Kunstbulletin Juni 2021
Die Kunstbulletin Juni-Ausgabe 2021. Mit Beiträgen zu: Renée Levi, Olafur Eliasson, Mireille Gros, Franz Erhard Walther uvm.
Die Kunstbulletin Juni-Ausgabe 2021. Mit Beiträgen zu: Renée Levi, Olafur Eliasson, Mireille Gros, Franz Erhard Walther uvm.
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Serie und Variation<br />
Chur — Beim Titel der Sammlungspräsentation<br />
‹Serie und Variation› im Bündner Kunstmuseum<br />
kamen mir sofort Augusto Giacomettis ‹Farbige<br />
Abstraktionen› von um 1900 in den Sinn. Tatsächlich<br />
sind diese Pastelle aus aneinandergefügten<br />
Farbfeldern, die Gegenständliches in<br />
abstrakte Farbkompositionen überführen, ausgestellt.<br />
Es ist eine Premiere, dass die ganze in<br />
der Sammlung enthaltene Reihe gezeigt wird.<br />
Die von Stephan Kunz kuratierte Schau reicht<br />
von 1900 bis in die Gegenwart und hat zum<br />
Ziel, das Spektrum des Ausstellungsthemas<br />
aufzufächern. Während Werke von Silvia Buol<br />
und Margret Rufener an Körperbewegungen<br />
angelehnt sind, zeigt Katharina Krauss-Vonow<br />
mit ‹Das magische Dreieck›, 1987, eine Variation<br />
weiblicher Schambehaarungen. Florio Puenter<br />
verweist mit Fotografien gleich aussehender,<br />
jedoch nicht identischer Häuser auf Konzeptkunst<br />
und Minimal Art, während gemäss Hans<br />
Danuser ein fotografischer Eindruck von Peter<br />
Zumthors Kapelle St. Benedikt nur in Form<br />
einer Serie zu erreichen ist. Mit Michel Grillets<br />
bemalten Gouache-Pastillen und Stefan<br />
Gritschs Zeichnungen aus Tausenden von<br />
Bleistiftstrichen sind Sammlungsneuzugänge<br />
präsentiert. Ein persönliches Highlight – weil<br />
wohlbekannt und dennoch eine thematische<br />
Neuentdeckung – ist Evelina Cajacobs<br />
Videoinstallation ‹HandArbeit›, 2010, wo Hände<br />
in meditativen Wiederholungen Küchentücher<br />
zusammenlegen. Das Serielle spiegelt<br />
sich nicht nur im Akt des Zusammenfaltens<br />
wider, sondern auch im gestreiften Muster der<br />
Handtücher und in ihrer Produktion. Schöne<br />
Querbezüge ergeben sich zwischen Alberto<br />
Giacomettis Lithografien rasch entstandener<br />
Skizzen in ‹Paris sans fin›, 1958–1965, Gaudenz<br />
Signorells Fotografie urbaner ‹Abtastungen X›,<br />
1990, und den fotografierten Alltagsmomenten<br />
von Pascale Wiedemann. Genaue Beobachterinnen<br />
entdecken zudem in Giovanni<br />
Giacomettis Holzschnittserie ‹I figli della luce›,<br />
1913, eine Referenz auf das gleichnamige<br />
Wandbild des Künstlers im ersten Stock der<br />
Villa Planta. Ein kuratorischer Coup gelingt mit<br />
der Positionierung der Ausstellung im Kabinett<br />
des Museums: So beziehen sich nicht nur<br />
die Kunstwerke auf das Thema von Serie und<br />
Variation, sondern auch die architektonische<br />
Anordnung der Räume. Seriell aufeinanderfolgend,<br />
variieren sie in Raumgrösse und künstlerischen<br />
Positionen. Eine runde Sache – wie<br />
die unendliche bronzene Spirale von Abraham<br />
David Christian, die das Publikum begrüsst und<br />
verabschiedet. SP<br />
Augusto Giacometti · 3 Abstraktionen,<br />
1900/1900/1902 (v.l.n.r.), Pastell auf Papier<br />
Evelina Cajacob · HandArbeit, 2010, Tisch,<br />
Handtücher, Videoinstallation mit Ton<br />
→ Bündner Kunstmuseum Chur, bis 29.8.<br />
↗ www.kunstmuseum.gr.ch<br />
66 <strong>Kunstbulletin</strong> 6/<strong>2021</strong>