Step Out of Your Body, Enter New Ones — Sinn für Gemeinschaft Raphael Gygax kuratiert in der Galerie Peter Kilchmann eine Gruppenschau, die das Gemeinsame und Transzendentale ins Zentrum stellt. Den Projekten wohnt tatsächlich ein Zauber inne, dieser ist aber eher der Empathie und dem Gemeinschaftssinn als beschworenen Geistern geschuldet. Zürich — Das Linoleum ist stark abgetreten, die Muster allerdings sind noch lesbar. Sie verbinden sich über die rauen Ränder der übereinandergeschichteten Bodenbeläge aus verschiedenen Häusern – aus den Gegenden Cape Flats und Kayelitsha in Kapstadt – zu neuen, gebrochenen Ornamenten. Der südafrikanische Künstler Igshaan Adams (*1982) nutzt sie für eine monumentale Wandcollage. Sie erhält durch den Gebetsteppich am unteren Bildrand zusätzliche Aufladung. Gebetsräume im Islam dürfen keinen figurativen Schmuck aufweisen, nur Kalligrafie und Ornamente. Durch Schrift und Formenvielfalt finden wir durch Schönheit zu Gott; was so für alle islamischen Schulen stimmt, wird insbesondere in der mystischen Tradition des Sufismus betont und durch Bewegung, Tanz und Trance in der Gemeinschaft verstärkt. Der hier skizzierte Zusammenhang zwischen abgetretenen Linoleumstücken, Tanz und Gebet ist keine Konstruktion aus der Ferne, sondern der künstlerischen Suche eines jungen, schwulen Mannes geschuldet, der nach Möglichkeiten des Kommunalen in einem sozialen Glaubenssystem sucht, das oft eher konservativ als inkludierend wirkt. Auf welchem Boden stehen wir, wie ist er beschaffen? Physisch, metaphorisch, metaphysisch? Diese Fragen stellt Gastkurator Raphael Gygax mit und durch die künstlerischen Positionen, die er in ‹Step Out of Your Body, Enter New Ones› präsentiert. Sein Zugang ist dabei ebenso kunsthistorisch wie zeitgenössischphilosophisch: Ähnlich wie unsere Ahnen in der industriellen Revolution sehen wir uns inmitten der Umwälzungen der Digitalisierung und des scheinbaren Sieges eines globalen Kapitalismus mit unserem Verhältnis zum Spirituellen konfrontiert. Gygax liest den Begriff der Transzendenz dabei von seinem Bedeutungsursprung der Grenzüberschreitung her: Nur wer den eigenen Grenzen entkommt, findet im Anderen, Übergeordneten eine mystische Erfahrung. Der Titel ‹Tritt aus deinem Körper heraus in neue hinein› meint damit nicht neue individuelle Körper, sondern einen gemeinsamen, eine «Unio mystica», die sich in der sozialen Handlung vollzieht. Im hintersten Raum der Ausstellung zeigt Teresa Margolles (*1963, Culiacan) ein besticktes Leichentuch aus Recife, Brasilien. Das zugehörige Video ‹Gerlaine GG Om Pao Com Molho: Identidade Desconhecida›, 2014, zeigt eine Gruppe von Frauen, die liebevoll das Tuch besticken, das den Körper einer Ermordeten am Tatort bedeckte. Die Stickenden sprechen über die Tote, spekulieren über ihr Leben, schreiben es gleichsam mit den entstehenden Blumen in den Stoff ein. Ein ausgelöschtes Leben emaniert in einem gemeinsamen Akt der Liebe und Sorgfalt neu. Damian Christinger → ‹Step Out of Your Body, Enter New Ones›, Galerie Peter Kilchmann, bis 5.6. ↗ peterkilchmann.com 112 <strong>Kunstbulletin</strong> 6/<strong>2021</strong>
Igshaan Adams · When Dust Settles (I), 2018, Gefundener, manipulierter Vinyl-Bodenbelag, Schnüre, Perlen, 330 x 460 cm, Ausstellungsansicht Galerie Peter Kilchmann. Foto: Sebastian Schaub Teresa Margolles · Gerlaine GG Om Pão Com Molho: Identidade Desconhecida, 2014, Video, Stickarbeit auf einem Leichentuch, mit Blutflecken einer Ermordeten aus Recife, Brasilien. Mit Marluce Pedro de Araujo, Maria Gracas Guimares de Lima, Ezilda Rodrigues da Silva, Edinai Maria da Silva, Josefa Helena da Silva, Josilene Maria da Silva, Zumeira Deca da Silva, Rositania da Silva Santos und Jocileide Benedita de Souza vom Social Center Dom João Costa, Courtesy Galerie Peter Kilchmann BESPRECHUNGEN // ZÜRICH 113
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Juni 2021 Fr. 10.-/€ 8.-
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