouristik<br />

abgebildet, in Wien die Städtetouristik.<br />

Dasselbe machen wir in Deuschland.<br />

Dort ist Heidelberg für die Ferientouristik<br />

und Berlin für die Städtetouristik zuständig.<br />

Berlin hat 30 Millionen Nächtigungen im<br />

Jahr, in Wien sind es 14. Wenn man heute in<br />

einen Markt eintritt, muss man den Finger am<br />

Markt haben, muss wissen, was passiert. Dazu<br />

muss man vor Ort präsent sein, die Firma<br />

bekannt machen.<br />

<strong>ECHO</strong>: Wie sehen Sie die Stellung touristischer<br />

Infrastruktur in <strong>Tirol</strong> im Dreieck Natur/Kultur/Infrastruktur?<br />

Poot: In <strong>Tirol</strong> gibt es eine extrem hohe Bettendichte.<br />

Die Bauordnung schränkt Hotels<br />

größenmäßig ein. Das birgt Vor- und Nachteile.<br />

Würden wir in dieser wunderschönen<br />

Landschaft Bettenburgen hinstellen, würde<br />

das optisch nicht hineinpassen. In <strong>Tirol</strong> dürfen<br />

keine Hotels, die mehr als 150 Betten –<br />

das sind 75 Doppelzimmer – haben, gebaut<br />

werden. Das ist teilweise zu wenig, um einen<br />

Hotelbetrieb rentabel zu führen. Deshalb gibt<br />

es auch eine sogenannte Parahotellerie. Viele<br />

Häuser konnten nicht organisch wachsen.<br />

Da gibt es in anderen Destinationen entscheidende<br />

Vorteile. Es wurde zwar in vielen<br />

Betrieben investiert, gibt andererseits aber<br />

auch einen Investitionsstau, der nicht selten<br />

von ungeklärten Nachfolgeverhältnissen herrührt.<br />

Die Lösung des Nachfolgeproblems<br />

ist aus meiner Sicht das größte Problem, mit<br />

dem der Tourismus in <strong>Tirol</strong> konfrontiert ist.<br />

Die Investitionen der Bergbahnen finde ich<br />

gut, die Gäste müssen sanft auf die Berge gebracht<br />

werden. Man muss in <strong>Tirol</strong> letztlich einen<br />

Tourismus betreiben, der zu Natur und<br />

Kultur passt.<br />

<strong>ECHO</strong>: Wo wollen Sie in den nächsten Jahren<br />

mit Ihrem Unternehmen hin?<br />

Poot: Gesund wachsen!<br />

<strong>ECHO</strong>: Ist die Fokussierung auf das Endkundengeschäft,<br />

das sie mit dem Launch des<br />

Onlineportals „ichwillkuehe.de“ ankurbeln<br />

wollen, Teil dieser Strategie?<br />

Poot: Mit diesem Portal, das wir Anfang des<br />

Jahres gelauncht haben, treten wir als Spezialist<br />

für die Destinationen Deutschland und<br />

Österreich auf. Wir bieten rein Produkte im<br />

Autoreisebereich an. Das Portal heißt schlicht<br />

und ergreifend „Ich will Kühe“. Damit wollten<br />

wir eine Marke kreieren, die in den Köpfen<br />

der Leute bleibt und bezogen auf ein Reiseprodukt<br />

ein wenig schräg ist, aber auch<br />

Naturverbundenheit ausdrückt. Wenn man<br />

sich die heutigen Onlinemarken ansieht, sind<br />

die phonetisch alle sehr ähnlich. Aus diesem<br />

Muster wollten wir ausbrechen. Das Portal<br />

ist Neuland für uns, der Erfolg gibt uns aber<br />

recht. In Deutschland haben wir eine große<br />

Kampagne gemacht und sind mittlerweile<br />

sehr bekannt. Mit dem Produkt „Kühe“ können<br />

wir flexibler für unsere Lieferanten reagieren<br />

und sehr kurzfristig Produkte einstellen.<br />

Wir müssen uns dort einbringen, wo der Hotelier<br />

es braucht. Unser größter Mitbewerber<br />

ist nämlich der Hotelier selbst. Der Hotelier<br />

braucht einen Incomer nämlich nur dann,<br />

wenn er mit der eigenen Nachfragesituation<br />

nicht klarkommt. Deshalb müssen wir uns<br />

flexibel aufstellen und kurze Vorlaufzeiten<br />

bieten. Auf „ichwillkuehe.de“ ist die Time-to-<br />

Market nur mehr 24 Stunden. <br />

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Interview: Marian Kröll<br />

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<strong>ECHO</strong> TOP 500 UNTERNEHMEN <strong>2016</strong>

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