Die Wolfacher Fasnet - Netz-Seite
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Schrader: <strong>Die</strong> <strong>Wolfacher</strong> <strong>Fasnet</strong> und ihre Gestalten <strong>Seite</strong> 49<br />
Eine wichtige Quelle zur Geschichte der <strong>Wolfacher</strong> <strong>Fasnet</strong> ist die von 1865 bis 1939 erschienene Heimatzeitung<br />
Der Kinzigtäler, seit 1870 herausgegeben von der Familie Sandfuchs, die sich sehr aktiv an der <strong>Fasnet</strong><br />
beteiligte und deshalb auch großen Wert auf eine ausführliche <strong>Fasnet</strong>berichterstattung legte. Nach dem 2. Weltkrieg<br />
erschien bis 1969 in der Druckerei Sandfuchs das wöchentliche Amtliche Nachrichtenblatt für das obere<br />
Kinzigtal, das der <strong>Fasnet</strong>berichterstattung ebenfalls breiten Raum gewährte, wobei hier der Schwerpunkt bei<br />
umfangreichen Vorankündigungen, zumeist von Albert Sandfuchs jun. (1903-1980) verfassten Berichten zur<br />
<strong>Fasnet</strong>geschichte sowie zusammenfassenden Rückblicken lag und somit das hiesige Narrentreiben jener Jahre<br />
kenntnisreich dokumentierte.<br />
Bei den beiden nach dem 2. Weltkrieg in Wolfach erscheinenden Lokalzeitungen Offenburger Tageblatt<br />
(OT) und Schwarzwälder Bote (Schwabo) hängt die Qualität und Quantität der <strong>Fasnet</strong>berichte zumeist von Lust<br />
und Laune der jeweils zuständigen, oft nicht aus Wolfach stammenden Redakteure ab, die mitunter nur wenig<br />
mit dem hiesigen Brauchtum anfangen konnten und als Außenstehende nicht immer den richtigen Ton trafen.<br />
Einen handfesten Skandal löste der von 1982 bis 1988 als verantwortlicher Redakteur beim Schwabo tätige Max<br />
Köhler 421 kurz nach Beginn seiner Tätigkeit im Vorfeld der <strong>Fasnet</strong> mit einen bissigen Kommentar aus 422 :<br />
Beweisen, daß man kein Narr ist<br />
<strong>Die</strong> närrischen Tage stehen dicht vor der Tür. Nun muß man wieder auch in Wolfach zeigen, daß man ein echter Narr ist. Wie man das<br />
demonstriert? Am besten durch ein Dauergrinsen an den närrischen Hochtagen, durch ständige Juchzer, dummes Dahergerede und<br />
Durchmachen bis zum Morgen. Man zeigt das Narrengesicht, indem man betrunken ins Büro kommt und den Kollegen die Arbeit<br />
überläßt. Tut man das nicht, kann man leicht in Verdacht geraten, kein Narr zu sein, und das ist etwa so schlimm, wie ein Umweltverschmutzer<br />
oder ein Energieverschwender zu sein.<br />
An den närrischen Hochtagen ist es also ratsam, ein fröhliches Gesicht zu machen, denn, ist man erst einmal als Anti-Narr enttarnt, hilft<br />
auch kein Hinweis auf närrisch zugebrachte Stunden das Jahr über. Hier und heute, genau festgenagelt durch den Kalender, hat man zu<br />
beweisen, daß man ein Narr ist. Ja, man beweist in diesen Tagen quasi erst, daß man das restliche Jahr über zur Vernunft fähig ist,<br />
wenn man sich an den drei Wochen und ganz besonders an den drei letzten Tagen der Fasent nicht mit einem ernsten Gesicht erwischen<br />
läßt.<br />
Ist man Redakteur, hat man noch zusätzliche Klippen zu umschiffen. Schreibt man in Wolfach und Hausach Fasent, hat man sich eines<br />
Vergehens schuldig gemacht, das an Nestbeschmutzung grenzt; schreibt man in Haslach <strong>Fasnet</strong>, ist man ganz klar ein Türke oder so<br />
was ähnliches, vielleicht sogar ein <strong>Wolfacher</strong>.<br />
Wie sagte doch ein kluger Ausländer: »<strong>Die</strong> Deutschen müssen alles übertreiben. Sie sind jetzt so hundertprozentige Demokraten, daß<br />
einem angst und bange werden kann«. Es lebe also die Narretei, aber bitte, liebe Kinzig-, Wolf- und Gutachtäler, hundertprozentig ist<br />
nicht einmal der Schnaps, den manche an diesen Tagen zuviel kriegen.<br />
Jetzt höre ich schon die Stimmen brummeln: Wir lassen uns von einem Ausländer nicht die <strong>Fasnet</strong> vermiesen, das wäre ja noch schöner.<br />
Aber das wollte ja keiner. Der Autor dieser Zeilen freut sich schon darauf, in der bewegungsarmen Winterszeit mal so richtig die Beine<br />
ausschütteln zu können. Er nennt das dann Tanzen. Seine Partnerinnen nennen es allerdings mehr einen Bären-Ringkampf.<br />
Jedoch wandelte sich der Verfasser dieser kritischen Zeilen dann rasch zu einem großen Fan der <strong>Wolfacher</strong><br />
<strong>Fasnet</strong>, nachdem er diese erstmals selbst miterlebte, wobei die Rungunkeln während einer Narrenversammlung<br />
eine Woche nach dem Erscheinen des Kommentars eine nicht unwesentliche Rolle bei Köhlers Bekehrung<br />
spielten. 1987/88 ließ die Qualität seiner Berichte aber wieder spürbar nach. Einen Tiefpunkt erreichte die<br />
<strong>Fasnet</strong>berichterstattung im Schwabo unter dem von 1988 bis 1996 für die Kinzigtal-Gesamtredaktion verantwortlichen<br />
Karl Münchbach und den jeweils zuständigen Wolfach-Redakteuren, denen aus Unkenntnis der<br />
örtlichen Traditionen oft grobe Fehler in der Bezeichnung von Bräuchen und Personen unterliefen; außerdem<br />
wurde die Zahl und der Umfang der Berichte auf ein Minimum reduziert, manche Narrenversammlungen und<br />
Umzüge überhaupt nicht mehr erwähnt usw. Erst unter Münchbachs Nachfolgern Elmar König (1996-2001),<br />
Christine Stiefenhofer (2001-2006) und Dirk Haier (2007-2008) erreichte die Berichterstattung wieder ein<br />
akzeptables Niveau. Allerdings verkürzte der Schwabo ab 2003 nach der Inbetriebnahme eines neuen Druckzentrums<br />
in Villingen-Schwenningen und der damit verbundenen Formatverkleinerung der Zeitung alle seine<br />
Berichte im Heimatteil um 25% mit der Begründung, dass die Leser heutzutage keine Zeit mehr dafür hätten,<br />
längere Berichte zu lesen.<br />
Im OT ist die Qualität der <strong>Fasnet</strong>berichte großen Schwankungen unterworfen und abhängig von stark<br />
subjektiv geprägten Kriterien der jeweiligen Verfasser. <strong>Die</strong> Bildauswahl ist manchmal nicht sehr überzeugend,<br />
auch kommt es ab und an zu Fehlern in der Bildbeschriftung; so wurden beispielsweise der <strong>Wolfacher</strong> Narrenrat<br />
nach Hausach verlegt, die Rungunkeln als Hexen und die Narrenkapelle als Fanfarenzug bezeichnet.<br />
Entscheidend geprägt hat den kritisch-subjektiven, polarisierenden, stark personalisierten und überwiegend auf<br />
prominente Mitbürger zugeschnittenen Stil des Heimatteils die langjährige Redakteurin Margarete <strong>Die</strong>terle, die<br />
keinem Konflikt, insbesondere in ihren Berichten und Kommentaren zum Zunftabend und Schnurren, aus dem<br />
Weg geht und damit schon für viel Gesprächsstoff unter den <strong>Wolfacher</strong> Narren und für manches Elfemessthema<br />
sorgte.<br />
421 Max Köhler, der nach seiner Tätigkeit beim Schwabo als Kunstmaler einige Beachtung fand, ist ein Bruder des Immunologen und<br />
Medizin-Nobelpreisträgers Georges Köhler (1946-1995). Hansen-Lorenzen: Große Zustimmung als Landschaftsmaler; Köhler, M.: Er<br />
las Karl May.<br />
422 Köhler, M.: Beweisen, daß man kein Narr ist.