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Kunstbulletin Juni 2021

Die Kunstbulletin Juni-Ausgabe 2021. Mit Beiträgen zu: Renée Levi, Olafur Eliasson, Mireille Gros, Franz Erhard Walther uvm.

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Pamela Rosenkranz — Natürlich künstlich und künstlich natürlich<br />

Architektur ist das Gebaute, das Feste, das Konstruierte. Selbst<br />

dekonstruktivistische Ansätze können die Physik nicht auflösen.<br />

Kann es die Kunst? Gelingt es ihr mit Farbe, Licht und<br />

Atmosphäre, die Grenzen des Bauens zu überwinden? Pamela<br />

Rosenkranz probiert es im Kunsthaus Bregenz aus.<br />

Bregenz — Pamela Rosenkranz’ Arbeiten sind sinnlich und analytisch zugleich. Die<br />

Zürcher Künstlerin (*1979, Altdorf) kennt die Relationen von Raum und Stimmung,<br />

die Wirkung von Dingen, Düften, Licht und Farbe auf die Wahrnehmung und das Denken.<br />

Doch sie inszeniert keine kontrollierten Erfahrungsräume, sondern lässt vielfältige<br />

Faktoren aufeinandertreffen, deren Interferenzen und Wechselwirkungen nicht<br />

von vornherein festgelegt sind, da sie individuell erlebt werden: Materielle und immaterielle<br />

Gegebenheiten durchdringen einander und der Mensch ist dabei nicht nur<br />

unbeteiligter Zeuge, sondern steht mit seinen Sinnen im Zentrum. Das funktioniert<br />

auch im Kunsthaus Bregenz. Im Gegensatz zu manchen Vorgängerinnen und Vorgängern<br />

unterliegt Rosenkranz nicht der Versuchung, Zumthors Architektur mit einer<br />

gigantischen Materialschlacht zu begegnen, sondern setzt gezielte, wirkungsvolle<br />

Interventionen. Im Foyer beispielsweise, der einzigen Etage mit gläsernen Wänden,<br />

hängt vor den Wandflächen transparente Folie. Sie hat weniger einen Einfluss auf<br />

das einfallende, ohnehin bereits milchige Licht, als auf die Architektur: Die grossflächigen<br />

Faltenwürfe lösen die Raumgrenzen auf.<br />

Rosenkranz setzt transparente Folien und Lacke ein wie Häute und Hüllen. Sie<br />

legt Folien über Fotografien, fotografiert diese Sujets erneut und überzieht sie mit<br />

Silikon, sodass das Motiv in unbestimmte Ferne rückt. Sie legt Folien zusammengeknüllt<br />

im Raum ab oder formt sie zu Röhren gleich abgestreifter Schlangenhaut.<br />

Künstliches und Natürliches mischen sich auf subtile Art und Weise. Wenn es etwa<br />

im ersten Obergeschoss summt, rauscht und raschelt, evoziert dies Natur, nicht jedoch,<br />

wenn es dazwischen klickt und klappert, wenn Brummen Schwingungen auslöst<br />

oder Stimmengemurmel ertönt. Immer wieder flicht Rosenkranz solche Brüche<br />

in ihre Arbeit ein: Die Roboterschlange im obersten Stockwerk bewegt sich zwar genau<br />

wie ihr natürliches Vorbild, quietscht jedoch leise dabei. Der süssliche Geruch<br />

im zweiten Obergeschoss ist künstlich erzeugt und trägt doch die Erinnerung an organisches<br />

Verwesen in sich. Und die Wasserlache auf dem Terrazzoboden stammt<br />

nicht von einem Leck im System, sondern ist eine durchdacht platzierte Reflexionsfläche.<br />

Alles, was der polierte Boden unscharf wiedergibt, hier wird es konturiert und<br />

deutlich. Das Wasser ist Pfütze und Gemälde, es ist Spiegel und Symbol, Natur und<br />

Kunst – und es ist Kulminationspunkt der Ausstellung. Kristin Schmidt<br />

→ ‹Pamela Rosenkranz – House of Meme›, Kunsthaus Bregenz, bis 4.7. ↗ www.kunsthaus-bregenz.at<br />

88 <strong>Kunstbulletin</strong> 6/<strong>2021</strong>

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