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Literatur 073<br />

Er gilt <strong>als</strong> Gottvater des SF-Cyberpunk – seit er in den 80ern mit »Neuromancer«<br />

debütierte. Dem in Vancouver lebenden Amerikaner gelang im Jahr 2004 mit<br />

»Mustererkennung« der Sprung in die youtubed world. Wolfgang Frömberg traf William<br />

Gibson in Köln, wo er den Nachfolger »Quellcode« vorstellte. Foto: Alfred Jansen<br />

K ann es sein, dass »Quellcode« nach »Mustererkennung«<br />

den zweiten Teil einer neuen<br />

William-Gibson-Trilogie bildet? Nein. Was<br />

<strong>als</strong> zeitgemäß aufbereitetes Zitat dieser literarischen<br />

Strömung. Andererseits waren Sie mal wieder Ihrer Zeit<br />

voraus. »Mustererkennung«, wo es um im Internet ver-<br />

meine Vergangenheit betrifft, ist es wahrvielfältigte Clips und um Geheimwissen geht, war der<br />

scheinlich, dass es wieder ein Drei-Romane-Paket geben erste Roman, der auf Clip-Portale wie YouTube Bezug<br />

wird. Aber ich folge da keinem Masterplan.<br />

nimmt ... Oh, »Mustererkennung« war ein Pre-YouTube-<br />

Schreiben Sie noch Science-Fiction? Nach »Musterer- Roman. Das wurde mir vor wenigen Monaten klar, <strong>als</strong> ich<br />

kennung« hieß es allerorten, Sie hätten sich vom Genre feststellte, wie nah ich beim Schreiben an der Wirklich-<br />

abgewendet ... Den Leuten, die sagen, ich schreibe keine keit dran war, ohne etwas von YouTube geahnt zu haben.<br />

Science-Fiction mehr, geht es um eine Definition des Be- Die Story um die geheimnisvollen Clips könnte aber gar<br />

griffs. Ich war nie daran interessiert, das Genre in Grenzen nicht passieren in einer youtubed world, mit spezialisier-<br />

zu fassen oder mich bewusst darin zu bewegen. Ich war ten Websites, auf denen Nerds das Material austauschen.<br />

schon immer unentschieden, ob es eine Trennlinie zwi- Die Clips wären für alle zugänglich.<br />

schen Science-Fiction und dem Rest der Literatur gibt. Bewegen Sie sich viel im Internet? Lesen Sie zum Bei-<br />

Science-Fiction war die literarische Heimat, in der ich <strong>als</strong> spiel Blogs? Ich lese täglich Cory Doctorows »BoingBoing«<br />

Leser groß geworden bin. Dort habe ich zu lesen gelernt und ein politisches Blog namens »Talking Points Memo«.<br />

und <strong>als</strong> Kind wertvolle Erfahrungen gesammelt. Zu der Aber es erscheint mir schwieriger, eine neue URL zu entde-<br />

Zeit, <strong>als</strong> ich anfing, selbst Geschichten zu verfassen, war cken, <strong>als</strong> ein neues interessantes Print-Magazin ausfindig<br />

ich bereits so etwas wie ein Post-Genre-Wesen. An einem zu machen. Was mich am Netz mitunter so frustriert, ist,<br />

Tag konnte ich Ray Bradbury lesen, am nächsten James dass die Liste meiner Bookmarks mit der Zeit eher kürzer<br />

Joyce. Und mir schien das alles gleichermaßen spekulativ wird ... Möglicherweise bin ich einfach ein Gewohnheits-<br />

zu sein. Meine eigene Arbeit wurde für den Markt schnell tier. Und wenn ein brillanter Exzentriker etwas Spannen-<br />

<strong>als</strong> Science-Fiction kategorisiert. Okay. Mir ist aber wichdes macht, dann hält das im Regelfall nicht lange vor, z.<br />

tig, dass sich das, was ich mache, in der Zeit von »Neuro- B. die wunderbare politische Seite »The Poor Man Institumancer«<br />

bis »Mustererkennung« nicht sonderlich veränte«. Leider wird der Betreiber, ein Freak aus New England,<br />

dert hat. Klar haben einige Kritiker in den USA im Fall von immer inaktiver. Noch vor einem Jahr war es für mich das<br />

»Mustererkennung« das Modell einer innovativen Zukunft schlaueste und witzigste Projekt weit und breit.<br />

vermisst. Ich fand es allerdings eher zufriedenstellend, Auf Initiative von <strong>Intro</strong> war kürzlich der erwähnte SF-Au-<br />

dass sie diesbezüglich nicht ganz zufrieden waren ... tor Cory Doctorow in Köln. Er stellt seine Romane zum<br />

Die Hauptperson von »Mustererkennung«, Cayce Pol- freien <strong>Download</strong> zur Verfügung. Wie sieht Ihre Position<br />

lard, ist »Coolhunter«. Woher stammt diese Figur, die ei- bezüglich Copyrights aus? Ich habe noch in keiner Weise<br />

ne besondere Sensibilität für Werbelogos besitzt? Cayce eine Anti-Piraterie-Strategie verfolgt. Sicher ist es möglich,<br />

entwickelte sich aus einer bestimmten Erfahrung. Dam<strong>als</strong> alle meine Romane umsonst im Internet zu bekommen.<br />

reiste ich alle zwei Wochen von Vancouver nach London, Ich bin allerdings auch niem<strong>als</strong> in der Öffentlichkeit auf-<br />

verbrachte dort zwei bis vier Tage, um in Meetings ein Progetreten und habe gerufen: »Hier gibt es was umsonst!«<br />

jekt zu verfolgen. Zum ersten Mal in meinem Leben hatte So bleibt mein Verleger glücklich, und andererseits wird<br />

ich diese schnell wiederkehrenden Erfahrungen von Jet- niemand davon abgehalten, sich meine Bücher im Netz zu<br />

lag. Ich begann das Phänomen am eigenen Körper zu un- besorgen. Cory vertritt die Auffassung, Piraterie sei eine<br />

tersuchen. Eine sehr klinische Betrachtung. Ich bemerkte, Art Steuer auf den Ruhm. Wenn man dich nicht gut kennt,<br />

dass es hoch und runter ging. Mir fiel auf, wie die geballte dann wird sich auch keiner für die frei herunterzuladenden<br />

Medienladung in London mich fertig machte. Ich habe al- Werke interessieren. Es sieht auch einfach schlecht aus,<br />

so in mich hinein gehorcht, wie sich das auf mich und die wenn man vor Gericht zieht. Waren es nicht Metallica, die<br />

»verzögerte Ankunft der Seele« auswirkt [»Soul Delay«, so sich da so blamiert haben? Mehr Geld hat ihnen das wohl Metallica<br />

wird Jetlag in »Mustererkennung« umschrieben]. Cayces kaum eingebracht. Es hat sie bloß in aller Öffentlichkeit<br />

Branding-Allergie ergab sich halb aus diesen Eindrücken <strong>als</strong> jene Arschlöcher dastehen lassen, die sie vielleicht<br />

und halb aus dem Titel von Naomi Kleins »No Logo«. Das auch sind. In dem Fall haben sie nicht die goldene Regel<br />

habe ich zwar nicht gelesen, aber ich sah den Titel ganz beachtet, dass ein Arschloch mit aller Macht versuchen<br />

vorne auf den Stapeln in den Buchläden.<br />

In den 80ern entstand neben dem von Ihnen geprägten<br />

muss, nicht wie ein Arschloch auszusehen.<br />

SF-Sublabel »Cyberpunk« eine Art Bewegung um »American<br />

Psycho«-Autor Bret Easton Ellis, in der die Welt<br />

Das komplette Interview gibt es auf www.intro.de<br />

der Protagonisten in all ihrer Oberflächlichkeit ausge- William Gibson<br />

breitet wurde. Markennamen dienten zur Beschreibung Quellcode<br />

der Gegenwart. »Coolhunter« Cayce Pollard erscheint Klett-Cotta, 448 S., EUR 22,50<br />

Gingen in der Tat im Jahr 2000 gegen<br />

die Internet-Tauschbörse Napster vor.<br />

Unvergessen die Worte von Drummer Lars<br />

Ullrich: »Es kränkt uns zu wissen, dass<br />

unser Gut mehr wie eine Massenware und<br />

weniger <strong>als</strong> die Kunst, die es eigentlich<br />

ist, behandelt wird. Vom geschäftlichen<br />

Standpunkt aus ist es reine Piraterie,<br />

etwas zu nehmen, das einem nicht gehört.<br />

Der Austausch solcher Informationen,<br />

ob es Musik, Videos oder Fotos sind, ist<br />

nichts anderes <strong>als</strong> der Handel mit gestohlenen<br />

Waren.«

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