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Kunstbulletin Juni 2021

Die Kunstbulletin Juni-Ausgabe 2021. Mit Beiträgen zu: Renée Levi, Olafur Eliasson, Mireille Gros, Franz Erhard Walther uvm.

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Giacomo Santiago Rogado, Axel Lieber — Kopf, Bauch und Kragen<br />

Zusammenklang der Gegensätze. Die Galerie Mark Müller kann<br />

hier auf eine Reihe glücklicher künstlerischer Begegnungen zurückblicken.<br />

Die Schau des Malers Giacomo Santiago Rogado<br />

und des Bildhauers und Installationskünstlers Axel Lieber setzt<br />

diese Tradition charmant und unaufgeregt fort.<br />

Zürich — Was haben die grossformatigen geometrisierenden Malereien von Giacomo<br />

Santiago Rogado (*1979, Luzern) mit den smarten bildhauerischen Interventionen<br />

von Axel Lieber (*1960, Düsseldorf) zu tun? Beide treffen sich bis Anfang <strong>Juni</strong> in der<br />

Galerie Mark Müller. Geben die Titel ihrer Ausstellungen weitere Hinweise? Immerhin<br />

rufen beide den Kopf, das Denken, an erster Stelle auf. Doch in gegensätzlicher Richtung.<br />

Appelliert Rogados ‹Kopf Herz Bauch› an eine ästhetische Körper-Seele-Geist-<br />

Einheit, die seine bezaubernden, ornamental distanzierten Bildfindungen auszulösen<br />

vermögen, scheint es bei Liebers ‹Kopf und Kragen›-Inszenierung eher um das<br />

Glück zu gehen, aus einer brenzligen Situation noch einmal davongekommen zu sein.<br />

Und in der Tat, in Liebers Objektwelt, die er in Zürich vergnüglich kleinteilig – anderenorts<br />

tat er es monströs raumfüllend – ausbreitet, ist nichts, wie es auf den ersten<br />

Blick erscheint. So stellt er in die Mitte des Ausstellungsraums zur Strasse ein<br />

hohes Gestell, auf dem er seine Arbeiten platziert, dergestalt dass sie die Passantin<br />

durch die Fensterfront für die Auslage eines Pop-up-Stores halten könnte. Da steht<br />

etwa eine klassische Kaffeetasse. Treten wir näher, sehen wir, dass ihre ansprechend<br />

gleichmässig abgesetzte braune Färbung innen und aussen durch die langsame<br />

Trocknung des Getränks, für dessen Genuss sie eigentlich gefertigt wurde, entstanden<br />

sein muss. Und der dreibeinige Stuhl? Und der winzige grüne Hocker davor? Zum<br />

Sitzen kaum geeignet, «morphen» sie den Gegenstand «Sitzgelegenheit» zum konkreten<br />

Objekt, seiner ursprünglichen Funktion entledigt.<br />

Damit ist man mittendrin in Liebers vertracktem Spiel der Realitätsverschiebung,<br />

der Weltverrückung. Diesem hat sich der Künstler von Beginn seiner künstlerischen<br />

Laufbahn an verschrieben. Heute lebt er in Stockholm und Berlin, wo er 1992 mit<br />

Hans Hemmert, Thomas Schmidt und Georg Zey die Künstlergruppe ‹Inges Idee› begründete.<br />

Auch in Zürich ist er kein Unbekannter mehr: ‹Kopf und Kragen› ist Liebers<br />

fünfte Schau bei Mark Müller. Und diese sollte nicht versäumt werden, denn sie<br />

bietet mit Arbeiten von1989 bis heute einen repräsentativen Querschnitt durch sein<br />

bisheriges Werk. Von den skelettierten Kartonschachtel-Objekten bis hin zu einer<br />

«wachsenden» Hose, die das Mass von Kinderbeinen mit einem erwachsenen Bauchumfang<br />

vereint. Joke oder Albtraum? Auch wenn man sie nicht nach Hause trägt, aus<br />

dem Kopf geht sie wohl kaum mehr. Max Glauner<br />

→ ‹Axel Lieber – Kopf und Kragen› und ‹Giacomo Santiago Rogado – Kopf Herz Bauch›, Galerie Mark<br />

Müller, bis 5.6. ↗ www.markmueller.ch<br />

110 <strong>Kunstbulletin</strong> 6/<strong>2021</strong>

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