Gerhard Richter — Landschaft ist alles Seit sechs Jahrzehnten macht Gerhard Richter sich stets von neuem ein Bild von der Landschaft. Die hervorragende Ausstellung im Kunsthaus Zürich, die zuvor in Wien zu sehen war, ist die bisher umfassendste zu diesem Thema. Richters «Malen ist eine andere Form von Denken» wird eindringlich erlebbar. Zürich — Landschaft, «wahrscheinlich das Tollste, was es überhaupt gibt». Richter sagt es im Filmporträt, das am Ende der Schau einen Menschen vergegenwärtigt, welcher der «unbegreiflichen Wirklichkeit» malend begegnet. Über hundert zwischen 1957 und 2018 entstandene Werke geben Einblick in ein Hauptkapitel seines Schaffens, die Landschaftsmalerei. Das Thema eröffnet das ganze Universum Richter, das die Fragilität und Brüchigkeit der Welt vor Augen führt, die Uneindeutigkeit, die es auszuhalten gilt. Von dem, was ist, allein der Schein – und immer wieder: Schönheit. Gastkurator Hubertus Butin und Cathérine Hug vom Kunsthaus Zürich präsentieren eine klug strukturierte Austellung in fünf Kapiteln. Es beginnt mit ‹Landschaften aus zweiter Hand›, bei denen eine fotografische Vorlage auf den Malgrund übertragen und in typisch Richter’scher Manier verwischt wird, sodass das Bild dank der Unschärfe offener bleibt, ort-, zeitloser. Einmal stehen Menschen im Zentrum: ‹Familie im Schnee›, 1966 nach einem Foto gemalt, aus heutiger Perspektive erinnerungsstark; man denkt etwa an Richters ‹Onkel Rudi› in NS-Uniform oder das später so berühmt gewordene Kinderbild ‹Tante Marianne› – des Mädchens, das 1939 zwangssterilisiert und 1945 gestorben ist. Sonst aber: Farbiges, spektakulär Unspektakuläres wie ‹Regenbogen› oder ‹Wasserfall›. Den betörenden Landschaften erliegt man nur allzu leicht. Weiter Himmel, atmosphärisches Licht, ungefähre Unendlichkeit; Verbindung zur Romantik, zu Caspar David Friedrich. ‹Davos›, Teyde-Landschaften, ‹Abendstimmung›, Wolkenbilder: Gleichnisse wofür? Erinnerungen an Verlorenes in Leben und Kunst spielen hinein, von Transzendenz keine Spur. Von Sehnsucht schon. Vieles hat Platz im dritten Kapitel, ‹Landschaft in der Abstraktion›, in dem sich Richters subversive Experimentierlust zeigt. Ob sich bewegte Pinselstriche zu Gebirgen formen, zu Städten, gestisch zu ‹Parkstück› oder mit der Rakel zum monumentalen ‹St. Gallen› – was erscheint, braucht man nicht zu verstehen. Aber: sich ihm aussetzen, da sein vor den Bildern. Dann die ‹Landschaften als fiktionale Konstrukte›, wo vier imposante ‹Seestücke› dominieren und Erhabenheit vorschwindeln, kombiniert Richter doch Himmel und Meer beziehungsweise Meer unter einem Himmel aus Meer zu neuen, ungewissen Räumen. Den eher verspielten Schlusspunkt setzen die ‹Übermalten Landschaften›, bei denen sich Fotografien, selbst nur illusionistische Bilder, mit realer Farbmaterie verbinden: überraschend, voller Wahrnehmungszauber. Auch da: das Schöpferische als Ereignis. Angelika Maass → ‹Gerhard Richter – Landschaft›, Kunsthaus Zürich, bis 25.7. ↗ www.kunsthaus.ch 106 <strong>Kunstbulletin</strong> 6/<strong>2021</strong>
Gerhard Richter · Waldhaus, 2004, Öl auf Leinwand, 126 x 92 cm, Privatsammlung BESPRECHUNGEN // ZÜRICH 107
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Juni 2021 Fr. 10.-/€ 8.-
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Editorial — Als wäre nie etwas p
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Winner German Cameraaward Documenta
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Sergio Emery Museod’arteMendrisio
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Jenseits aller Regeln - Das Phänom
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