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ECHO Top500 Tirol 2016

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top 500 | INTERVIEW<br />

sich bei Start-ups grundsätzlich um riskante<br />

Ideen, wo das Scheitern implizit ist. Das wird<br />

jetzt gesellschaftlich kultiviert.<br />

<strong>ECHO</strong>: Dennoch gibt es da noch wesentliche<br />

Unterschiede zwischen Europa und dem USamerikanischen<br />

Raum, was eine Kultur des<br />

Scheiterns anbelangt.<br />

Gohm: Das ändert sich auch bei uns. Reinhold<br />

Karner, der mit KTW ein beeindruckendes<br />

Unternehmen aufgebaut hat und<br />

damit letztlich Schiffbruch erlitten hat, bezeichnet<br />

sich jetzt als 360-Grad-Entrepreneur.<br />

Er hat alles durchgemacht und auch das Scheitern<br />

gelernt. Es gibt Fonds, die investieren nur<br />

dann in Teams, wenn mindestens ein Mitglied<br />

des Teams schon einmal gescheitert ist. In den<br />

USA heißt es immer, ich mache mich selbstständig,<br />

weil ich reich werden will. Das kannst<br />

du bei uns nicht bringen. Hier muss man sagen,<br />

ich will auf eigenen Beinen stehen, mich selbst<br />

verwirklichen, keinen Chef über mir haben. Das<br />

ist gesellschaftlich akzeptiert. Der Bewusstseinswandel<br />

hinsichtlich des Scheiterns ist sicher<br />

der gesellschaftlichen Entwicklung geschuldet.<br />

Man weiß, dass das klassische Wirtschaften<br />

sich verändert hat und nicht mehr so wie früher<br />

funktioniert. Eine Vielzahl von Unternehmensgründungen<br />

in <strong>Tirol</strong> geschieht aus der HTL<br />

heraus. Das sind Leute, die einen technischen<br />

Hintergrund haben und Anfang, Mitte 30 sind<br />

und sich nach zehn, zwölf Jahren Berufserfahrung<br />

eine neue Perspektive geben wollen.<br />

<strong>ECHO</strong>: Der Staat und auch das Land haben<br />

sich ein Gründerzeitalter verordnet. Wie weit<br />

sind wir auf der Reise zum Gründerland Nummer<br />

1?<br />

Gohm: Wir stehen hier im Wettbewerb. Andere<br />

Mütter haben auch schöne Töchter, heißt es.<br />

Das Gründen ist ganz klar ein globaler Trend.<br />

Es gehen auch Start-ups aus <strong>Tirol</strong> nach Amerika,<br />

um sich dort für Kickstarter-Finanzierungen,<br />

sprich Crowdfunding, zu bewerben. Es klingt<br />

cooler, wenn man als Firmensitz New York<br />

angibt als <strong>Tirol</strong>. Italien hat eine starke Gründer-<br />

Gesetzesnovelle mit sehr attraktiven Bedingungen<br />

für Start-ups gemacht. Man bemüht<br />

sich überall um diese Unternehmen, die mit<br />

ihrer Geschäftsidee sehr mobil und flexibel<br />

sind. Viele, die ein urbanes, kreatives Umfeld<br />

brauchen, gehen nach Berlin.<br />

<strong>ECHO</strong>: Das ist dieses Start-up-Ökosystem,<br />

von dem oft gesprochen wird?<br />

Gohm: Genau. Es gibt da mittlerweile viele<br />

„Mit Startup.<strong>Tirol</strong> wollen wir binnen fünf Jahren 80 Startups<br />

begleitet haben, die dann Arbeitsplätze für 1.000 Mitarbeiter<br />

geschaffen haben sollen.“<br />

verschiedene Modelle, ob nun Dreifach-,<br />

Fünffach-Helix, wie auch immer. Es geht um<br />

die Zusammenschaltung von Politik, Wirtschaft<br />

und Hochschulen. Unser Argument ist,<br />

dass zu einem guten Ökosystem für Start-ups<br />

auch das Lebensumfeld, Sicherheit und stabile<br />

wirtschaftliche und politische Rahmenbedingungen<br />

dazugehören. Da können Österreich<br />

und <strong>Tirol</strong> punkten. Von politischer Seite bekennt<br />

man sich seit Jahren klar zur Unterstützung<br />

von Gründern. Nur ist es jetzt so, dass<br />

erfreulicherweise auch private Investoren da<br />

sind, bestehende Unternehmen Interesse an<br />

den neuen Geschäftsideen dieser Start-ups<br />

zeigen und sich beteiligen wollen. Da hat sich<br />

sehr viel zum Positiven gewandelt. Es geht nicht<br />

mehr nur um öffentliche Finanzierung, sondern<br />

es gibt private Kapitalgeber, die investitionsbereit<br />

sind.<br />

<strong>ECHO</strong>: Mittlerweile ist zum Beispiel laut<br />

crunchbase.com auch die Swarovski Gruppe<br />

bei einem Start-up wie Anyline mit 1,5 Millionen<br />

Euro investiert. Ist das der neue Stil?<br />

Gohm: Ja, klassische Unternehmen, die Geld<br />

und ein Netzwerk haben, sind zunehmend interessiert.<br />

Als Standortagentur sehen wir uns als<br />

Schnittstelle in der Vermittlung von Kapital und<br />

als Kooperationspartner all jener, die in diesem<br />

Bereich zu tun haben, seien es private Initiativen<br />

wie das I.E.C.T. um Hermann Hauser, die <strong>Tirol</strong>er<br />

Adlerrunde oder die Tyrolean Business Angels<br />

von Harald Oberrauch. In der Werkstätte<br />

Wattens passiert auch viel, wir haben selbst ein<br />

Investorennetzwerk. Wir unterstützen alles, was<br />

zur Beförderung neuer Ideen beiträgt.<br />

<strong>ECHO</strong>: Es gibt die Initiative Startup.<strong>Tirol</strong>. Was<br />

hat es damit auf sich?<br />

Gohm: Das ist gerade im Entstehen. Wir haben<br />

einen Verein gegründet. Mitunter führen<br />

die verschiedenen Initiativen, die es gibt, zu einer<br />

Unübersichtlichkeit. Auf der Plattform Startup.<strong>Tirol</strong><br />

ist es gelungen, alle einzubinden und<br />

in eine Kooperation zu bringen. Wir wollen das<br />

auch messbar machen und binnen fünf Jahren<br />

80 Start-ups – schnell wachsende Unternehmen<br />

– begleitet haben, die dann Arbeitsplätze<br />

für 1.000 Mitarbeiter geschaffen haben sollen.<br />

Man schreibt heute nicht mehr einfach einen<br />

Businessplan und holt sich dann viel öffentliches<br />

Geld dafür ab, um fünf Jahre zu brauchen,<br />

bis ein Produkt in den Verkauf gelangt, sondern<br />

man baut kleine Prototypen und testet und entwickelt<br />

am Markt.<br />

<strong>ECHO</strong>: Welche Rolle übernimmt dabei die<br />

Standortagentur?<br />

Gohm: Dadurch, dass wir eine landesnahe<br />

Einrichtung sind, denken wir gesamthaft<br />

ohne Verfolgung von Partikularinteressen<br />

für den Standort. Dadurch haben wir eine<br />

gewisse ausgleichende Wirkung. Wir wollen<br />

von Beginn an erfolgreiche Start-ups wie<br />

Mohemian und erfahrene Unternehmer wie<br />

etwa Harald Oberrauch von der Firma Durst<br />

einbinden, damit die ihre Erfahrung weitergeben<br />

können. Wir werden in der Vermarktung<br />

und Basisfinanzierung eine wesentliche<br />

Rolle spielen. Das wird eher die Rolle der öffentlichen<br />

Hand sein. Das Investment in die<br />

Unternehmen und die Risikoübernahme ist<br />

eher die Rolle von Privaten. ➝<br />

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<strong>ECHO</strong> TOP 500 UNTERNEHMEN <strong>2016</strong>

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