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Kunstbulletin Juni 2021

Die Kunstbulletin Juni-Ausgabe 2021. Mit Beiträgen zu: Renée Levi, Olafur Eliasson, Mireille Gros, Franz Erhard Walther uvm.

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Frauen.Rechte<br />

Zürich — Vom Stimmrecht bis zum Schwangerschaftsabbruch:<br />

Die Ausstellung im Landesmuseum<br />

vergegenwärtigt den langen Kampf<br />

um Gleichstellung von der Aufklärung bis in die<br />

Gegenwart. Historische Dokumente und künstlerische<br />

Arbeiten liefern einen erdrückenden<br />

Einblick in die Geschichte.<br />

Sie schlendert im hellblauen Kleid der Strasse<br />

entlang, Häuserfassaden zu ihrer Linken, zur<br />

Rechten geparkte Autos, deren Scheiben sie<br />

mit einer Blume zerschlägt. Scherben fliegen,<br />

eine Polizistin geht vorbei – die Frauen lächeln<br />

sich an. Die raumgreifende Projektion von<br />

Pipilotti Rist (*1962, Grabs) ist der Auftakt zu<br />

jenen Themen, mit denen eine Ausstellung im<br />

Landesmuseum aufwartet. ‹Ever is Over All›<br />

unterwandert Stereotype, die bis heute mit<br />

der Vorstellung von Weiblichkeit einhergehen:<br />

die Frau als naives und fragiles Wesen,<br />

das dem vernünftigen Mann gegenübersteht.<br />

Diese «natürliche» Differenz zwischen den<br />

Geschlechtern wurde immer wieder instrumentalisiert,<br />

um der Frau ihre Grundrechte zu<br />

verweigern. Als eines vieler Beispiele führt die<br />

Ausstellung das Frauenstimm- und -wahlrecht<br />

auf, das den Schweizer Bürgerinnen vor gerade<br />

mal 50 Jahren zugesprochen wurde. Der Grund<br />

für die Verweigerung: Die Frau sei im Gegensatz<br />

zum Mann nicht nur unvernünftig, sondern<br />

würde durch die Politik gar «vermännlicht».<br />

Diese Argumentation illustrieren verschiedene<br />

Plakate aus dem 20. Jahrhundert; darauf sind<br />

Frauen mit knochigen Fingern und zerzausten<br />

Haaren zu sehen, die sich in die politischen<br />

Anliegen der Männer einmischen und folglich<br />

Heim und Kind vernachlässigen. Ihr Mitspracherecht<br />

war also nicht nur unerwünscht,<br />

sondern auch schädlich für die Gesellschaft.<br />

Entsprechend war das politische Leben dem<br />

Mann vorbehalten, während die Frau auf den<br />

häuslichen Bereich verwiesen wurde, dorthin<br />

eben, wo sie ihre «natürlichen» Fähigkeiten zur<br />

Geltung bringen konnte; darunter etwa Mütterlichkeit<br />

oder Empathie. Die lange Geschichte<br />

der Ungerechtigkeit wird im Landesmuseum<br />

mittels historischer Exponate sowie Audio- und<br />

Videoaufnahmen aufgerollt, die dicht aufeinanderfolgen.<br />

Dabei ist das Frauenstimm- und<br />

-wahlrecht in bester Gesellschaft: Recht auf<br />

Bildung, Recht auf Arbeit, Recht auf Abtreibung<br />

– die Liste ist lang. Die Stationen dieses<br />

politischen und zivilrechtlichen Kampfs<br />

prangen an grossen Schautafeln, die am Boden<br />

stehen, von der Decke hängen, Raum und Auge<br />

einnehmen. Der Blick kann kaum ausweichen,<br />

und das ist gut so: Denn erst, so verdeutlicht<br />

es die Schau, wenn die Diskriminierung von<br />

Frauen als Unrecht anerkannt wird, kann die<br />

Gleichstellung in weiteren gesellschaftlichen<br />

Bereichen möglich werden. Solange dieser<br />

Konsens nicht besteht, weiblicher Widerstand<br />

noch immer als Tabubruch angesehen wird,<br />

muss Pipilotti Rist wohl einmal mehr durch die<br />

Strassen schreiten. GB<br />

Pipilotti Rist · Ever is Over All, 1997, Audio-<br />

Video-Installation, Courtesy Hauser & Wirth<br />

und Luhring Augustine<br />

Blick in die Ausstellung. Foto: Schweizerisches<br />

Nationalmuseum<br />

→ Landesmuseum Zürich, bis 18.7.<br />

↗ www.landesmuseum.ch<br />

80 <strong>Kunstbulletin</strong> 6/<strong>2021</strong>

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