Die Wolfacher Fasnet - Netz-Seite
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Schrader: <strong>Die</strong> <strong>Wolfacher</strong> <strong>Fasnet</strong> und ihre Gestalten <strong>Seite</strong> 88<br />
Wer gewinnen wil den Krantz<br />
Kunig werden am Nasen Tantz<br />
Der kumb biß Sontag frue<br />
Gen Gimpelsbrun darzue.<br />
Auf einem um 1540 entstandenen Holzschnitt von Anthony Formschneyder (Corthoys) ist der Nasentanz<br />
zwischen einem Narren mit Eselsohrenkappe und seiner Base dargestellt 738 . Den Sieger eines Nasentanzes zeigt<br />
ein vermutlich in Nürnberg entstandenes Flugblatt aus der Mitte des 17. Jahrhunderts 739 : Der „Nasenmonarch“<br />
preist selbst seine große Nase und ihre mannigfaltige Verwendbarkeit an.<br />
Der Nasenzug gehört wie der Wohlauf zu den an <strong>Fasnet</strong> weit verbreiteten Radauumzügen. Kaum eine<br />
Narrenzunft verzichtet heutzutage auf diese urtümlich wirkende Brauchform des Lärmens, wobei es vielfältige<br />
Varianten in der Ausgestaltung gibt; genannt seien hier nur das Geltentrommeln in Waldshut, die Tschättermusik<br />
in Laufenburg sowie die zahllosen Hemdglunkerumzüge, Katzenmusiken und Klepperlesgarden. <strong>Die</strong> oft in der<br />
ortsgeschichtlichen Literatur geäußerte Annahme, dass diese Radauumzüge germanischen Ursprungs seien und<br />
mit dem Lärm der Winter ausgetrieben werden solle, geht auf die von germanisch-heidnischer Mythologie geprägte<br />
Volkskunde des 19. Jahrhunderts zurück, die jedoch wissenschaftlich nicht haltbar ist 740 . Nicht nur an<br />
<strong>Fasnet</strong>, auch an kirchlichen Feiertagen gibt es vergleichbare Brauchphänomene, beispielsweise im spanischen<br />
Calanda (Provinz Teruel, bei Saragossa). Dort versammeln sich die Einwohner am Karfreitag und Karsamstag<br />
mit kleinen und großen Trommeln und Pauken auf dem Marktplatz und ziehen in langen Prozessionen durch die<br />
Stadt, um mit den lautstarken Trommelrhythmen an die Finsternis und das Erdbeben nach dem Tode Jesu zu<br />
gedenken. Der in Calanda geborene Filmregisseur Luis Buñuel bediente sich dieser unergründlichen und<br />
unvergeßlichen Trommelschläge in mehreren seiner Filme, besonders in L’age d’or und Nazarín 741 .<br />
2.2.5. Geldbeutelwäscher<br />
<strong>Die</strong> Geldbeutelwäsche findet am Aschermittwoch um 13 Uhr statt 742 . Zunächst gehen die 20 Wäscher durch das<br />
Wäschergässle am Rathaus und die Hauptstraße zur Klagemauer vor dem Finanzamt im östlichen Schlossflügel<br />
und beweinen dort in stiller Trauer ihre leeren Geldbeutel; ihr Weg führt sie danach an den Stadtbrunnen, wo sie<br />
ihre Geldbeutel waschen und bürsten, zum Trocknen auf eine Leine hängen und unter Tränen und lautem Wehgeschrei<br />
ihr ganzes Leid über das in der <strong>Fasnet</strong>zeit verprasste Geld beklagen. Nun geht es in das Hotel „Krone“,<br />
wo einer der Wäscher unter dem Geheul seiner Mitbrüder eine Trauerrede hält, bevor sie mit Löffeln aus einem<br />
Topf Stockfisch essen. Der Brauch endet mit einem Empfang im Rathaus, bei dem der Bürgermeister nach<br />
einem wortreichen närrischen Hin und Her mit den Wäschern wieder in sein Amt eingesetzt wird.<br />
Zur Aufnahme in die Wäschergilde, deren Mitgliederzahl beschränkt ist, müssen die neuen Wäscher seit<br />
1956 beim Zylinderschwur den Wäschereid ablegen und werden dabei von zwei Paten aus den Reihen der alten<br />
Wäscher unterstützt. Wer sich besonders um die Pflege althergebrachter Narrenbräuche und speziell der Geldbeutelwäsche<br />
verdient gemacht hat, erhält aus der Hand des Bürgermeisters das zur <strong>Fasnet</strong> 1954 von Arthur<br />
Martin gestiftete Großkreuz der Armut am schwarzen Bande. Der erste Träger war Kurt Trautwein. Jene<br />
Wäscher, die bereits seit sieben bzw. 14 Jahren an der Wäsche teilnehmen, werden seit 1957 mit dem silbernen<br />
bzw. goldenen Orden der heulenden Eulen geehrt. Bei der Geldbeutelwäsche 1999 erhielt Oberwäscher Günter<br />
Endres für seine besonderen Verdienste um die <strong>Wolfacher</strong> <strong>Fasnet</strong> eine Marionette überreicht, die ihn selbst als<br />
Geldbeutelwäscher darstellt.<br />
Bereits um 1865 lässt sich die Geldbeutelwäsche als Abschluss der <strong>Fasnet</strong> in Wolfach nachweisen. In seiner<br />
Erzählung Theodor der Seifensieder schreibt Heinrich Hansjakob, dass damals nach dem Begraben der <strong>Fasnet</strong><br />
am Stadtbrunnen die leeren ledernen Geldbeutel gewaschen wurden 743 . Es ist allerdings nicht bekannt, welche<br />
Verkleidung die Geldbeutelwäscher damals trugen. Aus einer Zeitungsnotiz geht hervor, dass nach dem Krieg<br />
1870/71 die Narren ihre Geldbeutel vorübergehend nicht mehr im Stadtbrunnen, sondern im Gewerbekanal bei<br />
der Stadtbrücke wuschen.<br />
Gegen Ende des 19. Jahrhunderts geriet der Brauch in Vergessenheit, bis er 1924 bei der ersten offiziell genehmigten<br />
Nachkriegsfasnet von Neuem entstand. Nach den langen Jahren ohne <strong>Fasnet</strong> feierten besonders die<br />
jungen Narren wieder kräftig mit und verbrannten am <strong>Die</strong>nstagabend um Mitternacht nach dem letzten<br />
närrischen Beisammensein die <strong>Fasnet</strong>. Am Aschermittwoch in der Mittagspause trafen sich vier von ihnen –<br />
Ludwig „Käpsele“ Vivell (Eisenhandlung), Ben „Bennemi“ Endres (Gastwirt „Zum Grünen Baum“), Hans<br />
Ulmrich (Kaufmännischer Angestellter bei der Firma A. J. Trautwein) und Albert Sandfuchs<br />
738<br />
25.000 Meisterwerke, 7.408; Stewart: Large Noses and Changing Meanings, 348, 351 (Abbildung 174).<br />
739<br />
Wendeler / Bolte: Bildergedichte des 17. Jahrhunderts, 32-35.<br />
740<br />
Bausinger: Nachwort, 539-541.<br />
741<br />
Buñuel: Mein letzter Seufzer, 14-16; Wingen: <strong>Die</strong> Trommeln von Calanda.<br />
742<br />
Zum geschichtlichen Hintergrund des Aschermittwochs und zur Verbreitung der Geldbeutelwäsche im <strong>Fasnet</strong>brauchtum siehe Schrader:<br />
Aschermittwochsbrauchtum, 627f., 637-642. – Siehe auch den Bericht über die Jubiläumsgeldbeutelwäsche 1999 im Schwabo vom<br />
18.2.1999.<br />
743<br />
Hansjakob: Theodor der Seifensieder, 193f. – Zum <strong>Fasnet</strong>begraben siehe Abschnitt 1.4.5.