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Kunstbulletin Juni 2021

Die Kunstbulletin Juni-Ausgabe 2021. Mit Beiträgen zu: Renée Levi, Olafur Eliasson, Mireille Gros, Franz Erhard Walther uvm.

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Rinus Van de Velde — Introversionen des Selbst<br />

Rinus Van de Velde war 2018 im Kunstmuseum Luzern im Rahmen<br />

einer Gruppenschau zu Gast. Nun wird ihm hier die erste<br />

umfassende institutionelle Einzelausstellung ausgerichtet. Die<br />

Kuratorin Fanni Fetzer bietet Einlass in sein Zuhause, das sich<br />

als Imaginarium voller seltsamer Wesen und Dinge entpuppt.<br />

Luzern — Auf die Vermessung der Welt durch Entdecker wie Alexander von Humboldt<br />

folgte ihre Vermarktung als Ware für Touristen. Auch die Avantgarde zog aus, um unbekannte<br />

Positionen zu besetzen, Eroberungen, die nun auf dem Kunstmarkt als Objekte<br />

für Spekulationen fungieren. Nach diesem Ende der Geschichte fragt Rinus Van<br />

de Velde (*1983, Löwen, Belgien): Wie kann ich noch neues Terrain erkunden, zumal<br />

ich gar nicht in die Welt hinausgehen mag, sondern lieber zu Hause bleibe?<br />

Die Ausstellung unter dem Titel ‹I’d rather stay at home,…› kann als postheroische<br />

Absage ans Heldentum gelesen werden. Aber auch als ironischer Abgesang auf seine<br />

Idole. So lässt Van de Velde in seinen Keramikarbeiten nach Manier von Fischli/Weiss<br />

das Ikonische von Monet und Warhol ins Banale abgleiten. Am bekanntesten sind jedoch<br />

seine monumentalen fotorealistisch anmutenden Kohlezeichnungen, die zwar<br />

an Robert Longo erinnern, aber expressiver wirken. Und auch narrativer, was durch<br />

begleitende Textzeilen verstärkt wird. Bildete hier Found Footage die Vorlage, werden<br />

im Atelier nun eigene Welten aus Holz, Karton, Styropor und anderem hergestellt.<br />

Denn selbst wenn der durchmessene Weltinnenraum kein Aussen mehr kennt,<br />

bleibt die Erforschung der Innenwelt des Ichs. Doch Ich ist ein Anderer. Und so wird<br />

das Spektakel der Gesellschaft zu einem Spiel der Masken, die Welt wird zur Bühne<br />

und Van de Velde zum Bühnenbildner. Er eignet sich dazu Elemente aus Geschichte,<br />

Kunst und Popkultur an und bastelt daraus autofiktionale Biografien ungelebter<br />

Leben. Filme entstehen wie ‹The Villagers›, 2019–2020, oder ‹La Ruta Natural›, 2019–<br />

<strong>2021</strong>. Bevölkert mit monadischen Alter Egos, versunken in repetitiven Aktivitäten, die<br />

isoliert betrachtet absurd wirken: ein Tennisspieler, der vergeblich an seiner Technik<br />

übt; ein Prophet auf dem Berg, den niemand hört; ein Künstler, der verzweifelt Neues<br />

schaffen will. Trotzdem, wir müssen sie uns als glückliche Menschen vorstellen.<br />

In den Museumsräumen ist gleichsam ein Fundus ausgebreitet. Sind es raumgreifende<br />

Installationen, Kulissen oder Gesamtkunstwerke? Plastiken oder Requisiten?<br />

Kohlezeichnungen oder Filmstills? Sowohl als auch! Kunst als autopoietisches System,<br />

in dem die Zeichen nur noch aufeinander verweisen und Sein und Schein ununterscheidbar<br />

sind. Ein Hyperrealismus im philosophischen Sinne, in welchem aber<br />

das Materielle, Unvollkommene und Konstruierte stets sichtbar bleibt. Ein Hyperrealismus,<br />

der melancholisch auf eine Welt verweist, die uns abhandengekommen<br />

ist. Und wohl nie so existiert hat. Michel Rebosura<br />

→ ‹Rinus Van de Velde – I’d rather stay at home,…›, Kunstmuseum, bis 20.6. ↗ kunstmuseumluzern.ch<br />

94 <strong>Kunstbulletin</strong> 6/<strong>2021</strong>

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