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096 Probefahrt<br />
≥ lied« eben: »Wenn alles schön ist und<br />
wenn alles stimmt / Braucht es einen, der<br />
ein Scheißlied singt«, oder auch: »Meine<br />
ganze Verwandtschaft hat der Löwe aufgefressen<br />
/ Jetzt sitz ich am Feuer und<br />
ess einen Bär.« In denen endlich auch<br />
mal wieder kompetent die kleinen Dinge<br />
des Lebens beobachtet und nacherzählt<br />
werden: »Sitz, Mona, sitz, der Hund sitzt<br />
wie der Blitz / Der Rollladen hält an und<br />
die Frau stellt dann den Fitnessteller hin<br />
/ Leise kommt Musik und sie spielen unser<br />
Lied / Auf dem Zeltplatz, endlich Ruhe<br />
auf dem Zeltplatz.« All diese wundersamschlau-schwachsinnigen<br />
Worte stammen<br />
vom neuen Album des Aeronauten-Sängers<br />
Olifr M. Guz, der bei selbigen mal ‘ne<br />
Pause einlegt. Und hier auf vielfachen<br />
Wunsch noch ein paar Worte über die Musik<br />
zum Text: klare Songstrukturen ohne<br />
viel Schnickschnack, beschwingt-punky<br />
Liedermacher-Flair, sexy-verrauchte<br />
Stimme mit leichtem Anflug von Udo Lindenberg,<br />
nur besser natürlich.<br />
Senta Best<br />
The Hellacopters<br />
Head Off<br />
Wild Kingdom / Rough Trade<br />
Seit die Hellacopters Ende<br />
letzten Jahres bekannt gaben,<br />
sich im Jahre 2008 aufzulösen,<br />
bin ich ziemlich zerrissen.<br />
Die Formation um Nicke Anderson<br />
wuchs mir durch ihr zeitloses musikalisches<br />
Schaffen über das letzte Jahrzehnt<br />
sehr ans Herz und war steter musikalischer<br />
Begleiter in allen Lebenslagen.<br />
Beim Hören ihres neuesten und letzten<br />
Albums befinde ich mich so nun zwischen<br />
Lachen und Weinen. Das Lachen steht für<br />
ein aberm<strong>als</strong> grandios kurzweiliges musikalisches<br />
Werk. Das Weinen ganz klar<br />
für die Tatsache, hier das finale Album einer<br />
großartigen Band in Händen zu halten.<br />
Nun, man soll ja bekanntlich aufhören,<br />
wenn es am schönsten ist. Trotzdem,<br />
nach meinem Dafürhalten könnten Nicke<br />
& Co. bis an Ende aller Tage weitermachen.<br />
Wenn man jedenfalls Stücke wie<br />
»Midnight Angel«, »In The Sign Of The<br />
Octopus« oder »Darling Darling« hört,<br />
besteht absolut kein Anlass, ans Aufhören<br />
zu denken! Sei’s drum, ich werde euch<br />
vermissen, macht’s gut, Jungs!<br />
Christian Schlage<br />
Bernadette La Hengst<br />
Machinette<br />
Trikont / Indigo<br />
Bernadette La Hengsts Relevanz<br />
im System der deutschsprachigenIndependentmusik<br />
mit Soul, Kopf und Meinung<br />
ist bekannt, trotzdem darf sich in<br />
keiner Rezension verkniffen werden, ihre<br />
Eckpfeiler immer und immer zu wiederholen:<br />
Fast Weltweit, Hamburger Schule,<br />
Huah!, Die Braut Haut Ins Auge, Lady-<br />
Ja König Ja<br />
SPUR GRÖSSENWAHN<br />
Auf »Die Seilschaft der Verfl ixten« geben sich Ebba Durstewitz und Jakobus Siebels<br />
wilden Text-Assoziationen hin. Selten wurde in deutscher Sprache so eigenwillig<br />
getextet. Doch die losen Gedankenketten passen hervorragend zur Musik.<br />
U nd<br />
die ist ziemlich geschmeidig geworden.<br />
Streicher, gedämpfte Bläser, eine schöne<br />
Portion sophisticated Pop, zu dem sich<br />
auch Ebbas ebenso geschmeidige Stimme<br />
bestens einfügt, die mal an Electrelane (»Du giltst an allen<br />
Orten«) und mal an Nico (»Ach, Golgatha!«) erinnert – was<br />
wiederum Parallelen zu Michaela Melián und F.S.K. aufweist.<br />
Aber all das ist Namedropping, welches nicht wirklich<br />
weiterhilft. Viel interessanter ist die Tatsache, dass Ja<br />
König Ja mit Sprache auf eine Weise spielen, bei der nicht<br />
ganz klar ist, ob es sich dabei um reine Lautmalerei handelt,<br />
die jeglichen Sinn verweigert, oder ob hier tiefere Bedeutungsebenen<br />
schlummern. »Nicht zu scheitern ist für<br />
Götter, und Heroismus bin ich leid«, heißt es im Titelstück.<br />
»Grenzen wirst du hier nicht finden, auf keinem Weg, den<br />
du durchsuchst, ein großer Sturm ist durchgebrochen, das<br />
ist die Stimme des Begehrens (...) wir werden nie vernichtet,<br />
nie zerstört.« Irgendetwas verstanden? Ja König Ja erklären:<br />
»Die Texte schwanken zwischen freier Assoziation<br />
und der bewussten Verwurstelung und Weiterspinnerei von<br />
Gedanken, zu denen nicht selten das eine oder andere literarische<br />
Werk den Anstoß gegeben hat.« Wobei »literarisch«<br />
nicht unbedingt Kafka, Thomas Bernhard oder Robert<br />
Musil bedeuten muss. Jakobus hat sich auch schon<br />
von Rudolf Sacks »Biss auf Biss« inspirieren lassen, einer<br />
Anleitung für Angler.<br />
fest undundund. Die beeindruckende Bilanz<br />
von 20 Jahren Leben im Biz, immer<br />
im besten Augenblick am richtigen Ort<br />
und nie nur dabei. Nun zeigt La Hengst<br />
mit dem dritten Soloalbum »Machinette«<br />
auch noch eine Beherrschung der Produktionsmittel,<br />
welche die Platte fast<br />
überquellen lassen von Beatgeklacker,<br />
Twang-Gitarre, Bläsersätzen (natürlich<br />
von den Aeronauten-Boys) und einem<br />
entzückenden Seniorenchor. Die Musik<br />
ist weniger elektronisch angelegt <strong>als</strong> die<br />
der Vorgängeralben, und Bernadettes<br />
scharf phrasierte, unprätentiöse Stimme<br />
schmeichelt sich noch durch jedes<br />
leicht wirre Arrangement. Durch die daraus<br />
resultierende gute Textverständlichkeit<br />
stößt man leider schnell auf eine Po-<br />
diumsdiskussionssprache, die mit ihrem<br />
Reden vom »prekarisierten, paneuropäischen<br />
Paradies«, von »dem Risiko des<br />
Privilegierten«, der »Entschleunigungs-<br />
Vibration« und vom Emissionshandel korrumpierten<br />
Wellensittichen etwas überengagiert<br />
rüberkommt. »Wehr dich gegen<br />
den Staat« wäre zumindest mir <strong>als</strong> ideologische<br />
Marschrichtung genug gewesen.<br />
Benjamin Walter<br />
Ja, Panik<br />
The Taste And The Money<br />
Schoenwetter / Hoanzl / Broken Silence<br />
Im Informationsvideo auf ihrer<br />
Homepage und im Bandmanifest<br />
in sechs Punkten<br />
redet die Gruppe Panik aus<br />
»Stimme des Begehrens« wiederum klingt nach Foucault,<br />
nach acht halbverdauten Semestern Poststrukturalismus<br />
und Gender Studies. Oder ist das jetzt auch schon<br />
wieder zu viel Interpretation? »Der Text von ›Jedes Wort‹<br />
von der letzten Platte«, erklärt Ebba, »verdankt sich zu<br />
einem großen Teil Foucaults ›Ordnung des Diskurses‹.«<br />
Also doch! »Einem angenehm quatschigen Text mit dieser<br />
leichten Spur Größenwahn, wie wir es gerne haben. ›Die<br />
Stimme des Begehrens‹ (die in unserem Stück ja auch die<br />
Stimme des Aufbegehrens ist) war bei der Entstehung nicht<br />
<strong>als</strong> bewusste Anspielung intendiert. Daran sieht man aber<br />
auch, wie es funktioniert. Wir haben <strong>als</strong>o selbst – wenn man<br />
so will – die Anspielung auf Foucault nicht verstanden. Also<br />
ja: Wir sind uns sicher, dass die Texte auf mehreren Ebenen<br />
funktionieren, weil sie größtenteils sehr offen gehalten<br />
sind. Ein befreundeter Journalist sagte unlängst: ›Keine<br />
Ahnung, was ihr da singt, aber ich find’s spitze.‹ Mit so<br />
einer Reaktion können wir mehr <strong>als</strong> gut leben.«<br />
Ohne Romantik, Pathos oder Sentimentalität haben Ja<br />
König Ja eine Sprache gefunden, die klingt, <strong>als</strong> würde das<br />
Unterbewusste permanent außer Kontrolle geraten brabbeln.<br />
Das ist mutig und weit von aller Statement- und Befindlichkeits-Lyrik<br />
entfernt.<br />
Martin Büsser<br />
Ja König Ja »Die Seilschaft der Verflixten« (Buback / Indigo)<br />
Wien einen so hinreißenden Blödsinn<br />
in fein gewählter Sprache zusammen,<br />
dass man danach gar nicht mehr weiß,<br />
was man glauben soll. Ist das schon<br />
»Schmäh« oder doch die selbstironische<br />
Verortung des eigenen Bandkollektivs?<br />
Ambivalenz ohne Ende. Das ist der<br />
Nullpunkt, hier können wir ansetzen. Die<br />
Musik des zweiten Albums von Ja, Panik<br />
ist <strong>als</strong> Post-Punk nur sehr unzureichend<br />
klassifiziert und schraubt sich aus dem<br />
Korsett der klassischen Bandbesetzung<br />
(plus Piano) hoch zu irrwitzigen Refrains,<br />
mal wüst gebrüllt, mal mit hymnischen<br />
Chören. So klingt wirklich keiner von der<br />
Konkurrenz, wahrscheinlich aus Feigheit.<br />
Aber die Platte soll auch sprechen, und<br />
was sie erzählt, kommt einem doch ≥