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Regel ebenfalls nicht stimmt), erzählt »GTA« immer und<br />
vor allem: eine Geschichte. Und die nicht mal schlecht. Ihre<br />
Handlung und Dialoge liefern Argumente, zeigen Zerrissenheit,<br />
Zweifel, Moral und Unmoral, benennen Schuld<br />
und Unschuld der Hauptfigur, die immer aus einem fest zementierten<br />
Underdog-Status heraus kämpfen muss.<br />
Auch Niko Bellic hat in »GTA IV« allen Grund, böse zu<br />
gucken: Sein Cousin Roman lockte ihn unter f<strong>als</strong>chen Versprechungen<br />
von Osteuropa nach Broker in Liberty City<br />
– der Kopie von Brooklyn. Statt seiner kriminellen Vergangenheit<br />
endlich den Rücken kehren zu können, wie<br />
er vorhatte, muss er nun <strong>als</strong> illegaler Einwanderer und<br />
somit Rechteloser um sein Überleben in einem kriminellen,<br />
hochkapitalistischen Umfeld kämpfen. Dabei rutscht<br />
er immer weiter ab auf die schiefe Bahn. Wollte man das<br />
Grundgerüst der Story mit der eines Spielfilms vergleichen<br />
– und nichts anderes gebührt »GTA IV« –, so wirkt<br />
Bellic eher wie der von Michael Caine gespielte Racheengel<br />
im Drama »Get Carter« <strong>als</strong> einer der sedierten Auftragsmörder<br />
in der Schenkelklopfer-Killer-Revue »Pulp<br />
Fiction«. Aber Bellics Alltag besteht aus viel, viel mehr<br />
<strong>als</strong> dem Töten. Neben Taxifahren und anderen Gelegenheitsjobs<br />
baut er sich peu à peu ein Sozi<strong>als</strong>ystem auf,<br />
das ausgereifter und weniger statisch wirkt <strong>als</strong> noch im<br />
Vorgänger »GTA: San Andreas«. Bellic kann mit seinen<br />
Freunden jederzeit Billard oder Dart spielen oder trinken<br />
gehen. Sie rufen ihn dazu entweder auf seinem Handy<br />
(neu!) an, oder er macht auf diesem Weg initiativ Treffen<br />
aus. Belohnt wird gute Kontaktpflege durch Gefallen,<br />
die ihm seine Freunde dann erweisen. Dass auch Bellic,<br />
wie zuvor CJ in »San Andreas«, bald eine Freundin haben<br />
wird, ist logisch.<br />
New York, New York<br />
Aber auch Niko Bellic wäre trotz Realismus- und Rollenspiel-Anleihen<br />
ohne seine Hood nur ein digitaler Wurm. Der<br />
erwähnte Stadtteil Broker <strong>sowie</strong> Dukes (Queens), Bohan<br />
(Bronx), Algonquin (Manhattan) und Alderney (Teile New<br />
Jerseys), in denen ein Tag mit 48 Echtzeit-Minuten mittlerweile<br />
doppelt so lange dauert wie in San Andreas, sind<br />
die wahren Stars bei »GTA IV«: Wunderschön und detailverliebt<br />
zeigen sich die Gebäude, Plätze und Menschen<br />
New Yorks im Frühherbst: Achtlose Passanten lassen morgens<br />
Kaffeebecher fallen, Lampions hängen über der Straße,<br />
vom Flughafen Francis International Airport (der mit<br />
dem herrlichen Slogan »We’re so fly« wirbt) steigen im fernen<br />
Dunst über der Stadt Maschinen auf. Der Sprung auf<br />
die Next-Gen-Konsolen ist trotz kleinerer Grafikprobleme<br />
mehr <strong>als</strong> gelungen. Nur schwer nachvollziehbar, dass<br />
sich nach der Veröffentlichung des ersten einminütigen<br />
Spieltrailers 2007 ein Sprecher des New Yorker Bürgermeisters<br />
Michael Bloomberg in einer panisch verfassten<br />
Erklärung öffentlich vom Spiel distanzierte und die Entscheidung,<br />
New York <strong>als</strong> Vorlage zu nehmen, schwer bedauerte.<br />
Denn das Game ist in gleichem Maße Werbung<br />
für New York, wie es die Stadt in seiner eigenen Realität<br />
überkriminalisiert.<br />
Und New York ist groß. »GTA«, das einst durch das Einführen<br />
des non-linearen Gameplays die Erzähltechnik in<br />
Videospielen revolutionierte, erlaubt auch jetzt wieder,<br />
dass der Spieler selbst entscheidet: Will ich Missionspunkte<br />
auf der Karte ansteuern, um die Handlung voranzutreiben?<br />
Oder Nebenmissionen nachgehen? Oder einfach das<br />
Autoradio anschalten und durch die Stadt cruisen? Jeder<br />
spielt so sein eigenes Spiel mit individuellem Spielrhythmus<br />
und Tempo. Außer, er stürzt sich auf die größte Innovation<br />
des neuen Teils: den Multiplayer-Modus (mehr<br />
dazu in der kommenden Ausgabe).<br />
In einem sind sich Spieler und Kritiker einig. Zumindest<br />
solche, die nicht nur auf die Bekanntgabe vergleichsweise<br />
langweiliger technischer Innovationen wie der verbesserten<br />
Zielautomatik, des neuen Fahndungssystems und Details<br />
wie der von Rockstars »Tischtennis« bereits bekannten<br />
RAGE-Engine warteten: Auch »GTA IV« steckt wieder<br />
voller wunderbar subversiver Elemente, die die kapitalistische<br />
Markenwelt und das politische System der USA<br />
aufs Korn nehmen. Anders formuliert: »Grand Theft Auto«<br />
ist wie die Band, die es viel zu selten gibt. Die Band,<br />
die monatelang zu begeistern weiß. Die stilistisch so innovativ<br />
ist, dass sie über Jahre hinaus Dutzende schlechter<br />
und guter Klone erzeugt. Die so umstritten ist, dass man<br />
stolz ist, Fan zu sein. Die Band, die so gute Geschichten zu<br />
erzählen vermag und unter der Oberfläche so witzig und<br />
politisch ist, dass es alle blicken, die ein bisschen um die<br />
Ecke denken können. Nur nicht Jack Thompson.<br />
Wir verlosen 3 »GTA IV«-Pakete, bestehend aus je einem<br />
Baseball-Cap, einem T-Shirt und einem Kapuzenpulli. Mail<br />
an verlosung@intro.de, Betreff »Pisswasser«.<br />
GTA IV<br />
Rockstar Games / Take 2<br />
PS3, Xbox 360<br />
Radio<br />
Spiele 081<br />
Sonnenuntergang mit der Statue Of Happiness im Hintergrund<br />
Bis Heftschluss war die genaue Trackliste<br />
von »GTA IV« noch unter Verschluss.<br />
Bekannt war aber schon länger, dass es<br />
im Spiel diesmal 18 Radiosender geben<br />
soll, die Niko auch zu Fuß über sein<br />
Handy empfangen kann. Darunter auch<br />
osteuropäische Musik- und reine Wort-<br />
Sender. Als erwiesen gilt, dass es sich bei<br />
Karl, dem Moderator des Senders K 109,<br />
um Karl Lagerfeld handelt. Verwunderlich<br />
wäre das nicht. In der Vergangenheit<br />
liehen der Spielserie unter anderem<br />
Lee Majors, Burt Reynolds und Dennis<br />
Hopper ihre Stimme. Größter gefundener<br />
Haken am gesamten Spiel bisher: Die bei<br />
der PC-Version von »GTA: San Andreas«<br />
eingeführte Möglichkeit, per MP3 einen<br />
eigenen Sender zu bestücken, fehlt in<br />
»GTA IV«. Sehr, sehr schade.<br />
Saufen in »GTA IV«<br />
Die Präsentation bei Rockstar beinhaltete<br />
eine Mission, in der Niko Bellic mit einem<br />
Freund mittags trinken geht. Als sie aus<br />
der Kneipe kommen, ist Niko kaum zu<br />
steuern, knallt gegen sein eigenes Auto<br />
und lallt. Der Spieler hat die Wahl: Entweder<br />
er nimmt ein Taxi, oder er fährt mit<br />
dem eigenen Wagen heim. Wir nahmen natürlich<br />
den eigenen Wagen. Die Simulation<br />
vom betrunkenen Autofahren inklusive<br />
Unschärfenverlagerung und verzögerter<br />
Reaktion war nicht weniger <strong>als</strong> das<br />
Überzeugendste, was es in Videospielen<br />
und Spielfilmen jem<strong>als</strong> zu dem Thema zu<br />
sehen gab. Prominentestes Bier in »GTA<br />
IV« ist übrigens »Pisswasser«, ein »poorly<br />
brewed German import beer«. Es wird<br />
überall in Liberty City beworben.