27.05.2021 Aufrufe

Kunstbulletin Juni 2021

Die Kunstbulletin Juni-Ausgabe 2021. Mit Beiträgen zu: Renée Levi, Olafur Eliasson, Mireille Gros, Franz Erhard Walther uvm.

Die Kunstbulletin Juni-Ausgabe 2021. Mit Beiträgen zu: Renée Levi, Olafur Eliasson, Mireille Gros, Franz Erhard Walther uvm.

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Stefano Boccalini<br />

Genf — Stefano Boccalinis Kunst spielt auf<br />

ganz unterschiedlichen Ebenen und impliziert<br />

viele Akteure. Wie lässt sich diese Vielfalt deuten?<br />

Wo beginnen? Bei den Tatsachen: Das von<br />

Adelina von Fürstenberg kuratierte Projekt ist<br />

Teil von ART for the World Europa (eine Genfer<br />

NGO der UN) und ist in Zusammenarbeit mit<br />

dem Kultursektor des Valle Camonica als Teil<br />

des von Boccalini geleiteten Ca’Mon (Centro<br />

per l’arte e l’artigianato della montagna)<br />

entstanden. Der Mailänder Konzeptkünstler<br />

Stefano Boccalini (*1963) arbeitet hier seit<br />

Jahrzehnten mit Communities. In den 2000er-<br />

Jahren war er mit Bert Theis Mitbegründer des<br />

Isola Art Center, einem selbstorganisierten<br />

Zentrum für internationale Gegenwartskunst<br />

im Isolaquartier in Mailand, das sich mit der<br />

Quartierbevölkerung (vergebens) gegen die<br />

Gentrifizierung wehrte. Nach dem abrupten<br />

Ende des Kunstzentrums durch den Bau der<br />

Porta-Nuova-Hochhäuser 2013 wandte sich<br />

Boccalini den traditionellen Handwerkern<br />

und Handwerkerinnen des Brescianer Val<br />

Camonica zu und begann mit Webern, Schnitzerinnen,<br />

Korbflechtern und Stickerinnen<br />

zusammenzuarbeiten. Das Ca’Mon, dessen<br />

Gründer und Direktor er ist, bezweckt, das<br />

handwerkliche Knowhow weiterzugeben, den<br />

Austausch von intellektuellem und manuellem<br />

Wissen zu fördern und prozessbasierte<br />

Forschung und Experimente in Handwerk und<br />

Kunst zu ermöglichen. Bei Boccalinis Ansatz<br />

der Community-based Relational Art ist die<br />

Location selbst bedeutungsvoller Teil des<br />

Ausstellungskonzepts: Die handwerklichen<br />

Artefakte aus dem Val Camonica interagieren<br />

präzis mit den Exponaten der Maison Tavel,<br />

dem Genfer Stadt- und Wohnmuseum. Die<br />

verwobenen, geschnitzten Objekte basieren auf<br />

einer Serie von nicht übersetzbaren Begriffen<br />

aus verschiedenen Sprachen: Balikwas meint<br />

etwa, seinen Blickpunkt zu wechseln, Orenda<br />

die Fähigkeit, die Welt zu verändern. Im zweiten<br />

Teil der Ausstellung stammen die Wörter aus<br />

Interviews mit Genfer Bürgern, die aufgefordert<br />

wurden, ihre Stadt zu definieren. Die Körper<br />

gewordenen Begriffe Banques, Bunker, Confort,<br />

Luxe überraschen uns als Teppiche, Gardinen,<br />

Überzüge oder Körbe inmitten der eleganten<br />

Wohnräume aus dem 18. und 19. Jahrhundert.<br />

Mit seinen kontextspezifischen Installationen<br />

wagt Boccalini einen Spagat zwischen Konzeptkunst<br />

und traditionellem Handwerk, eine<br />

intellektuelle Reinterpretation der Manualität:<br />

Die Vernunft ist in den Händen! BF<br />

Stefano Boccalini · La ragione nelle mani, <strong>2021</strong>,<br />

Ausstellungsansicht, Maison Tavel, Genf<br />

Stefano Boccalini · La ragione nelle mani, <strong>2021</strong>,<br />

Ausstellungsansicht, Maison Tavel, Genf<br />

→ Musée d’Art et d’Histoire, Maison Tavel, bis<br />

27.6.; ‹La ragione nelle mani›, Archive Books,<br />

Berlin, <strong>2021</strong><br />

↗ institutions.ville-geneve.ch<br />

68 <strong>Kunstbulletin</strong> 6/<strong>2021</strong>

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!