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Protokoll Parteitag Bonn Verantwortung - SPD

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standen zwei atomar gerüstete Weltmächte einander gegenüber, die<br />

sich gegenseitig vielfach auslöschen konnten. Krieg bedeutete für Mitteleuropa<br />

Tod, und Frieden bedeutete Leben. Nebenbei gesagt, ich war<br />

der Meinung, daß dieser Ostblock viel schwächer war, als unsere Propaganda<br />

ihn machte. Allerdings habe ich ihn nicht für ganz so schwach gehalten,<br />

wie er tatsächlich war.<br />

Seit 1989 hat die Gewalt nicht abgenommen, sondern zugenommen.<br />

Dies ist aber außerhalb dessen geschehen, was als Krieg definierbar ist.<br />

Das heißt, wir haben immer mehr Gewalt und immer weniger definierbaren<br />

Krieg erlebt. Milosevic behauptet ja, daß das, was er im Kosovo<br />

macht, keineswegs Krieg ist. Das Gemetzel in Ruanda sei kein Krieg gewesen,<br />

auch nicht das in Algerien. All das sei nur Gewalt gewesen. Wir<br />

leben jetzt mit einer riesigen Skala von Gewalt, die mit der organisierten<br />

Kriminalität beginnt und über Bombenterror und Selbstmordkommandos<br />

bis hin zum Völkermord reicht. Meistens findet das außerhalb<br />

dessen statt, was man Krieg nennt. Wenn sechs Banditen ein Hotel<br />

überfallen, dann ist die bewaffnete Polizei am Zug, und wenn 600 Banditen<br />

eine Stadt überfallen, dann nennen sie es Krieg. Manche Pazifisten<br />

und die Militärs sagen dann: Das ist nichts für uns, denn das ist<br />

nicht der Krieg, den wir gelernt haben.<br />

So ist das eingetreten, was wir jetzt erleben. Ich bin heute der Überzeugung,<br />

daß im nächsten Jahrhundert die Frage weniger „Krieg oder nicht<br />

Krieg?“ lauten wird, weil Krieg nicht mehr definierbar ist; vielmehr<br />

wird sich die Frage stellen, ob es gelingt, daß jeder und jede, der oder die<br />

das Recht des Stärkeren in Anspruch nimmt – ob das ein Vergewaltiger,<br />

ein Raubmörder oder ein Diktator ist – irgendwann erfahren muß, daß<br />

es noch Stärkere gibt.<br />

(Beifall)<br />

AUSSPRACHE<br />

Am liebsten wäre es mir natürlich, wenn das durch ein Gewaltmonopol<br />

der UNO geschehen könnte. Wo immer er konnte, hat Milosevic das<br />

Recht des Stärkeren für sich in Anspruch genommen. Nun gibt es gegen<br />

das, was von der NATO ausgeht, viele Einwände, von denen wir diverse<br />

heute gehört haben. Fast allen Einwänden kann ich zustimmen. Sie<br />

haben alle Gewicht, sie sind alle vernünftig. Ich will gar nicht die Namen<br />

all derjenigen nennen, die diese Einwände vorgebracht haben. Was<br />

sie gesagt haben, das ist kein dummes Zeug, das ist alles zum guten Teil<br />

■ PROTOKOLL PARTEITAG BONN 1999 111

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