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Kunstbulletin Juni 2021

Die Kunstbulletin Juni-Ausgabe 2021. Mit Beiträgen zu: Renée Levi, Olafur Eliasson, Mireille Gros, Franz Erhard Walther uvm.

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Silvia Gertsch — Die Erleuchteten<br />

Silvia Gertsch, die Malerin des Lichts, fängt in einer neuen Bildserie<br />

das elektronische Leuchten der allgegenwärtigen Smartphones<br />

in altmeisterlicher Hinterglasmalerei ein. Damit gelingt<br />

ihr eine faszinierende und anspielungsreiche Porträtreihe, in<br />

die man sich bei Bernhard Bischoff & Partner versenken kann.<br />

Bern — Schauen sie in eine andere Welt? Oder sind sie in sich selbst vertieft? In den<br />

Hinterglasgemälden der Serie ‹Illuminated› von Silvia Gertsch (*1963, Bern) mischen<br />

sich Ferne und Intimität, Konzentration und eine besondere Form von Entrücktheit.<br />

Ausgestellt bei Bernhard Bischoff & Partner zeigen sie Frauen, die ganz bei sich sind<br />

und doch in einer anderen Welt. Motivisch erinnern sie an die in der Romantik beliebten<br />

Figuren am Fenster oder auch an die Lesenden, die in der gleichen Epoche oft<br />

gemalt wurden. Dabei sind diese jungen Frauen, die Gertsch in ihrer jüngsten Werkserie<br />

porträtiert hat, durchaus ganz heutig in ihrem Erscheinungsbild. Sie heissen<br />

‹Charlotte›, 2020, ‹Henriette›, 2020 oder ‹Shupei›, 2020, und allen gemeinsam ist, dass<br />

ihr Blick auf ein Smartphone gerichtet ist, das sie in den Händen halten. Menschen,<br />

die auf ihr Handy gucken – das ist im Alltag so normal, dass man sie kaum noch wahrnimmt.Manchmal<br />

fallen sie einem auf, wenn ihr Verhalten irritierend erscheint, wenn<br />

zum Beispiel ein Paar sich am Café-Tisch gegenübersitzt und beide vom Bildschirm<br />

absorbiert sind. Silvia Gertschs Frauenporträts mit Smartphone sind aber keine billige<br />

Kritik am ohnehin Bekannten.<br />

Die von ihr gemalten Frauen und Mädchen – oft sind es Fremde, zu denen die<br />

Künstlerin keine Beziehung hat – sind meist vor einem nicht näher definierten dunklen<br />

Hintergrund zu sehen. In einigen Bildern, etwa in ‹Kiara›, 2020, oder ‹Lele Dancing›,<br />

<strong>2021</strong>, gibt es Andeutungen häuslicher Sofakissen-Behaglichkeit. Doch meist<br />

ist das Drumherum herabgedimmt auf eine unbestimmte Dunkelheit, die das Licht,<br />

das vom Bildschirm auf die Porträtierten fällt, betont. Und dieses Licht ist, neben<br />

den Frauen selbst, der wichtigste Akteur im Bild. Bläulich kühl, manchmal auch ins<br />

Rötliche gehend, modelliert es die Gesichter der Dargestellten, hebt sie hervor. Die<br />

aufwendige und altmeisterliche Technik, die Silvia Gertsch anwendet, das Malen mit<br />

eigenhändig angerührten Ölfarben hinter Glas, betont dieses eigentümliche Leuchten<br />

noch. Die Porträtierten, alle im nur leicht Lebensgrösse überschreitenden Format<br />

77x53 cm, erscheinen in einem delikat ausgeleuchteten Raum, der es ermöglicht,<br />

sie eingehend zu betrachten, mit den Blicken über ihre Gesichter zu wandern, sich<br />

darin zu versenken. Ungesehen und ohne sich dabei aufdringlich fühlen zu müssen,<br />

denn die Angeschauten schauen ihrerseits konzentriert in flache Fernen. So öffnet<br />

sich in Gertschs Serie ‹Illuminated› eine kleine Philosophie des Betrachtens und<br />

Betrachtetwerdens. Alice Henkes<br />

→ ‹Silvia Gertsch – Illuminated›, Galerie Bernhard Bischoff & Partner, bis 3.7. ↗ bernhardbischoff.ch<br />

86 <strong>Kunstbulletin</strong> 6/<strong>2021</strong>

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