ECHO Top500 Tirol 2016
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Top 500 | banken<br />
„Statt einer Kreditklemme<br />
sehen wir eher eine Nachfrageflaute.“<br />
<br />
<br />
Markus Sappl, Landesdirektor<br />
Firmenkunden Bank Austria <strong>Tirol</strong><br />
als Bedrohung. Banken und Bankmitarbeiter<br />
wird es auch in Zukunft brauchen, allerdings<br />
noch viel stärker in der Beratung und weniger<br />
für alltägliche Bankgeschäfte“, ist RLB-Chef<br />
Ortner überzeugt.<br />
Das digitale Leben wird zukünftig in den<br />
Strategien der Banken zwar mehr Raum<br />
einnehmen, den persönlichen Kontakt aber<br />
nicht ersetzen. Vor allem nicht in sensiblen<br />
Bereichen, in denen es auf die Beratungsqualität<br />
ankommt.<br />
Veranlagungsstrategien<br />
Know-how ist zukünftig besonders bei der<br />
Veranlagung gefragt, will man als Sparer ob<br />
eines extrem niedrigen Zinsniveaus nicht in<br />
Zukunft durch die Finger schauen. „Vor 2008<br />
war man als Bank in der Lage, deutlich höhere<br />
Zinsen zu erwirtschaften und zu bezahlen.<br />
Diese Zinsen gibt es aufgrund der Zinspolitik<br />
der EZB nicht mehr. Langfristig sind für den<br />
Sparer zusätzliche Veranlagungen notwendig,<br />
um überhaupt eine Rendite herstellen zu können“,<br />
hält Sparkassen-Vorstandsvorsitzender<br />
Unterdorfer fest. Um für bessere Renditen zu<br />
sorgen, bedient sich Unterdorfer der auf eine<br />
Arbeit des US-amerikanischen Ökonomen<br />
Harry M. Markowitz zurückgehenden Portfoliotheorie.<br />
Diese werde allerdings oft<br />
missverstanden, merkt Unterdorfer an. „Die<br />
optimale Rendite bei gleichzeitig geringstem<br />
Risiko entsteht aus einer Mischung zwischen<br />
Aktien und Anleihen“, präzisiert der TiSpa-<br />
Chef. Resultat dieser Überlegungen ist ein<br />
sogenanntes Minimum-Varianz-Portfolio.<br />
„Eine gewisse Risikobeimischung ist in der<br />
Veranlagung erforderlich. Nicht weil wir das<br />
wollen, sondern weil man auf Sicht damit den<br />
besten Ertrag erwirtschaftet“, weiß Unterdorfer.<br />
Das sei die Beratungsleistung, die ein Kreditinstitut<br />
zu erbringen habe: „Der Mehrwert<br />
unserer Beratung ist es, die richtige Mischung<br />
der Veranlagung herzustellen. Das ist unsere<br />
Profession und unser Anspruch.“ Durch ein<br />
fragwürdiges Geschäft mit derivaten Finanzinstrumenten<br />
ist der gesamte Aktienmarkt<br />
in Misskredit geraten. Dabei hat eine verantwortungsvolle<br />
Veranlagung in Aktien wenig<br />
mit Spekulation zu tun. „Der Grad zwischen<br />
Spekulation und Veranlagung ist schmal. Die<br />
Aktie ist ein sehr solides Anlageinstrument,<br />
sofern die Risikostreuung passt. Bei sonstigen<br />
Veranlagungsinstrumenten bin ich dagegen<br />
sehr vorsichtig. Das ist eine Frage der persönlichen<br />
Risikoneigung und des -vermögens“, so<br />
Unterdorfer, der für die <strong>Tirol</strong>er Sparkasse vor<br />
allem die Themen Wohnraumfinanzierung<br />
für Private und Zukunftssicherung im Vordergrund<br />
sieht.<br />
Die Kredite klemmen nicht<br />
Anders als in den letzten Jahren vielfach behauptet<br />
wurde, sehen die <strong>Tirol</strong>er Bankenchefs<br />
keine Kreditklemme. „Wir haben unsere Kreditpolitik<br />
seit Jahren nicht geändert. Statt einer<br />
Kreditklemme sehen wir eher eine Nachfrageflaute“,<br />
so Markus Sappl. Das Investitionsverhalten<br />
der Unternehmen habe in den<br />
letzten Jahren zu keiner prosperierenden Kreditnachfrage<br />
geführt. Kreditnehmern würde<br />
Sappl empfehlen, sich das derzeit äußerst<br />
niedrige Zinsniveau langfristig via Fixzinssatz<br />
oder ein anderes Instrument zu sichern.<br />
Eine Kreditklemme sieht übrigens auch Hans<br />
Unterdorfer von der <strong>Tirol</strong>er Sparkasse nicht,<br />
der betont, dass regionale Verankerung und<br />
Marktkenntnisse bei der Kreditvergabe auch<br />
heute noch eine bedeutende Rolle spielen:<br />
„Wir müssen das Geschäftsmodell unserer<br />
Kunden verstehen und einschätzen können,<br />
ob es zukunftsfähig ist.“ Markus Sappl meint,<br />
das Kreditgeschäft sei durch regulatorische<br />
Auflagen herausfordernder geworden. An<br />
den größeren Informationsbedarf müssten<br />
sich vor allem kleine und mittlere Unternehmen<br />
erst gewöhnen, man begleite und unterstütze<br />
die Kunden aber bei diesem Lernprozess<br />
bestmöglich.<br />
Hartwährung Vertrauen<br />
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass<br />
die Rahmenbedingungen des Bankengeschäfts<br />
schon einmal wesentlich erfreulicher<br />
waren. Der Bankensektor ist in Bewegung<br />
und wird das auf absehbare Zeit bleiben.<br />
Dennoch darf konstatiert werden, dass es bei<br />
den <strong>Tirol</strong>er Banken durchwegs ein Bewusstsein<br />
für notwendige Anpassungen gibt und<br />
diese bereits in der Vergangenheit in Angriff<br />
genommen wurden. Die Pflicht scheint soweit<br />
erfüllt, nun folgt die Kür, will man von<br />
der fortschreitenden Digitalisierung profitieren.<br />
Letzten Endes bleibt das Bankgeschäft<br />
ein People Business. Gewisse Bereiche werden<br />
automatisiert, in wieder anderen – etwa<br />
im Veranlagungs- und Vorsorgebereich –<br />
wird der persönliche Beratungsbedarf sogar<br />
zunehmen. Die härteste Währung im Bankensektor<br />
bleibt das Vertrauen. Dieses sehen<br />
<strong>Tirol</strong>s Banken zumindest aufseiten der heimischen<br />
Kunden nicht nachhaltig erschüttert.<br />
„Weltweit gesehen gibt es natürlich eine Vertrauenskrise<br />
in den Finanzsektor. Doch was<br />
passiert ist, traf vor allem Großbanken. Aus<br />
Gesprächen mit Kunden und Mitarbeitern<br />
weiß ich, dass die Menschen zwischen dem<br />
anonymen Bankensektor und ‚ihrer‘ Bank<br />
sehr wohl unterscheiden. Österreich ist nach<br />
wie vor von einer Struktur der kleinen und<br />
regionalen Banken geprägt, es gibt ein Vertrauensverhältnis<br />
in der Beziehung zwischen<br />
Kunde und Betreuer“, sagt Johannes Haid.<br />
Auch wenn das Ansehen der Finanzwelt insgesamt<br />
ramponiert ist und das Vertrauen in<br />
selbige gelitten hat, ist <strong>Tirol</strong>s Bankenwelt auf<br />
einem guten Weg, die Herausforderungen,<br />
die das extreme Niedrigzinsumfeld, die<br />
Bankstellendichte und die Digitalisierung<br />
zweifellos darstellen, gut zu bewältigen. Den<br />
Bankkunden dürfte sehr wohl bewusst sein,<br />
dass das Epizentrum der globalen Finanzkrise,<br />
deren Nachwirkungen noch deutlich spürbar<br />
sind, nicht im Alpenraum gelegen hat.<br />
<br />
Marian Kröll<br />
74 <strong>ECHO</strong> TOP 500 UNTERNEHMEN <strong>2016</strong>