Kunstbulletin Juni 2021
Die Kunstbulletin Juni-Ausgabe 2021. Mit Beiträgen zu: Renée Levi, Olafur Eliasson, Mireille Gros, Franz Erhard Walther uvm.
Die Kunstbulletin Juni-Ausgabe 2021. Mit Beiträgen zu: Renée Levi, Olafur Eliasson, Mireille Gros, Franz Erhard Walther uvm.
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Andrea Heller, Ursula<br />
Rutishauser<br />
Brugg — Vor sieben Jahren verzauberte Ursula<br />
Rutishauser (*1955) mit Schülerinnen und<br />
Schülern beim Kunstprojekt ‹babel überall›<br />
die Königsfelder Klosterkirche. Und ebenso<br />
magisch drehte sich letztes Jahr im Berner<br />
Marzilibad zwischen Baumkronen ein rundes<br />
Etwas aus Chromnickelstahl im Wind. Je nach<br />
Luftzug und Lichteinfall erschien es schmal wie<br />
eine Linie, feuerrot wie eine polierte Emailscheibe<br />
oder flächig durchbrochen wie ein<br />
grosser Scherenschnitt. Ursula Rutishausers<br />
Instrumente sind das Japanmesser und der<br />
Laser. Sie schneidet. So entstehen federleichte<br />
Objekte, etwa Kleidungsstücke an einer<br />
Wäscheleine oder Jalousien mit stacheldrahtähnlichen<br />
Lichtschlitzen – von feiner Heiterkeit<br />
das eine, von hochgradiger Verletzlichkeit das<br />
andere. Im Zimmermannhaus Brugg stehen nun<br />
übermannshohe Papierbahnen wie eingerollte<br />
Teppiche unter dem Dach. Andere werden über<br />
den Balken geschlagen, gleiten wie grosse<br />
Flussläufe zu Boden. Durch das mit dem<br />
Messer bearbeitete Papier öffnen sich Lücken,<br />
die Einsichten und Aussichten gewähren, je<br />
nachdem, wo man steht – fast wie im Leben.<br />
Kunst heisst in jedem Fall auch improvisieren.<br />
Die Badener Künstlerin bearbeitet im Lauf der<br />
Ausstellung ihre Papierobjekte und lässt sich<br />
dabei von den freien Klängen des Jazzpianisten<br />
Adrian Frey begleiten.<br />
Improvisation gilt in weiten Teilen auch für<br />
Andrea Heller (*1975). Ein Geschoss tiefer lenkt<br />
sie dank dem erfolgten Abriss einer Aussenwand<br />
des Hauses natürliches Licht auf ihre<br />
abstrakten Reliefs. Die mehrfach ausgezeichnete<br />
Künstlerin hat gerade erst im Kunsthaus<br />
Pasquart Biel mit einer fulminanten Einzelausstellung<br />
von sich reden gemacht. Bekannt<br />
geworden ist die in Biel lebende Zürcherin vor<br />
allem durch ihre Tusche- und Aquarellzeichnungen.<br />
Sie arbeitet aber auch mit Glas und<br />
Keramik, bemalt Textilien und arbeitet neu mit<br />
Gips. «Ich wollte weg von Pinsel und Tusche»,<br />
erklärt Heller ihren Challenge. Und das manuelle<br />
Arbeiten bereite ihr einfach sehr viel Spass:<br />
Negativformen in Ton modellieren, Gips mit<br />
Tinte einfärben, das Material in abgegrenzte<br />
Felder giessen und sich von «unvorhergesehenen<br />
Zufälligkeiten» überraschen lassen – etwa,<br />
wenn sich nasser, bunter Gips in zartes Pastell<br />
verwandelt. Wie der Mensch in Territorien<br />
eingreift, wie er sie absteckt oder sich selber<br />
eingrenzt – daran denkt Andrea Heller, wenn<br />
sie abstrakte Formen setzt. Ein bisschen Geometrie,<br />
ein bisschen Philosophie, ein bisschen<br />
Topografie. Der Rest ist Intuition. FS<br />
Ursula Rutishauser, Ausstellungsansicht <strong>2021</strong><br />
Andrea Heller · Untitled, <strong>2021</strong>, Gips, Tinte, Filz,<br />
26,8 x 20,5 x 2,5 cm © ProLitteris<br />
→ Zimmermannhaus, bis 13.6.; Improvisation<br />
mit Ursula Rutishauser und Adrian Frey, 30.5.,<br />
11 Uhr; Andrea Heller und Ursula Rutishauser<br />
im Gespräch mit Isabel Zürcher, 10.6.<br />
↗ www.zimmermannhaus.ch<br />
HINWEISE // ANIMATION / BIEL / BRUGG<br />
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