27.05.2021 Aufrufe

Kunstbulletin Juni 2021

Die Kunstbulletin Juni-Ausgabe 2021. Mit Beiträgen zu: Renée Levi, Olafur Eliasson, Mireille Gros, Franz Erhard Walther uvm.

Die Kunstbulletin Juni-Ausgabe 2021. Mit Beiträgen zu: Renée Levi, Olafur Eliasson, Mireille Gros, Franz Erhard Walther uvm.

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

H.o.Me. – Heim für obsolete Medien — Ein Feld für Experimente<br />

Vom Super-8-Film bis zum Discman – im Kunsthaus Langenthal<br />

stellt sich bei der überbordenden Ansammlung analoger audiovisueller<br />

Geräte von Flo Kaufmann die Frage nach deren Verfallsdatum.Mit<br />

ergänzenden Werken befreundeter Kunstschaffender<br />

wird zugleich ihr Potenzial zur Widerständigkeit untersucht.<br />

Langenthal — Manchmal wird einem das eigene Alter ganz unerwartet bewusst – wie<br />

jüngst im Kunsthaus Langenthal, als der Schreibende irritiert eine Punkt-für-Punkt-<br />

Bedienungsanleitung für einen Kassettenrecorder erblickt. Erst spät realisiert er, wie<br />

lange die Hochblüte all dieser analogen audiovisuellen Technik zurückliegt, die sich<br />

in den Ausstellungsräumen türmt. Zugegeben erweisen sich die Anleitungen als hilfreich<br />

für Geräte aus noch früherer Zeit, wie etwa Super-8-Projektoren oder Plattenspieler,<br />

die man ausprobieren kann.<br />

Zwischen Schrottplatz, Werkstatt und Laboratorium liegt die Atmosphäre der<br />

Schau ‹H.o.Me. – Heim für obsolete Medien›, welche erstmals die immense Ansammlung<br />

an Ton- und Bildgeräten von Flo Kaufmann (*1973) zeigt. Diese haben sich als<br />

«Strandgut» bei ihm angehäuft, sagt der Solothurner Musiker, Ingenieur, Künstler<br />

und «bricoleur universel». Er sucht keine Trouvaillen, sondern versteht die Objekte<br />

als Rohmaterial für künstlerische und klangliche Experimente. So besteht die ‹Gebetsmühle›<br />

von 2010 aus Cola- und Pepsi-Dosen, die an der Wand surrend rotieren.<br />

Weiter bietet Kaufmann Sprechstunden an, in denen er «Kellerfunde» nach Möglichkeit<br />

abspielt, über deren Erhaltung informiert oder sie als Spende entgegennimmt.<br />

Auf die Geräte reagieren wir mit nostalgischen Gefühlen, technischer Faszination<br />

und der Frage: «Was damit anfangen?» Solche Aspekte thematisieren der Katalog<br />

wie auch die Werke von fünfzehn Kunstschaffenden, die in der «Unordnung»<br />

verteilt das heutige Potenzial solcher Technologien ausloten: So kratzt das von der<br />

Decke hängende Plattenspieler-Objekt des Künstlers Strotter Inst. bereits bedenklich,<br />

während in Alexandra Navratils eindringlichem Video ‹The Night Side› die Hände<br />

einer ehemaligen Agfa-Mitarbeiterin langsam tastend über Maschinen zur Herstellung<br />

von Filmen streichen. Wegen deren Lichtempfindlichkeit musste in der einstigen<br />

DDR-Firma fast völlige Dunkelheit herrschen. Kontrastierend dazu bildet Asi Föcker<br />

leuchtende Glühbirnen auf Fotopapier in seltsam abstrakten Formen ab. Fornax Void<br />

(David Elsener) veröffentlichte sein Album ‹Cyberspace Database› mit Synthesizer-<br />

Musik im Stil der 1980er und 1990er letztes Jahr bewusst nur als limitierte CD-Box.<br />

Die französische Gruppe Dardex hingegen kreiert aus Elektroschrott archaische Klingenwaffen<br />

und erinnert so in dieser lebendigen Ausstellung indirekt an die Schattenseite<br />

der Berge ausrangierter Geräte, die im «globalen Süden» oft unter verheerenden<br />

gesundheitlichen Bedingungen weiterverwertet werden. Adrian Dürrwang<br />

→ ‹H.o.Me. – Heim für obsolete Medien›, Kunsthaus Langenthal, bis 20.6. ↗ kunsthauslangenthal.ch<br />

92 <strong>Kunstbulletin</strong> 6/<strong>2021</strong>

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!