08.01.2013 Aufrufe

Die Wolfacher Fasnet - Netz-Seite

Die Wolfacher Fasnet - Netz-Seite

Die Wolfacher Fasnet - Netz-Seite

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Schrader: <strong>Die</strong> <strong>Wolfacher</strong> <strong>Fasnet</strong> und ihre Gestalten <strong>Seite</strong> 114<br />

4. <strong>Wolfacher</strong> <strong>Fasnet</strong>lieder, -sprüche und -gedichte<br />

4.1. <strong>Fasnet</strong>lieder<br />

4.1.1. Der Michelesmarsch<br />

Das in Wolfach zur <strong>Fasnet</strong>zeit am meisten gespielte Musikstück ist zweifellos der Michelesmarsch 939 , mit dem<br />

die Narrenkapelle das <strong>Fasnet</strong>usrufe, die Elfemessen sowie Fest- und Kinderumzug begleitet (Notenbeispiel 10).<br />

Der Name des Marsches dürfte zurückgehen auf das Verb michelen ‚foppen’, gebildet in Anlehnung an den<br />

meist spöttisch als ein Synonym für Narr benutzten Rufnamen Michel 940 .<br />

An der <strong>Fasnet</strong> 1929 froren bei eisiger Kälte um minus 20 Grad die Instrumente der Narrenkapelle ein 941 .<br />

Nichtsdestotrotz erklang bei den Umzügen der Michelesmarsch, denn er besteht nur aus Naturtönen, die die<br />

Kapelle auch ohne die fest gefrorenen Ventile spielen konnte.<br />

Josef Krausbeck dichtete 1934 und 1948 drei Strophen auf die Melodie des Marsches, in denen er den Ablauf<br />

der <strong>Fasnet</strong> an den drei Haupttagen Schmutzige Dunnschtig, Schellementig und <strong>Fasnet</strong>zieschtig beschreibt 942 . <strong>Die</strong><br />

in der ersten Strophe erwähnte Elfemess bim Bahnhofjud war in der Bahnhofwirtschaft, die der gelernte Kaufmann<br />

und langjährige Wohlaufsänger Albert Schmider nach seiner Heirat 1911 mit der Bahnhofwirtstochter<br />

Rosina Fritsch (1890-1951) übernommen hatte und der wegen seiner vielen Geschäfte, denen er nebenher nachging,<br />

im Volksmund de Bahnhofjud hieß 943 . <strong>Die</strong> Elfemess bim Bennemi war im Grünen Baum bei Ben Endres,<br />

die Elfemess bim Bäuerle in der ursprünglich von Bierbrauer Bäuerle betriebenen Gastwirtschaft Zum lustigen<br />

Bruder, der späteren Ratsstube 944 . 1973 musste, wie schon beim Wohlauflied, die Entechrist-Zeile in der zweiten<br />

Strophe abgeändert werden. Karl Blattner dichtete 1959 ebenfalls einen Text auf die Melodie des<br />

Michelesmarsches, der jedoch keine größere Verbreitung fand 945 .<br />

<strong>Die</strong> ersten beiden Teile des Michelesmarsches basieren auf einem 1812 in Frankreich entstandenen Militärmarsch<br />

mit dem Titel Aux champs en marchant ‚marschierend ins Schlachtfeld’ 946 , der bis heute zum offiziellen<br />

Repertoire der französischen Militärmusik zählt. Eine Aufnahme dieses Marsches ist als Audiodatei auf der<br />

<strong>Netz</strong>seite des französischen Verteidigungsministeriums zu finden 947 . <strong>Die</strong> Auswahl und Reihenfolge der in Frankreich<br />

bei militärischen Anlässen gespielten Stücke wurden durch eine ministerielle Anweisung vom 18. Juni<br />

1912 in allen Truppenteilen der Armee festgelegt und 1958 auf den neuesten Stand gebracht. <strong>Die</strong> aktuell gültige,<br />

durch den Generalstab der Armee verordnete Regelung erschien im Journal officiel de la République française<br />

No. 1624 vom 1. September 1989 unter dem Titel Cérémonies publiques préséances, honneurs civils et militaires<br />

948 . Darin wird bestimmt, dass der Marsch Aux champs en marchant der Ehrerweisung an die Generäle des<br />

Armeekorps (vier Sterne) und der Armee (fünf Sterne), an die Vizeadmiräle der Geschwader (vier Sterne) und<br />

die Admiräle (fünf Sterne) sowie an hohe zivile Persönlichkeiten (Staats- und Regierungschefs) bei ihrer Ankunft<br />

oder Abfahrt dient.<br />

1825 erschien das Manuel Encyclopédique et Alphabétique de L’Officier D’Infanterie des französischen<br />

Offiziers und Mitglieds der Ehrenlegion François-Philippe Lelouterel (1789-1874) 949 . Darin sind die damals<br />

gültigen Anordnungen über den <strong>Die</strong>nst, die Regelungen, Disziplin, Gesetzgebung und Verwaltung der Infanterie,<br />

die Grundbegriffe eines Feldzuges sowie eine Anleitung für die Schützen mit Hinweisen zur Pflege der<br />

939 <strong>Die</strong> Melodie des Michelesmarsches ist abgedruckt in Disch: Chronik Wolfach, 440. Melodie und Text finden sich auch im DVA, nach der<br />

Tonaufnahme Nr. A 209449 des DVA vom 16.10.1968 transkribiert von Lieselotte Wiedling. – Zum Michelesmarsch siehe Schrader:<br />

Möglicherweise eine Karikatur auf <strong>Wolfacher</strong> Bürgermilitär; Schrader: <strong>Wolfacher</strong> <strong>Fasnet</strong>lieder, 179-182. – <strong>Die</strong> Freie Narrenzunft gab<br />

die Texte aller <strong>Fasnet</strong>lieder 1955 und 1960 in einem Faltblatt heraus, zudem 1973 im Grünen Büchle von Josef Krausbeck. <strong>Wolfacher</strong><br />

<strong>Fasnet</strong>s-Lieder (1955); <strong>Wolfacher</strong> <strong>Fasnet</strong>s-Lieder (1960); Krausbeck: <strong>Wolfacher</strong> <strong>Fasnet</strong>, 12-23.<br />

940 Fischer: Schwäbisches Wörterbuch IV, 1656, s. v. mi(e)chele n , Michel (3); Grimm: Deutsches Wörterbuch XII, 2168f., s. v. Michel. –<br />

Eine Verbindung zu michel ‚groß’ (Lexer: Mhd. Taschenwörterbuch, 139, s. v. michel) ist unwahrscheinlich, da das Wort in dieser Bedeutung<br />

bereits im 16. Jahrhundert aus der Mode kam. Zudem lassen sich beide Wörter bei Zusammensetzungen eindeutig durch das<br />

eingefügte s unterscheiden, das es aus grammatikalischen Gründen nicht bei michel ‚groß’ geben kann. – Zu michel ‚groß’ vgl. Köbler:<br />

Ahd. Wörterbuch, s. v. mihhil, mihhilēn, mihhiles, mihhilōn; Grimm: Deutsches Wörterbuch XII, 2169f., s. v. michel.<br />

941 Krausbeck: Wohlauf bei 20 Grad minus.<br />

942 <strong>Die</strong> Texte der <strong>Fasnet</strong>lieder finden sich im Abschnitt 4.2 Liedtexte.<br />

943 Zu Albert Schmider siehe Anmerkung 567.<br />

944 <strong>Die</strong> Gastwirtschaft „Zum lustigen Bruder“ gehörte 1920 dem 1872 in Heidelberg geborenen Bezirksbaukontrolleur Wilhelm Clormann,<br />

der mit Auguste Bäuerle, der Tochter des Bierbrauers, verheiratet war und die Wirtschaft an Berta Häufle verpachtete. 1939 wurde die<br />

nun als Ratsstube benannte Gastwirtschaft von Gastwirt und Malermeister Otto Haberer betrieben. Mitteilung von <strong>Die</strong>ter Buss, Wolfach,<br />

vom 31.1.2007; Disch: Chronik Wolfach, 127; Einwohnerbuch für den Landkreis Wolfach 1939, 15f., 23, 702.<br />

945 Der Text des Liedes findet sich im Abschnitt 4.4.3 Micheles Marsch! Hanseles Marsch.<br />

946 Orledge: Satie the composer, 203, 300, 364 Anmerkung 74. – Eine Aufnahme des Marsches findet sich auf der 1996 erschienenen CD<br />

Marches et sonneries de l’armée française sowie auf den <strong>Netz</strong>seiten Sonneries et batteries réglementaires und Troupes De Marine. –<br />

<strong>Die</strong> Marschmusik in der französischen Infanterie und Marine wurde ursprünglich mit Trommeln und Flöten gespielt. An die Stelle der<br />

Flöte trat später das Bügelhorn und ab 1831 die Fanfare. Sonneries et batteries réglementaires.<br />

947 Sonneries et batteries réglementaires.<br />

948 Cérémonies publiques. – <strong>Die</strong> protokollarische Rangfolge von Personen des öffentlichen Lebens sind festgelegt in: Décret relatif aux<br />

cérémonies publiques.<br />

949 Annuaire militaire de 1851, s. v. Généraux de brigade Nr. 58, 12.6.1848; Annuaire des Titulaires, s. v. Lelouterel, François-Philippe.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!