ECHO Top500 Tirol 2016
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top 500 | INTERVIEW<br />
finition dessen, was tatsächlich geheim und<br />
privat ist, neu zu ziehen. Eine überwiegende<br />
Mehrheit der Menschen denkt über dieses<br />
Thema nicht nach und macht es einfach.<br />
Ich habe es aufgegeben, den Leuten zu predigen,<br />
wie sie sich zu verhalten haben. Die<br />
Aussage: „Ich habe ja nichts zu verbergen“,<br />
wie sie Ex-Bundeskanzler Werner Faymann<br />
einmal getroffen hat, ist offenbar falsch und<br />
dumm, aber wie viel man zu verbergen hat,<br />
muss jeder Mensch für sich selbst definieren<br />
und herausfinden. Da ist der paternalistische<br />
Ansatz zum Scheitern verurteilt. Die Datenschutz-Traditionalisten<br />
reden immer von den<br />
personenbezogenen Daten. Die umfassen in<br />
Wirklichkeit alles. Das halte ich inzwischen<br />
für eine Träumerei, weil es viel zu viele nutzenstiftende<br />
Anwendungen gibt, für die Leute<br />
gerne ihre Daten hergeben, weil sie dafür<br />
eine sinnvolle Gegenleistung bekommen.<br />
Man muss den Leuten wieder zugestehen,<br />
sich verkaufen zu dürfen. Google Maps ist<br />
beispielsweise einem herkömmlichen Navigationssystem<br />
weit überlegen, weil es auf die<br />
Daten von Menschen zurückgreifen kann, die<br />
Google Zugriff auf ihren Standort eingeräumt<br />
haben. Google weiß genau, wo der Verkehr<br />
zäh fließt und wo er flüssig läuft. Wenn ich<br />
diesen Nutzen sehe, glaube ich nicht, dass<br />
man die Leute davon überzeugen kann, ihre<br />
Daten geheimzuhalten.<br />
<strong>ECHO</strong>: Eine Kosten-Nutzen-Abwägung?<br />
Alge: Im Grunde genommen ja.<br />
<strong>ECHO</strong>: Wenn man sich manches Forum<br />
in den sozialen Medien ansieht, muss man<br />
zur Auffassung gelangen, dass es statt der<br />
behaupteten Schwarmintelligenz eher eine<br />
Schwarmblödheit geben muss, so ganz nach<br />
dem Motto: „Gemeinsam sind wir dümmer.“<br />
Alge: Die Schwarmintelligenz ist ja nicht<br />
zwangsläufig größer als die Intelligenz des<br />
Einzelnen. Wir haben nur unterstellt, dass<br />
sie größer ist als die Intelligenz des Einzelnen.<br />
Auch die Stammtische und Verschwörungstheoretiker<br />
vernetzen sich und halten<br />
es für Schwarmintelligenz zu glauben, dass<br />
es Chemtrails gibt. In den letzten zwei, drei<br />
Jahren habe ich meine zwischenzeitliche Euphorie<br />
wieder abgelegt, dass das Internet eine<br />
zweite Aufklärung bringen wird. Ich habe den<br />
Kulturpessimismus wiederentdeckt. Wikipedia<br />
stellt kostenlos quasi grenzenloses Wissen<br />
zur Verfügung. Und was passiert? Verlage, die<br />
auf Verschwörungstheorien spezialisiert sind,<br />
boomen. Und mit ihnen Propagandasender.<br />
Das Internet hat viele gruppenpsychologische<br />
und soziologische Erkenntnisse zumindest<br />
nicht widerlegt und erst recht nicht<br />
überwunden. Die Milieu- und soziale Blasenbildung,<br />
die es immer gegeben hat, setzt sich<br />
im Internet ebenfalls nahtlos fort. Jeder sucht<br />
sich seine Blase, bleibt in dieser Blase und<br />
fühlt sich dort wohl. <br />
<br />
Interview: Marian Kröll<br />
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