27.05.2021 Aufrufe

Kunstbulletin Juni 2021

Die Kunstbulletin Juni-Ausgabe 2021. Mit Beiträgen zu: Renée Levi, Olafur Eliasson, Mireille Gros, Franz Erhard Walther uvm.

Die Kunstbulletin Juni-Ausgabe 2021. Mit Beiträgen zu: Renée Levi, Olafur Eliasson, Mireille Gros, Franz Erhard Walther uvm.

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Goethe und Josef Albers die Gewissheit vermittelt, dass im Bereich der Farbtheorie<br />

eine geschärfte Wahrnehmung durch ein geduldiges, vergleichendes Sehen und so<br />

etwas wie Hören unabdingbar ist.<br />

Für die Installation im CHUV hat Mireille Gros eine breite Palette an geradezu konträren<br />

Farbklängen erprobt. Um Frühlingsfrische in den stollenartigen Durchgangsraum<br />

zu bringen, hat sie in die Auswahl an Zeichnungen von 2019–<strong>2021</strong> eine zweite<br />

Serie in Leuchtfarben eingestreut. Die grellen Riesenkelche setzen nun zwischen den<br />

in satten Fleischfarben, tiefen Wassertönen oder auch namenlosen Erdnuancen gehaltenen<br />

Blättern überraschende Akzente. Wider Erwarten bringt diese Kombiantion<br />

das umfangreiche Spektrum der Kolorierung von Mireille Gros geradezu zum Tönen.<br />

Figurative und metaphorische Sprache<br />

Es ist deshalb nicht paradox, wenn die Künstlerin behauptet: «Es beruht alles<br />

auf Beobachtung», und nur zwei Minuten später: «Meine Arbeit ist vollkommen abstrakt.»<br />

Es geht ihr um die Erzeugung einer zweiten Natur, die idealerweise die erste<br />

Natur nicht nur vertritt, sondern erreicht – wie dies etwa Leonardo wiederholt formuliert<br />

hat, der ebenfalls in ihrer selektiven Bibliothek vertreten ist.Viele der Zeichnungen<br />

von Mireille Gros wären ausserhalb ihres Werkzyklus ‹TFPD› kaum mit Flora zu<br />

verbinden. Man könnte sie etwa als Essais zu einer unerschöpflichen Vielfalt urtümlicher<br />

Gesten auf dem Weg zum Bild oder zur Schrift verstehen.<br />

Mireille Gros stellt ihr Œuvre, ähnlich wie Kunstschaffende seit der Renaissance<br />

und dann vor allem von der Art Nouveau bis zur Arte povera, in eine nicht nur äussere,<br />

sondern innere Analogie zur Natur. Und zwar sowohl aus der eigenen bei ihr in die<br />

Hügel und die Gewässer des Freiamts zurückführenden Erfahrung als auch auf Basis<br />

wissenschaftlicher Erkenntnisse. Insofern bedeutete das ihr reifes Werk begründende<br />

Transzendenzerlebnis im Primärwald 1993 an der Elfenbeinküste nicht nur<br />

Vertiefung, sondern auch Öffnung: Sie erhielt Einsicht in menschlich kaum berührte<br />

Lebensräume, in denen sich während Jahrmillionen eine unendlich dichte, nicht<br />

zuletzt auch visuell überwältigende und bezaubernde Artenvielfalt entwickelt hatte,<br />

während sich in unseren Kulturlandschaften oft nur noch einige wenige Pflanzen und<br />

Tiere um die Dominanz streiten. Heute führende Evolutionsfachleute wie etwa Joan<br />

Roughgarden betonen auf der Basis solcher Vergleiche die eigentliche Interdependenz<br />

zwischen den Arten und die Bedeutung multimorphologischer Anpassungsfähigkeit<br />

und ermessen dieses Prinzip generell als effizienteres, dauerhafteres Modell<br />

als das darwinsche Konzept des «Survival of the Fittest».<br />

Kopfgeburten und Naturbegegnung<br />

Die Metaphern des Lebens und des Neubeginns im Werk von Mireille Gros bewogen<br />

Karine Tissot, Gros’ Ausstellung ins Zentrum der Reihe der Frühlingspräsentationen<br />

zu stellen. Hatte ihre Vorgängerin Caroline de Watteville Kunstausstellungen<br />

im Empfangsbereich und Sammlungstätigkeit im Spital von 1990 bis 2018 pionierhaft<br />

verankert, versucht die jetzige Spitalkuratorin, mit einem weiter ausgreifenden Pro-<br />

FOKUS // MIREILLE GROS<br />

53

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!