Kunstbulletin Juni 2021
Die Kunstbulletin Juni-Ausgabe 2021. Mit Beiträgen zu: Renée Levi, Olafur Eliasson, Mireille Gros, Franz Erhard Walther uvm.
Die Kunstbulletin Juni-Ausgabe 2021. Mit Beiträgen zu: Renée Levi, Olafur Eliasson, Mireille Gros, Franz Erhard Walther uvm.
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Trash Art<br />
Zürich — Das Haus Appenzell an der St. Peterstrasse<br />
liegt ein paar Schritte abseits des Gewusels<br />
vom Paradeplatz. Wer solcherart in Eile<br />
hineinkommt, wird für die Ausstellung ‹Trash<br />
Art› auf der Galerie mit dem sich langsam drehenden<br />
‹Windrad› von Hans Krüsi (1920−1995)<br />
auf einen gemächlicheren Rhythmus eingestellt.<br />
Gesellschaft leisten diesem Werk ‹Die<br />
Mann-Frau› von Pya Hug (1922−2017) mit dem<br />
stecknadelgespickten Herzen unter dem Arm<br />
sowie einige ‹Schüürlilüt› und der wundersame<br />
‹Oskikiosk› von Karl Uelliger (1914−1993).<br />
Hektik und Stille treffen sich auch im Untergeschoss<br />
in den Skulpturen von Jian Shan (*1996<br />
Yueyang). Sie verwandelt klappernde Tastaturen<br />
in feingliedrige Installationen, indem sie<br />
einzelne Tasten auf Metallstäben befestigt und<br />
gruppiert. Das Toggenburg und China begegnen<br />
sich in zwei Karussellen von Ernst Kummer<br />
(1918−2003) unter dem verspielten Spielzeug-<br />
Mobile ‹Transformation› von Ke Rongcheng<br />
(*1999 Wenzhou). Kummers Karusselle sind<br />
bevölkert von fröhlichen Frauen, die mit<br />
wehendem Haar in knallroten Flugzeugen mit<br />
Schweizerkreuzen sitzen. Das ‹Bikini-Karussell›<br />
ist mit Glitzergirlanden verziert. Das Schicksal<br />
von Ernst Kummer und seinen Werken erinnert<br />
an jenes von Armand Schulthess und seinem<br />
Universum. Von Kummer überlebten lediglich<br />
einige Werke in der Sammlung von Mina und<br />
Joseph John, die sich heute im ‹Museum im<br />
Lagerhaus› befindet. Und wie ein Rollschuh<br />
das Chassis einer ‹Lokomotive› bilden kann,<br />
beweist Max Goldinger (1908−1988).<br />
Allen Werken ist das Basismaterial gemeinsam:<br />
Abfall. Müll. Entsorgtes. Weggeworfenes. Für<br />
den Wegwerfer wertlos, für den Aufheber wertvoll.<br />
Wie immer arbeitet das Haus Appenzell<br />
grenzübergreifend; Partnerinstitution war dieses<br />
Mal die China Academy of Art in Hangzhou.<br />
Vieles war aber anders als sonst, da weder<br />
Studierende noch Dozierende ihr Zuhause verlassen,<br />
geschweige denn reisen konnten und<br />
auch die Vernissage ausfallen musste.<br />
Auch das Haus Appenzell ist nur reduziert<br />
zugänglich; einer der kleinen ‹Kronkorker›<br />
von Markus Peyer weist die Besucher auf den<br />
notwendigen Abstand hin. Peyer ist wie Roland<br />
Hürlimann Mitarbeiter – von Letzterem stammt<br />
die klackernde Installation ‹In Trash we Trust›<br />
im einen Schaufenster. Der leicht nach Gewächshaus<br />
duftende und sorgfältig gemachte<br />
Katalog ergänzt die Werke mit vertiefenden<br />
Texten und Porträts, die sich dem «Abfall» auf<br />
verschiedenen Ebenen nähern. TS<br />
Hans Krüsi · Windrad, Museum im Lagerhaus,<br />
Stiftung für schweizerische Naive Kunst und<br />
Art Brut, St. Gallen<br />
Max Goldinger · Lokomotive, Museum im<br />
Lagerhaus, Stiftung für schweizerische Naive<br />
Kunst und Art Brut, St. Gallen<br />
→ Haus Appenzell, bis 17.7.<br />
↗ www.hausappenzell.ch<br />
HINWEISE // WINTERTHUR / ZÜRICH<br />
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