Die Wolfacher Fasnet - Netz-Seite
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Schrader: <strong>Die</strong> <strong>Wolfacher</strong> <strong>Fasnet</strong> und ihre Gestalten <strong>Seite</strong> 27<br />
<strong>Die</strong> freien Gruppen an der Elfemess, die lustige oder bemerkenswerte Ereignisse des vergangenen Jahres<br />
glossieren und die auch als Elfemessler bezeichnet werden, versuchen, mit ihrer Verkleidung und ihrem Verhalten<br />
den dargestellten Personen möglichst ähnlich zu sehen.<br />
1.4.3. <strong>Fasnet</strong>bälle<br />
Bereits im 18. Jahrhundert gab es in Wolfach närrische Tanzveranstaltungen in den Lokalen. Als ein <strong>Wolfacher</strong><br />
Bürger am <strong>Fasnet</strong>zieschtig 1789 bei der Löschung eines Brandes in Gengenbach fehlte, gab er als Entschuldigung<br />
an, er habe in der Stubenwirtschaft im Rathaus aufgespielet, also Musik gemacht 221 . Als 1793<br />
während des 1. Koalitionskrieges (1792-1797) im Schloss Lazarette eingerichtet werden, wird die<br />
Oberamtscanzlei in die große Ratsstube verlegt, weshalb sich Stubenwirt Johannes Schihle beschwert, dass er<br />
damit jede Gelegenheit verloren habe, öffentliche Lustbarkeiten über Kirchweihe, Fastnachtzeiten und besonders<br />
bei dem starken Militär-commando Tanzen und Zechen abzuhalten 222 . Gewöhnlich musste für Tanzbelustigungen<br />
während des Jahres beim Oberamt von auswärtigen Musikern eine Tanzlizenz erworben werden,<br />
die dafür entrichteten Rekognitionsgelder ‚Beglaubigungsgelder’ – 1777 betrug die Gebühr pro Tag 1 fl 30 kr –<br />
flossen in den fürstenbergischen Schulfond; nur zu <strong>Fasnet</strong>- und Kirchweihzeiten entfielen diese Zahlungen 223 .<br />
Aus den Jahren 1835 und 1836 haben sich Eintrittskarten für Bürgerbälle im Rathaussaal erhalten 224 .<br />
Seit den 1930er-Jahren veranstaltet die Narrenzunft am <strong>Fasnet</strong>samschtig den Zunftball, der sich aus bescheidenen<br />
Anfängen zum beliebtesten <strong>Fasnet</strong>ball in Wolfach entwickelte und einen Höhepunkt freier närrischer<br />
Verkleidungskunst darstellt. Zunächst fand er in der Gastwirtschaft „Zum Salmen“ statt, die damals noch über<br />
mehrere Räumlichkeiten verfügte: Links im Erdgeschoss gab es den großen Friedrichssaal, im Obergeschoss<br />
einen weiteren Saal, dazu einige kleinere Räume, in denen ebenfalls bewirtet wurde. Wegen des großen Erfolges<br />
erweiterte die Narrenzunft nach und nach ihren Ball um die Schlosshalle, die wegen ihrer länglichen Form auch<br />
Mehrzweckschlauch hieß und einen geradezu legendären Ruf erlangte, und weitere Lokale; in manchen Jahren<br />
fand er gleichzeitig in fünf verschiedenen Lokalitäten mit je einer Tanzkapelle statt, für die dieselbe Eintrittskarte<br />
galt, was den einzigartigen Reiz dieses Balles ausmachte. Eine große Attraktion in der Gastwirtschaft<br />
„Zum Kranz“ war eine Rutsche vom großen Saal in die Kellerbar. 1950 verkehrte zwischen den Lokalen Kranz,<br />
Krone und Kreuz eine Straßenbahn mit einem Fassungsvermögen von etwa 20 Personen. Am <strong>Fasnet</strong>sunntig fuhr<br />
damit eine Abordnung nach Haslach zum Festspiel. Gelegentlich stand der Ball unter einem bestimmten Motto<br />
(1957 beispielsweise Eine Nacht in Alt-Wien). Bis in die 1980er-Jahre hinein verhüllten sich viele Zunftballgäste<br />
bis Mitternacht ihr Gesicht mit Halbmasken, überwiegend aus Stoff, um sich unerkannt und ungeniert dem<br />
närrischen Treiben hingeben zu können.<br />
Über viele Jahre hinweg spielte sich das Ballgeschehen schließlich in den Gasthäusern Krone, Kreuz und<br />
Herrengarten ab sowie in der Schlosshalle, die 1977 von der neu erbauten Festhalle bei der Realschule am<br />
Herlinsbach auf der Insel als Zunftballlokal abgelöst wurde. Durch die weite Distanz zum Geschehen in der<br />
Stadt kamen jedoch immer weniger Gäste dorthin; so entschloss sich die Narrenzunft, ab 1985 auf die Festhalle<br />
zu verzichten und die Schlosshalle zu reaktivieren. Bei den Dammfesten 1996, 2000 und 2005 trat an die Stelle<br />
der Schlosshalle jeweils das Festzelt auf dem Damm 225 . Im Jahr 2010 gab es statt des Dammfestes ein kleines<br />
Narrendorf mit Festzelt im Schlosshof. Zugleich fand im Museum Schloss Wolfach, das zu der Zeit gerade baulich<br />
saniert wurde, eine „Geisterparty“ statt.<br />
Mit der Zeit verteilten sich beim Zunftball die Narren auf immer mehr Wirtschaften, in denen zwar keine<br />
Tanzkapelle spielte, der Eintritt aber frei war. Schließlich passte die Narrenzunft ihr Zunftballkonzept den veränderten<br />
Gewohnheiten an und verzichtete ab 2001 auf den Eintritt und die von ihr organisierten Tanzkapellen<br />
226 , so dass seither der Ball zugleich in fast allen Lokalitäten der Stadt bei freiem Eintritt gefeiert wird.<br />
Zwischen den Zunftballlokalen herrscht in der Nacht ein lebhaftes Hin und Her. Zahlreiche Musikgruppen<br />
sorgen draußen und drinnen bei ihrem Zug durch die Stadt für die nötige Stimmung. Seit 1975 sind die Musloch-<br />
Singers auf Tour, die 1995 mit einem Festbankett in sämtlichen Beizen 227 unserer Stadt ihr 20-jähriges Bestehen<br />
feierten. 1985 kamen die Biermösels dazu, im Jahr darauf die Chaos Combo. Seit 1972 beteiligt sich die<br />
Guggemusik Erlibach aus Erlenbach in der Schweiz am Zunftball und an den Umzügen.<br />
Viele Narren schließen sich zu kleineren und größeren Gruppen zusammen, die sich passend zu einem selbst<br />
gewählten Thema verkleiden und oft auch närrische Aktionen oder Tänze einstudieren, mit denen sie dann in den<br />
Lokalen auftreten. Hier bietet sich die Gelegenheit, sich, ohne auf überkommene Traditionen Rücksicht nehmen<br />
zu müssen, in nahezu vollkommener Freiheit auf eine Art und Weise zu verkleiden, wie es bei den Umzügen,<br />
dem Festspiel oder Narrentreiben am Schellementig kaum denkbar wäre.<br />
221<br />
Disch, Chronik Wolfach, 528. – Zur Stube im Rathaus siehe Disch: Chronik Wolfach, 108-116.<br />
222<br />
Disch, Chronik Wolfach, 669.<br />
223<br />
Disch, Chronik Wolfach, 129.<br />
224<br />
Abbildungen in Krausbeck: Aus der Geschichte der <strong>Wolfacher</strong> <strong>Fasnet</strong> (1955), 131f. – <strong>Die</strong> Karten wurden 2004/05 bei einer Ausstellung in<br />
Karlsruhe gezeigt, siehe Seim: Entlarvt! Von Masken und Maskeraden, 50.<br />
225<br />
In manchen Jahren gab es aus verschiedenen Gründen nur zwei oder drei Zunftballlokale, so 1983, 1984, 1988-1990 und 1997.<br />
226<br />
Auslöser für den Verzicht auf das Eintrittsgeld war die vorübergehende Schließung der Gastwirtschaft „Zum Kreuz“.<br />
227 Zum Wort Beiz siehe Anmerkung 87.