Kunstbulletin Juni 2021
Die Kunstbulletin Juni-Ausgabe 2021. Mit Beiträgen zu: Renée Levi, Olafur Eliasson, Mireille Gros, Franz Erhard Walther uvm.
Die Kunstbulletin Juni-Ausgabe 2021. Mit Beiträgen zu: Renée Levi, Olafur Eliasson, Mireille Gros, Franz Erhard Walther uvm.
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BESPRECHUNGEN<br />
Nici Jost — Schanghai durch den Farbfilter<br />
Die Fotografin und Künstlerin Nici Jost hat sich in ihrem Schaffen<br />
ganz der Farbe Pink verschrieben;dabei führt sie dem Publikum<br />
ein breites Spektrum von unterschiedlich konnotierten<br />
Farbtönen vor Augen. Der Kunstraum Baden zeigt eine Werkgruppe<br />
mit gesammeltem Material aus Schanghai.<br />
Baden — Bevor man den Ausstellungsraum betritt, wird man sanftem Wasserplätschern<br />
lauschend durch einen pinken Tunnel geschleust; und findet sich unvorbereitet<br />
in einer wild-wirren Geräuschkulisse wieder. Ganz ähnlich hat sich die in Kanada<br />
geborene Zürcherin Nici Jost (*1984) gefühlt, als sie 2018 ihren sechsmonatigen Aufenthalt<br />
im Swatch Art Peace Hotel in Schanghai antrat. Für die Schau ‹ Land<br />
of Peach Blossom› verwandelt sie den Kunstraum Baden in eine Mischung aus chinesischer<br />
Shoppingmall und traditionellem Markt. Die gezeigte Werkgruppe basiert<br />
auf dem Material, das die Künstlerin in Schanghai gesammelt hat. Jost liess sich dabei<br />
von der Farbe Pink als Filter durch die überwältigende Flut an Eindrücken leiten<br />
und fand verschiedene Themenbereiche, die beeindruckende Einblicke in die gesellschaftliche<br />
und kulturelle Komplexität der chinesischen Metropole bieten.<br />
Als Auftakt zur Ausstellung stellt die Künstlerin zwei neue Pinktöne vor, die sie<br />
in China kreiert hat: ‹Peach Pink› und ‹Silent Pink›. Diese ergänzen die 2016 entstandene<br />
Arbeit ‹Pink Color Systems›, die aus einem Farbfächer mit zehn Pinktönen besteht.<br />
Jost hat sich mit der Repräsentation, Bedeutung und Geschichte der Farbe in<br />
verschiedenen Bereichen des westlichen Alltags wie zum Beispiel Konsum (‹Refined<br />
Pink›) oder Politik (‹Bloc Pink›) auseinandergesetzt. Mit ihrer künstlerischen Forschung<br />
will sie zeigen, dass Pink als Farbe zu Unrecht als oberflächig oder gar «girly»<br />
degradiert wird. Der Fokus dieser Ausstellung liegt auf den sorgfältig inszenierten<br />
Sektoren ‹Shop›, ‹Bird and Flower Market›, ‹Deconstruction/Demolition› und ‹Construction›,<br />
die wie Schaukästen nebeneinander angeordnet sind. Die Installationen bestehen<br />
aus Fotografien, Videoarbeiten und auch skulpturalen Elementen, etwa einer<br />
mit unzähligen pinken Dingen gefüllten Ladenvitrine. «Pink war auch eine gute Türöffnerin,<br />
um mit Menschen in Kontakt zu kommen, die mit mir ihre Erfahrungen und<br />
Erinnerungen mit der Farbe geteilt haben», erzählt die Künstlerin.<br />
Die überraschend vielschichtigen Werke führen einem spielerisch und ernst zugleich<br />
die eigenen Vorurteile gegenüber einem Farbton vor Augen. In der präzise und<br />
lustvoll kuratierten Schau lassen sie uns staunen über die Vielfalt an historischen,<br />
kulturellen und gesellschaftlichen Bezügen, die mit einem zunächst trivial wirkenden<br />
Filter im privaten und öffentlichen Feld erforscht werden können. Gianna Rovere<br />
→ ‹Nici Jost –<br />
Land of Peach Blossom›, Kunstraum Baden, bis 27.6. ↗ www.kunstraum.baden.ch<br />
82 <strong>Kunstbulletin</strong> 6/<strong>2021</strong>