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Die Wolfacher Fasnet - Netz-Seite

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Schrader: <strong>Die</strong> <strong>Wolfacher</strong> <strong>Fasnet</strong> und ihre Gestalten <strong>Seite</strong> 153<br />

5. „<strong>Die</strong> Weibermühle von Tripstrill“ von Georg Anton Bredelin (1752-1814)<br />

5.1. Bredelins Lebenslauf<br />

5.1.1. Bredelins Jugend- und Ausbildungszeit<br />

Der Magister, Musikdirektor und fürstenbergische Schulvisitator Georg Anton Bredelin, dem die <strong>Wolfacher</strong> ihr<br />

schönstes <strong>Fasnet</strong>spiel, <strong>Die</strong> Weibermühle von Tripstrill, verdanken, wurde am 18. September 1752 in der freien<br />

Reichsstadt Biberach / Riß geboren 1185 . Der sehr seltene Familienname Bredelin – in den deutschen Telefonbüchern<br />

ist nur eine Familie mit diesem Namen verzeichnet 1186 – geht zurück auf mhd. brëtelīn, brëtel, ahd.<br />

britelīn*, britelī*, bretilīn*, bretilī* ‚Brettlein, Stäbchen, Strich, Opferschale’ 1187 .<br />

Bredelin besuchte, vermutlich ab seinem 6. Lebensjahr, die katholische Lateinschule in Biberach / Riß 1188 , in<br />

der er die ersten Anregungen für sein späteres Schaffen erhielt, denn dort fanden zweimal jährlich, in der Fastenzeit<br />

und am Schluss des Sommerhalbjahres im September, Schultheateraufführungen statt, in deren Anschluss<br />

die Schulpreise verliehen wurden 1189 . Zur Vorbereitung seines Universitätsstudiums ging Bredelin von 1763 bis<br />

1771 auf die zu jener Zeit von bis zu 30 Schülern besuchte Klosterschule von Obermarchtal 1190 . Später folgten<br />

ihm auch seine beiden jüngeren Brüder. <strong>Die</strong> Schüler waren in die vier jeweils zwei Jahre dauernden Klassen<br />

Rudimentistae, Principistae, Syntaxistae und Rhetores aufgeteilt 1191 .<br />

Tabelle 9: Schulbesuch der Brüder Bredelin in Obermarchtal<br />

Klasse Georg Anton Johann Baptist Franz Xaver<br />

(1752-1814) (1754-1806) (1758-1802)<br />

Rudimentistae 1763/65 1765/67 1769/71 1192<br />

Principistae 1765/67 1767/69<br />

Syntaxistae 1767/69 1769/71<br />

Rhetores 1769/71 1771/73<br />

Studienbeginn 1771/72 (1773/74)<br />

Wie in vielen oberschwäbischen Klöstern hatte in Obermarchtal das Schuldrama eine lange Tradition. Von den<br />

aus 30 oberschwäbischen Klöstern nachweisbaren 1422 Periochen ‚Texthefte mit nach Szenen gegliederten<br />

Inhaltsangaben 1193 ’ stammen 190 aus Marchtal; nur aus Weingarten (237) und Konstanz (250) sind noch mehr<br />

Stücke bekannt 1194 . 15 der in Marchtal überlieferten Periochen gehören zu Schau- und Singspielen der<br />

Katholischen Komödiantengesellschaft in Biberach / Riß, die teilweise von Obermarchtaler Geistlichen gedichtet<br />

1185<br />

Zur Lebensgeschichte Bredelins siehe Schrader: Georg Anton Bredelin; Schrader: Im Kinzigtal schafft Bredelin ein Meisterstück;<br />

Schrader: Ein „<strong>Die</strong>s Iræ“ von Georg Anton Bredelin.<br />

1186<br />

Telefonauskunft für den PC, s. v. Bredelin.<br />

1187<br />

Köbler: Ahd. Wörterbuch, s. v. britelīn*.<br />

1188<br />

Seit dem Westfälischen Frieden von 1648 bestand in Biberach / Riß ein paritätisches Regierungs- und Verwaltungssystem mit Gleichberechtigung<br />

und exakter Ämterverteilung zwischen Katholiken und Protestanten. Deshalb gab es hier bis zur Abschaffung der Parität<br />

1825 von jeder offiziellen Institution jeweils eine evangelische und katholische Variante. Zur Geschichte und zu den Folgen der Bikonfessionalität<br />

in Biberach / Riß siehe: Heimatkundliche Blätter für den Kreis Biberach 21 (1998), Heft 1; Gründig: Verwickelte Verhältnisse.<br />

– Ausführliche Verzeichnisse über die jeweilige Besetzung der in der Stadt vorhandenen Ämter bieten die gedruckten Staatsund<br />

Adresshandbücher aus jener Zeit, beispielsweise: Staats- und Addresshandbuch des Schwäbischen Reichskraises 1799; Königlich-<br />

Württembergisches Hof- und Staats-Handbuch 1813.<br />

1189<br />

Johner: <strong>Die</strong> Beteiligung der katholischen bürgerlichen Komödiantengesellschaft, Heft 1, 49. – Zur Geschichte der Schule in Biberach /<br />

Riß siehe Wöhrle, K.: Aus der Geschichte der höheren Knabenschule.<br />

1190<br />

Bereits seit 1662 lassen sich Schüler aus Biberach / Riß an der 1653 gegründeten Obermarchtaler Klosterschule nachweisen. Erst mit der<br />

Gründung der katholischen Professoratsschule 1775 gab es auch in Biberach / Riß eine weiterführende Lateinschule. Dort erteilte der bis<br />

zu seinem Tode 1789 amtierende Professor Thaddäus Plazzary in seiner Gedichtsammlung aufmunternde Lehren an die Schüler Xaver<br />

von Pflummern, Bredelin (der Vorname wird nicht genannt, es könnte sich altersmäßig evt. um Franz Xaver handeln; siehe auch Anmerkung<br />

1192), Bök und Schwägler. Schöntag: Das deutsche und lateinische Schulwesen, 45; Preiser: Biberacher Bauchronik, 84-86;<br />

Wöhrle, K.: Aus der Geschichte der höheren Knabenschule, 28f. – Einen authentischen, zeitgenössischen Einblick in das Leben eines<br />

Schülers an einer prämonstratensischen Klosterschule bieten die Jugenderinnerungen des Konstanzer Regierungsdirektors Josef Ignaz<br />

Peter (1789-1872), der zwischen 1801 und 1803 die Schule im Kloster Allerheiligen besuchte. Auszüge daraus sind abgedruckt in<br />

Schneider, H.: <strong>Die</strong> Klosterschule von Allerheiligen. Vgl. hierzu Abschnitt 1.4.4 Festspiel.<br />

1191<br />

Oberst: Alles zur größeren Ehre Gottes, 207.<br />

1192<br />

Ob Franz Xaver nach 1771 weiterhin die Obermarchtaler Schule besuchte, ist nicht sicher, da er später als Kaufmann arbeitete und sich<br />

ein Universitätsstudium nicht nachweisen lässt. Möglicherweise verließ er 1771 zusammen mit Georg Anton die Schule. 1775 wird an<br />

der katholischen Professoratsschule in Biberach / Riß ein Schüler Bredelin erwähnt, bei dem es sich altersmäßig um Franz Xaver<br />

handeln könnte. Wöhrle, K.: Aus der Geschichte der höheren Knabenschule, 29.<br />

1193<br />

Perioche < lat. periochae ‚Inhaltsangabe’. In der Antike stand der Begriff für Inhaltsangaben umfangreicher Werke. Meid: Reclams<br />

elektronisches Lexikon, s. v. Perioche.<br />

1194<br />

Büchele: Herzrührende Schaubühne, 199f. Anmerkung 4. – Zur Entwicklung des Schuldramas siehe auch Abschnitt 1.4.4 Festspiel. –<br />

Zum klösterlichen Musikleben siehe Beck: Klostertheater in Marchthal; Frei: Comoedia Sacra; Günther: Ad Chorum Bonacellensem;<br />

Günther: Lump oder Bettler; Kaufmann: Klingendes Erbe; Oberst: Alles zur größeren Ehre Gottes; Oberst: „<strong>Die</strong> Klagende Musicalische<br />

Instrumenten“. – <strong>Die</strong>se Aufsätze behandeln überwiegend das klösterliche Musikleben in Oberschwaben, doch spielte die Musik auch in<br />

badischen Klöstern eine große Rolle. Beispielsweise pflegte der Klosterkomponist Pater Idlefons Haas (1735-1791) in Ettenheimmünster<br />

enge Kontakte zu den Komponisten Isfried Kayser in Marchtal und Justinus Heinrich Knecht in Biberach / Riß. Klär: Musikpflege im<br />

Kloster Ettenheimmünster, 323. Vgl. auch Trenkle: Ueber süddeutsche geistliche Schulcomödien; Trenkle: Ueber die Musik in den<br />

Ortenauischen Klöstern; Schneider: <strong>Die</strong> Klosterschule von Allerheiligen.

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