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gemeint. Der Satz bringt nur die unüberbrückbaren<br />
Widerstände auf den Punkt,<br />
wenn es darum geht, <strong>als</strong> weißer Europäer<br />
die afroamerikanische Situation zu verstehen,<br />
das Ausmaß der Unterdrückung<br />
zu begreifen, alle Implikationen wirklich<br />
zu durchdringen. Das ist nämlich: unmöglich.<br />
Die Blaktroniks allerdings, ein Projekt<br />
aus verschiedenen Künstlern aus<br />
verschiedenen Orten, sind letztlich auch<br />
auf ihrem fünften Album um Verständigung<br />
bemüht. So weit es eben geht. Mittels<br />
Soul im emphatischsten, umfassendsten<br />
Sinne. Sie verschmelzen Deep<br />
House, D’n’B-Einflüsse, Avant-HipHop zu<br />
– Soul. Nein, das ist kein Entertainment.<br />
Den Stimmen, den Rappern, den Sängern<br />
liegt eine ernsthafte Autorität zugrunde,<br />
die z. B. einen Guru von Gang Starr auch<br />
zu mehr <strong>als</strong> nur einem MC macht. Dass<br />
die Stimme des Blues-Sängers, der der<br />
Hälfte der Tracks eine ungewöhnliche<br />
Würde und Verletzlichkeit verleiht, dem<br />
Vater des Gründungsmitglieds Edd Dee<br />
Pee gehört, macht nur Sinn. Die Stimmen<br />
stellen eine Verbindung zwischen der Vergangenheit,<br />
dem ewigen Leiden, der Düsternis<br />
und dem Heute her. Schallwellen<br />
<strong>als</strong> soulful Geschichtsstunde.<br />
Heiko Behr<br />
Bodi Bill<br />
Next Time<br />
Sinnbus / Al!ve / VÖ 16.05.<br />
Bodi Bill gehören zu den<br />
Guten. Weiß man spätestens<br />
seit ihrem Debütalbum<br />
mit dem bekenntnisreichen<br />
Titel »No More Wars«, das 2007<br />
aus einer scheinbar besseren Welt an<br />
den heimischen Strand gespült wurde.<br />
Auf »Next Time« entfalten sie erneut<br />
ihre wundersame Hybridmischung aus<br />
Geräuschen, Samples, klassischer Instrumentierung<br />
und liebevollem Programming.<br />
Die Übergänge zwischen den<br />
beiden Alben sind fließend, die Platte<br />
wirkt wie ein legitimer Ableger von »No<br />
More Wars«. Wie zuvor finden sich <strong>als</strong>o<br />
harte Kontraste: Nüchternheit und synthetischer<br />
Clubsound (»Small Sorrows«,<br />
»Great Songs«) versus zarte Melodien in<br />
aufrichtiger Verzweiflung (»Henry«). Am<br />
besten sind Bodi Bill aber da, wo sie es<br />
schaffen, Klavier und Electronica mühelos<br />
und unaufgeregt zu kreuzen, wo der<br />
Laptop <strong>als</strong> gleichwertiges Instrument<br />
zwischen den Streichern gespielt wird.<br />
Dann ergibt sich gespenstische Schönheit<br />
wie in »Tip Toe«, die an Goldfrapp zu<br />
»Felt Mountain«-Zeiten erinnert. »Depart«<br />
überrascht schließlich mit einem<br />
weiblichen Gesangspart in R’n’B-Tradition.<br />
Langeweile ist anders, aber was ist<br />
das eigentlich, das hier entsteht? Poesie?<br />
Zumindest schon mal vortrefflicher<br />
Pop; immer eindringlich, immer verbindlich<br />
und mit Hingabe. Ob man sich durch<br />
das enorme Maß an Sendungsbewusst-<br />
sein am Ende erdrückt fühlt, soll jeder<br />
selbst entscheiden: Da ist die Rede von<br />
Verantwortung und Notwendigkeiten und<br />
dem Versuch, die Welt zu retten. Ich halte<br />
mich lieber an textlich amüsante Kapriolen<br />
wie »You don’t like Sonic Youth, so fuck<br />
off« vom Vorgängeralbum. Die finden sich<br />
auf »Next Time« leider nicht; so was ist<br />
aber auch schwer zu übertreffen.<br />
Tina Mamczur<br />
Camille<br />
Music Hole<br />
Virgin / Emi<br />
Wer im französischen Musikgeschehen<br />
nicht so drin<br />
ist (das dürften bei diesem<br />
quasi Parallelmarkt wohl<br />
die meisten sein), dem ist Camille Dalmais<br />
vielleicht trotzdem vom Cover-Projekt<br />
Nouvelle Vague bekannt, wo sie unter<br />
anderem den Interpretationen von »Too<br />
Drunk To Fuck« und »Making Plans For<br />
Nigel« ihre Stimme lieh. Nebenbei hat<br />
sie mit ihren ersten beiden Platten zwischen<br />
a cappella und Chanson in Frankreich<br />
einige Lorbeeren geholt und will<br />
nun auch im anglophilen Ausland mit<br />
einem, tja, englischsprachigen Album<br />
Entzückung abräumen. Wobei die Sprache<br />
eher eine untergeordnete Rolle spielt,<br />
denn wie gesagt: Madame Dalmais macht<br />
(bis auf einige kleine Klavierbegleitungen<br />
und dezente Field-Recordings) alles mit<br />
den Stimmbändern. Grunzend, trällernd,<br />
kieksend, hauchend, schnalzend, scattend<br />
und seufzend schichtet sie Vocal-<br />
Spur über Vocal-Spur, bis die Songs komplett<br />
sind, die in etwa so exzentrisch in<br />
den E-Musik-Bereich rüberhängen wie<br />
Tori Amos und Björk. Dort findet man<br />
so was aufgrund der zur Schau gestellten<br />
technischen Versiertheit und der –<br />
mon dieu! – kessen Art natürlich überaus<br />
herzallerliebst. Aber da ist mehr: ein<br />
sehr sympathischer Humor und deutliche<br />
Versuche, auch dem aufgeschlossenen<br />
Pop-Publikum zu gefallen. Dies wird darüber<br />
hinaus mit einigen tatsächlich guten<br />
Songs im klassischen Sinne belohnt.<br />
Zudem werden aus einem riesigen Klangkosmos<br />
heraus tolle Geräusche und witzige<br />
Wortverdrehungen zutage gefördert.<br />
Auf »Cats And Dogs« wird zum Beispiel<br />
schön geknurrt und miaut, und in »Money<br />
Note« entsteht aus dem endlos wiederholten<br />
»ritch bitch« plötzlich eine Hihat.<br />
Das macht auch ohne Theater-Abo<br />
und Stola großen Spaß.<br />
Klaas Tigchelaar<br />
Isobel Campbell<br />
& Mark Lanegan<br />
Sunday At Devil Dirt<br />
Coop / Universal<br />
Die Lanegan-Festspiele gehen<br />
diesen Monat im <strong>Intro</strong><br />
weiter. Denn kurz nach der<br />
dessen Heldenvereinigung<br />
mit Greg Dulli <strong>als</strong> Gutter Twins steht die<br />
nächste Kollaboration auf dem Releaseplan,<br />
dieses Mal das zweite Album zusammen<br />
mit der alten Belle&Sebastian-<br />
Chanteuse Isobel Campbell. Während die<br />
Gutter Twins in den Relationen Lanegans<br />
ein arbeitsaufwendiges und nervenaufreibendes<br />
Mammutwerk gewesen sein<br />
dürften, hat er es sich für »Sunday At<br />
...« leichter gemacht und mal wieder einfach<br />
nur gesungen. Das kann er ja auch<br />
besonders gut, das wissen mittlerweile<br />
sogar die tumbsten QOTSA-Hooligans.<br />
Ein bisschen wirkt das zweite gemeinsame<br />
Werk von Campbell und Lanegan<br />
so, <strong>als</strong> ob sie den Rick Rubin für ihren<br />
Johnny Cash geben wollte, <strong>als</strong> ob sie dafür<br />
sorgen will, dass seine nach wie vor<br />
beeindruckende Reibeisenstimme auch<br />
in ausreichendem Maße für die Nachwelt<br />
dokumentiert wird. Die ausnahmslos von<br />
Campbell geschriebenen Songs sind zumeist<br />
karg instrumentiert und oft klassisch<br />
arrangiert, abgesehen von ein paar<br />
Soundeskapaden der bekannt extrovertierten<br />
Künstlerpersönlichkeit Campbell<br />
ist fast alles der hier vergleichsweise facettenreichen<br />
Stimme Lanegans untergeordnet.<br />
Die zeitliche Nähe zum Gutter-Twins-<br />
Release wirkt sich für »Sunday At ...« etwas<br />
nachteilig aus, denn neben dem beeindruckenden<br />
Rock-Opus kommt die<br />
vergleichsweise brave Folkplatte nicht<br />
richtig zur Geltung. Ein besonderer Grund<br />
für eine künstlerische Zusammenarbeit<br />
der beiden SängerInnen erschließt sich<br />
zudem auch nicht, einen expliziten Mehrwert<br />
erreichen die Duette der beiden jedenfalls<br />
nicht. Bleibt das Cash-Motiv. Und<br />
das ist ja durchaus ehrenwert.<br />
Ich war erstaunt darüber, dass ihr noch<br />
mal ein Album zusammen gemacht<br />
habt. Die Organisation muss ziemlich<br />
aufwendig gewesen sein. Wann habt<br />
ihr euch entschieden, wieder zusammen<br />
zu arbeiten?<br />
Isobel Campbell: Das kann ich verstehen.<br />
Ich wundere mich auch immer wieder,<br />
das noch mal auf mich genommen zu<br />
haben. Aufgrund von Marks Problemen<br />
hatten wir keine Gelegenheit, zusammen<br />
Shows zur ersten Platte zu spielen.<br />
Sie kam im Januar 2006 heraus, und<br />
erst ein Jahr später traten wir das erste<br />
Mal gemeinsam auf. Diese Shows liefen<br />
so gut, dass eine weitere Zusammenarbeit<br />
logisch schien. Sie waren so großartig,<br />
dass das völlig folgerichtig war.<br />
Wie lief die Produktion denn ab? Ich habe<br />
im Februar 2007 angefangen, die Songs<br />
zu schreiben und zu arrangieren. Dann<br />
kam Mark für neun Tage nach Glasgow,<br />
um die Songs einzusingen. Danach bin ich<br />
in die USA gereist, um die Platte fertigzustellen.<br />
Dort habe ich Mark aber nicht<br />
mehr getroffen.<br />
Wie entscheidest du, welche deiner<br />
Songs für deine Soloplatten sind, wel-<br />
Probefahrt 093<br />
che für eine Platte mit Lanegan oder<br />
für etwas ganz anderes? Die Songs sagen<br />
mir, wofür sie bestimmt sind. Sie machen<br />
mir deutlich, welcher Rahmen für sie<br />
der beste ist.<br />
Christian Steinbrink<br />
Destroyer<br />
Trouble In Dreams<br />
Rough Trade<br />
Dan Bejar a.k.a. Destroyer ist<br />
nicht nur ein anregend verwirrender<br />
Charakter, er hat<br />
in seiner beachtlichen und<br />
in letzter Konsequenz nicht wirklich erforschten<br />
Diskografie auch schon einige<br />
visionäre Irrwege genommen und ist<br />
nicht erst jetzt, mit seinem aktuellen Album<br />
»Trouble In Dreams«, bei mit multiplen<br />
Reizen und einigen Deutungsebenen<br />
ausgestatteten, entrückten Breitwandpop<br />
zwischengelandet. Die Zeiten<br />
minimalistischer Klangforschung hat Bejar<br />
hinter sich gelassen, die seit dem Albumvorgänger<br />
»Destroyer’s Rubies« aufgemachte<br />
Zielvorgabe ist irgendwie US-<br />
Indie, aber nicht nur, denn auch eine expressionistische,<br />
reizvoll bis zum Overkill<br />
wirkende Ansprache. Das Album ist<br />
durchgehend großartig, fordert vom Hörer<br />
alles. Musikalisch rekurriert Bejar auf<br />
bedeutungsschwangere Stimmungen von<br />
Bowie bis hin zu den Flaming Lips, textlich<br />
sind die von ihm aufgemachten Bilder<br />
surreal, breit und undurchsichtig<br />
fabelhaft, immer auch humorig, nicht<br />
aber ironisch. Die Deutungshoheit über<br />
dieses Werk, Platte wie gesamt, wird zumindest<br />
zeitgenössisch niemand erlangen.<br />
Und das hält den unvergleichlichen<br />
Reiz dieser Musik am Leben. Fragt in 20<br />
Jahren noch mal die dann klügsten Popkritiker,<br />
sie werden Destroyer verehren<br />
und mit Sicherheit auch eine dann sehr<br />
schlüssige Bandgeschichte in mehreren<br />
Akten zu erzählen haben. Aber hier und<br />
heute? »You always had a problem flowing<br />
down rivers.«<br />
Christian Steinbrink<br />
dEUS<br />
Vantage Point<br />
V2 / Universal<br />
Tom Barman wirkt wie ein<br />
Maniker. Man könnte an ihm<br />
ganz wunderbar und exemplarisch<br />
die alte Rechnung<br />
von Genie und Wahnsinn aufmachen.<br />
Was die Musik angeht, war ich immer<br />
froh, wenn er sich und seine stark fluktuierende<br />
Band im Griff hatte, wenn er ein<br />
Gleichgewicht herstellen konnte: Ich persönlich<br />
mag »The Ideal Crash« in der Breite<br />
lieber <strong>als</strong> »In A Bar Under The Sea«. Und<br />
ich mag »Vantage Point«, sehr sogar. Barman,<br />
mittlerweile 35 Jahre alt, hat in seiner<br />
Heimatstadt Antwerpen zusammen<br />
mit Freunden ein Studio gleichen Namens<br />
gebaut. Ein Refugium, ein Tummel- ≥