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Q&A: JOHN NIVEN<br />
In seinem Roman »Kill Your Friends« führt uns der<br />
schottische Autor John Niven – selbst ehemaliger<br />
A&R – zurück in die 90er. Eine Zeit, in der die Majors<br />
sagenhafte Gewinne machten und anscheinend zum<br />
Sammelbecken der abartigsten Gestalten wurden. <strong>Intro</strong><br />
berichtete. Im Mai kommt der Mann samt seinem<br />
monströsen Helden Steven Stelfox auf Lesereise nach<br />
D-Land. Martin Riemann wollte vorher noch mal genau<br />
wissen, was an Nivens Roman der Wirklichkeit im Musikbusiness<br />
entspricht.<br />
Haben Sie jemanden wie Steven Stelfox persönlich<br />
erlebt? Ich habe einige Leute getroffen, die Stelfox<br />
stark ähnelten. Er ist eine Mischung aus den zwei oder<br />
drei schlimmsten darunter.<br />
Stelfox ist ein Monster, doch oft genug sind seine<br />
hasserfüllten Reden sehr witzig, und ich habe<br />
mich oft genug dabei ertappt, ihm innerlich beizupflichten.<br />
So abscheulich Stelfox auch sein mag,<br />
viele der Menschen, die ihn umgeben, sind sogar noch<br />
schlimmer <strong>als</strong> er. Es wird dem Leser manchmal unangenehm<br />
sein, wenn er merkt, dass er mit Stelfox’ Ansichten<br />
übereinstimmt.<br />
Ich nehme an, Ihre Beschreibungen von Drogenmissbrauch<br />
und den damit verbundenen Ausschweifungen<br />
sind nicht mal übertrieben. Nein. Als ich mit<br />
dem Buch fertig war, schickte ich es einem ehemaligen<br />
Kollegen. Er meinte: »Lustigerweise werden die Leser<br />
denken, dass du maßlos übertreibst ...«<br />
Aber warum ist in Ihrem Buch Stelfox’ Besessenheit<br />
von Pornografie und Prostitution so überpräsent?<br />
Überall, wo man vom Ruhm geblendete junge Menschen,<br />
machthungrige Alphamännchen und viel Kokain<br />
findet, entsteht ein verstärktes Interesse an<br />
sexuellen Extremen. Das trifft auf Hollywood zu –<br />
und auch auf die Musikindustrie.<br />
»Kill Your Friends« spielt Mitte der 90er, <strong>als</strong> es den<br />
Majors noch sehr gut ging. In Ihrer Darstellung hat<br />
die Branche wirtschaftlichen Selbstmord betrieben.<br />
Ich denke, die Musikindustrie war ohnehin dem<br />
Untergang geweiht, weil sie sich einer sehr langen<br />
Periode künstlich herbeigeführter Inflation<br />
erfreuen durfte. Mitte der 90er<br />
kostete eine CD in England rund 15<br />
Pfund. Das kommt, wenn man die<br />
Teuerungsrate betrachtet, heute<br />
einem Wert von 30 Pfund<br />
gleich! Die Profitspanne würde<br />
einen Sweatshop-Besitzer<br />
beschämen.<br />
Die großen Plattenfirmen<br />
unterstreichen ihre Bedeutung<br />
oft in dem Sinne, dass<br />
ohne ihr Kapital keine Talente<br />
mehr gefördert werden<br />
könnten. Nun, Labels<br />
pumpen viel Geld in viele<br />
Acts in der Hoffnung, dass<br />
einer funktioniert. Das liegt<br />
in der Natur der Sache. Historisch<br />
gesehen besaßen<br />
die Plattenfirmen den<br />
Schlüssel zum Königreich, weil Studios teuer sind und<br />
jemand die Rechnung bezahlen muss. Heute kann man<br />
großartige Platten mit dem Laptop produzieren. Konsequenterweise<br />
verlieren die Labels an Macht.<br />
Stelfox rät denjenigen, die eine Karriere <strong>als</strong> Musiker<br />
anstreben, sich gefälligst einen richtigen Job zu suchen.<br />
Wie sieht Ihr persönlicher Rat aus? Lustigerweise<br />
habe ich genau diese Passage kürzlich bei einer Lesung<br />
vorgetragen. Ich schaute ins Publikum und entdeckte<br />
viele junge Leute, die zweifellos angehende Musiker<br />
sind. Einige von ihnen kamen nachher zu mir. Sie<br />
waren begeistert, aber ich konnte sehen, dass ich ihren<br />
Enthusiasmus deutlich gedämpft hatte. Richtig so!<br />
Ich denke, wenn man etwas aus den richtigen Gründen<br />
schaffen möchte – egal, ob mit Musik, Film oder Literatur<br />
–, dann erreicht man allen Widrigkeiten zum Trotz<br />
auch etwas Besonderes.<br />
Sie waren selbst ein erfolgreicher A&R. Welche Qualitäten<br />
besaßen Sie, die Stelfox nicht hat? So erfolgreich<br />
war ich gar nicht. Ich habe Coldplay abgelehnt!<br />
Ich war ein bisschen ... menschlicher <strong>als</strong> Stelfox. Ein<br />
bisschen.<br />
»Kill Your Friends« ist bei Heyne erschienen.<br />
<strong>Intro</strong> Intim Lesung mit John Niven und Bernd<br />
Begemann (liest den deutschen Text): 06.05. Berlin,<br />
Roter Salon 07.05. München, Substanz 08.05. Köln,<br />
Museum Ludwig