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Kunstbulletin Juni 2021

Die Kunstbulletin Juni-Ausgabe 2021. Mit Beiträgen zu: Renée Levi, Olafur Eliasson, Mireille Gros, Franz Erhard Walther uvm.

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Deutsches Design 1949−1989<br />

Weil am Rhein — Draussen, vor dem Museum<br />

ist ein Trabant geparkt – oder besser und<br />

vorsichtiger formuliert: Das Gefährt in himmelblauen<br />

Pastelltönen wurde auf einem,<br />

nun ja, nicht unangemessen niedrigen Podest<br />

abgestellt; dafür, dass es noch fahrbereit ist,<br />

würde man jedenfalls nicht die Hand ins Feuer<br />

legen. Natürlich darf der biedere Zweitakter<br />

in einer Ausstellung über ‹Deutsches Design<br />

1949–1989› nicht fehlen. ‹Zwei Länder, eine<br />

Geschichte› – schon im Untertitel der Schau im<br />

Vitra Design Museum im südbadischen Weil am<br />

Rhein wird deutlich, dass es nicht um die Fortsetzung<br />

vergangener ideologischer Grabenkriege<br />

geht, sondern versöhnlich um Schnittmengen,<br />

um Gemeinsamkeiten zwischen den<br />

ehemals zwei deutschen Staaten.<br />

So gesehen hat der visuelle Coup mit dem<br />

(ganz ehrlich: doch eher dürftig anmutenden)<br />

Trabi eine gänzlich andere Stossrichtung, als<br />

spontan zu vermuten wäre. Keineswegs geht<br />

es um DDR-Design-Bashing, im Gegenteil:<br />

Die Ausstellung, eine Kooperation mit den<br />

Staatlichen Kunstsammlungen Dresden, deren<br />

zweite Station sie sein wird, plädiert für einen<br />

Paradigmenwechsel. Denn nicht als negatives<br />

Aushängeschild für Ost-Design wurde der Trabi<br />

nach vorn und draussen expediert, vielmehr als<br />

Inbegriff eines falschen Klischees über dieses<br />

Design, das die Ausstellung korrigieren möchte.<br />

Was der an Exponaten reichen und, nebenbei,<br />

konzeptionell wie ausstellungsarchitektonisch<br />

überaus originellen Präsentation denn auch<br />

fulminant gelingt. Zu Beginn lässt sie an hoheitlichen<br />

Objekten wie Wappen, Pässen oder<br />

Münzen Unterschiede zwischen Ost und West<br />

aufscheinen; auch an Alltagsdesign wie dem<br />

Ampelmännchen, das nach der Wende zum<br />

nostalgischen Maskottchen avancierte. Aber<br />

bereits bei der Gegenüberstellung von Dieter<br />

Rams’ Weltempfänger mit einem zeitgleichen<br />

Kofferradio Ost versagen die Klischees, und die<br />

Zuordnung wird schwierig. Auch DDR-Geschirr<br />

bewegte sich in Bezug auf Design auf Westniveau.<br />

Ein hölzernes Spielzeugauto aus dem<br />

Osten mutet geradezu futuristisch verspielt an,<br />

Max Bills berühmter Ulmer Hocker daneben<br />

wirkt im Kontrast dazu recht spartanisch.<br />

Ebenso offenbaren die Interieurs auf einer<br />

Fotoserie keinen designerischen Klassenunterschied<br />

zwischen beiden Staaten. Und ein<br />

Schalensessel Ost kann locker mit Luigi Colanis<br />

Sitzmöbel Poly COR konkurrieren. Angesichts<br />

von derlei Gegenüberstellungen treten Unterschiede<br />

in den Hintergrund. Sodass man glatt<br />

vergessen könnte, dass – natürlich! – auch das<br />

Design eine der ideologischen Kampfzonen im<br />

Ost-West-Konflikt war. HDF<br />

Hans Brockhage und Erwin Andrä · Schaukelwagen,<br />

1950, ©Vitra Design, Museum.<br />

Foto: Andreas Sütterlin<br />

Klaus Kunis · Blumengiesser, ca. 1960, aus:<br />

Nachweis für Besiedlung 2014, Hg. Werkleitz<br />

Gesellschaft e.V., Installation: Stephan Schulz.<br />

Foto: Yvonne Most<br />

→ Vitra Design Museum, bis 5.9.<br />

↗ www.design-museum.de<br />

HINWEISE // PARIS / WEIL AM RHEIN<br />

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