27.05.2021 Aufrufe

Kunstbulletin Juni 2021

Die Kunstbulletin Juni-Ausgabe 2021. Mit Beiträgen zu: Renée Levi, Olafur Eliasson, Mireille Gros, Franz Erhard Walther uvm.

Die Kunstbulletin Juni-Ausgabe 2021. Mit Beiträgen zu: Renée Levi, Olafur Eliasson, Mireille Gros, Franz Erhard Walther uvm.

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nannte sie die grosse Raumfolge an der Biennale de Lyon 2019. Ihr eigener Name fand<br />

letztes Jahr im französischen Évreux ein neues Echo im Bild von Schrift: Das grosse<br />

Aufgebot an situativ in die Dauerausstellung und in die klösterlichen Gemäuer eingeführten<br />

Linien blieb aufgrund des Lockdowns unter Verschluss. Doch ‹L E V I› war<br />

da, in Buchstaben, Zeichen und Zeichnung – kurzzeitig aufgerufene Gegenwärtigkeit<br />

inmitten gebauter und inszenierter, christlich geprägter Kulturgeschichte.<br />

Unerschrockene Hingabe<br />

Streng genommen versteht Renée Levi ihren Eigennamen auch als Label. Mehrere<br />

Erwägungen, das Entwerfen, Planen und Umsetzen von Projekten mit «Levi &<br />

Schmid» zu signieren, hat das Künstlerpaar verworfen. Nach aussen wäre ein Doppelname,<br />

der auch ihr Partner Marcel Schmid aufnimmt, schwer nachvollziehbar,<br />

bleibt doch die «Handschrift» auch da bei Renée Levi, wo Ausstellungen und Installationen<br />

gemeinsam erdacht sind.<br />

Das ästhetische Erleben von Ziffern wie Buchstaben kommt nicht von ungefähr<br />

in Levis Schaffen. Als Tochter jüdischer Gastarbeiter aus Istanbul ist sie vierjährig in<br />

die Schweiz gekommen. Im aargauischen Bremgarten aufgewachsen, war der Erwerb<br />

der lokalen Umgangssprache anspruchsvoll und die Zeichen waren doch Garant für<br />

die gegenseitige Verständigung. Schreiben, Zeichnen und Malen sind sich verwandt,<br />

dringen in Strich und Rhythmus zum Nukleus von Sprache vor und verbinden in der<br />

Ziffer Menge, Mass und Bedeutung. So viel verbindende Erinnerung hat Malerei noch<br />

lange nicht ausgelotet. Je nach architektonischer Umgebung und örtlicher Geschichte<br />

schien Levis Strich als Erinnerung an die Katastrophe des Holocaust auf. Oder regte<br />

im analogen öffentlichen Raum mit Sudokus zum Zeitvertreib. Einfache Konstellationen<br />

erforschen die Komplexität von Wissen und Wahrnehmung. Im Elementaren<br />

von Blatt, Farbe, Linie lässt sich Welt bedenken.<br />

Und ‹Aimée›? Sie kam der Künstlerin in Annemasse geradezu entgegen: Die Recherche,<br />

die jedem Zusammenarbeiten mit einem Ort vorausgeht, musste ihr Aimée<br />

Stauffer-Stitelman (1925–2004) über den Weg schicken. Diese hatte hier als junge<br />

Frau jüdischen Kindern und Angehörigen der Résistance zur Flucht in die Schweiz<br />

verholfen. Solch unerschrockene Hingabe, kombiniert mit dem femininen «-ée», ruft<br />

geradezu nach Malerei, ist Signatur und Hommage in einem und wird diesen Sommer<br />

noch als Fassadenbild für länger Erinnerung stiften.<br />

Isabel Zürcher lebt und arbeitet als freiberufliche Kunstwissenschafterin und Autorin in Basel.<br />

mail@isabel-zuercher.ch<br />

→ ‹Renée Levi – Aimée›, Villa du Parc, Annemasse (F), bis 31.7. ↗ www.villaduparc.org<br />

→ ‹Inventaire›, MAMCO, Genf, bis 20.6. ↗ www.mamco.ch<br />

FOKUS // RENÉE LEVI<br />

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