Kunstbulletin Juni 2021
Die Kunstbulletin Juni-Ausgabe 2021. Mit Beiträgen zu: Renée Levi, Olafur Eliasson, Mireille Gros, Franz Erhard Walther uvm.
Die Kunstbulletin Juni-Ausgabe 2021. Mit Beiträgen zu: Renée Levi, Olafur Eliasson, Mireille Gros, Franz Erhard Walther uvm.
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Continuously Contemporary — Emanuel Hoffmann-Stiftung<br />
Die Emanuel Hoffmann-Stiftung widmet sich seit ihrer Gründung<br />
1933 dem Sammeln zeitgenössischer Kunst. Im Kunstmuseum<br />
Basel | Gegenwart, das 1980 unter anderem dank der Stiftung<br />
eröffnet werden konnte, wird der zweite Teil einer Präsentation<br />
von Neuzugängen aus der Sammlung gezeigt.<br />
Basel — Bei seiner Eröffnung war das Haus Gegenwart eines der ersten Museen für<br />
zeitgenössische Kunst in Europa. Die klar geschnittenen Räume unterschiedlicher<br />
Grundfläche und Höhe, die zurückhaltende Farbigkeit und Materialisierung gehen auf<br />
die Architekten Winfried und Katharina Steib zurück. Wie die aktuelle Präsentation<br />
von Neuzugängen zeigt, sind die Räumlichkeiten dieses Baus immer noch geeignet,<br />
auf die sich stets verändernden Anforderungen von Gegenwartskunst zu reagieren.<br />
Die von aussen einsehbare Wandabwicklung in der Eingangssituation zeigt Fotos<br />
von Schlafenden in öffentlichen Verkehrsmitteln, die mit Mobiltelefonen gemacht<br />
und ins Netz gestellt wurden. Von dort hat sie der britische Künstler Mark Wallinger<br />
heruntergeladen und für die Arbeit ‹The Unconscious›, 2010, gross skaliert.<br />
Die Videoinstallation ‹Countenance› von Fiona Tan, 2002, wurde nach der Erstpräsentation<br />
auf der von Okwui Enwezor kuratieren documenta 11 angekauft. 220 Sequenzen<br />
von jeweils zwanzig Sekunden zeigen Personen, die Tan in Berlin 2001/2002<br />
filmte, auf drei frei hängende Leinwände projiziert. In einer Art Vorraum werden<br />
dieselben Menschen in filmischen Porträtaufnahmen aufgeführt. «Could I possibly<br />
collect, collate a time history? Whose history?», fragt Tan im Off. Das Werk ist eine<br />
kritische Auseinandersetzung mit August Sanders ‹Menschen des 20. Jahrhunderts›.<br />
Die intime Grösse der Räume trägt zum direkt und privat wirkenden Charakter der<br />
Installation bei und fordert auf, sich mit den in ‹Countenance› aufgerufenen Selbstund<br />
Fremdzuschreibungen aufgrund von Merkmalen wie Hautfarbe, Kleidung, Beruf<br />
und Lebensform differenzierter auseinanderzusetzen.<br />
Von Jean-Frédéric Schnyder wurden jüngst vier an architektonische Modelle erinnernde<br />
Skulpturen erworben, die restlos aus Bananenkisten gefertigt sind – erkennbar<br />
an ihren charakteristischen Grifflöchern und Beschriftungen. Sie bilden<br />
eine Gruppe aus Wolkenkratzer, Sakralbauten, Reihenhausraster und Ruinenfeld. Im<br />
Haus Gegenwart stehen sie auf schlicht gehaltenen Sockeln einheitlicher Höhe, die<br />
in einem Raster zueinander platziert sind. Die Durchgänge sind ebenso minim wie die<br />
Abstände zwischen den Rändern der Modelle und den Kanten der Sockel. Die Höhe<br />
des Oberlichtsaals und das einfallende Licht tragen dazu bei, dass eine semi-urbane<br />
Situation entsteht und die Wahrnehmung auf eine Ebene transponiert wird, die für<br />
weitere Raum- und Werkerkundungen von Vorteil ist. Stefanie Manthey<br />
→ ‹Continuously Contemporary – Neue Werke aus der Emanuel Hoffmann-Stiftung (II)›, bis 1.8.,<br />
Kunstmuseum Basel | Gegenwart ↗ www.kunstmuseumbasel.ch<br />
84 <strong>Kunstbulletin</strong> 6/<strong>2021</strong>