08.01.2013 Aufrufe

Die Wolfacher Fasnet - Netz-Seite

Die Wolfacher Fasnet - Netz-Seite

Die Wolfacher Fasnet - Netz-Seite

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Schrader: <strong>Die</strong> <strong>Wolfacher</strong> <strong>Fasnet</strong> und ihre Gestalten <strong>Seite</strong> 85<br />

Besens zum Verstummen bringt und eine Herz zerreißende Abschiedsrede auf die <strong>Fasnet</strong> hält, die von den Nasezüglern<br />

mit Jammern begleitet wird; doch ihr lautstarkes Jubeln ertönt bei den Worten, dass es ab Mitternacht<br />

scho wieder degege goht ‚der neuen <strong>Fasnet</strong> entgegen geht’ 715 . Schließlich rufen alle unter Aufbietung ihrer<br />

letzten Kräfte so laut wie möglich die <strong>Wolfacher</strong> <strong>Fasnet</strong>sprüche auf 716 .<br />

Vermutlich entstand dieser Brauch, wie so vieles an der <strong>Fasnet</strong>, aus einer spontanen Idee heraus beim Kehraus<br />

in einer Wirtschaft und entwickelte sich allmählich zu seiner heutigen Form. <strong>Die</strong> erste schriftliche Erwähnung<br />

des Nasezugs findet sich 1886 717 . Um 1900 geriet er wegen störender Begleitumstände beim Marsch<br />

durch die Wirtschaften in Verruf und verschwand wieder aus dem <strong>Fasnet</strong>geschehen. In den Jahren 1926 und<br />

1928 wird er erstmals wieder abgehalten, spontan und ohne Ankündigung im Narrenfahrplan. Der Kinzigtäler<br />

berichtete 1931 seinen Lesern 718 :<br />

Der <strong>Die</strong>nstag brachte nach langer Zeit zum erstenmal wieder einen Nasenzug in den Nachmittagsstunden.<br />

Bei großer Beteiligung nahm er seinen Weg um die Stadt und landete nach verschiedensten schlangenartigen<br />

Windungen im Gasthaus zum Hecht. Dort wurde dem alten Narrenvater, Blechnermeister Friedrich Schmidt,<br />

vor dem schnell hinzugekommenen Publikum die Urkunde als ‚Ehrennarrenvater’ der Freien Narrenvereinigung<br />

Wolfach feierlich übergeben.<br />

Seither gehört der Nasezug wieder zum offiziellen <strong>Fasnet</strong>programm. 1937 und 1938 fand nach dem Ende im<br />

Schlosshof neben dem Rießner, dem ehemals offenen Wasserkanal von der Stadtbrücke durch die Hauptstraße<br />

zum Herrengarten 719 , ein <strong>Fasnet</strong>verbrennen statt 720 .<br />

Am <strong>Fasnet</strong>zieschtig 1985 zogen erst- und letztmals etwa ein Dutzend Frauen in einem eigenen Nasezug<br />

durch die Stadt 721 ; im Dunkel der Saugass 722 begegneten sich die beiden Züge und liefen ohne besondere Vorkommnisse<br />

aneinander vorbei. Bereits im Jahr zuvor hatten sich einige Frauen bei einer Elfemess lautstark für<br />

die Gleichberechtigung bei diesem Brauch eingesetzt.<br />

Als 1991 wegen des Golfkrieges gegen den Irak die <strong>Fasnet</strong> von der Narrenzunft unter dem Druck der Medien<br />

offiziell abgesagt werden musste, gab es am <strong>Fasnet</strong>zieschtig trotzdem einen spontanen Nasezug mit etwa 40<br />

überwiegend jungen Teilnehmern, die gut eine Stunde lang durch die Stadt liefen, allerdings ohne durch die<br />

Wirtschaften zu ziehen; der Zug endete wie üblich im Schlosshof mit dem Ausrufen der <strong>Fasnet</strong>sprüche.<br />

Anführer des Nasezugs war in den 1930er-Jahren Blechnermeister Rudolf Schmidt. J. Krausbeck, der dieses<br />

Amt von 1949 bis 1959 sowie 1961 übernahm, führte den abschließenden Gang um die Schlosshoflinde ein.<br />

Außerdem spendierte er den Teilnehmern einen Heidelbeerkuchen, der ohne die Hilfe der Hände vertilgt werden<br />

musste; allerdings hielt sich dieser Brauch nicht lange. Zunächst 1960 als Krankheitsvertretung für Krausbeck,<br />

dann von 1962 bis 1990 sowie von 1992 bis 2000 lief Walter Schmider den Nasezüglern voraus 723 . Als Gegenstück<br />

zum von ihm seit 1973 gesungenen Wohlauf erweiterte er Ende der 1980er-Jahre die Abschlussrede auf<br />

die <strong>Fasnet</strong> durch einen nach Melodie und Text des Wohlaufliedes gestalteten Wechselgesang, der zeilenweise<br />

von ihm vorgesungen und von den Nasezüglern im Chor wiederholt wurde 724 :<br />

Jerum! O Jerum!<br />

Ihr Nasenzügler hört und wißt:<br />

De Nasezug vorbei jetzt ist!<br />

<strong>Die</strong> <strong>Fasnet</strong>, die war wunderschee,<br />

jetz isch se hii, ojemineh!<br />

Des isch halt so,<br />

Narro! Narro!<br />

Wünsch alle Narro e guetes Johr!<br />

Nachdem Schmider 1998 nach 25 Jahren letztmals den Wohlauf gesungen hatte, verzichtete er ab 1999 auch auf<br />

das Nasezüglerlied. Beim Zunftabend 2001 zog er an der Spitze eines kleinen Nasezugs auf die Festhallenbühne<br />

und übergab dort seinen Hut und den Kehrausbesen an seinen im Oktober 2000 vom Großen Narrenrat gewählten<br />

Nachfolger Wilfried Schuler, der bereits über viele Jahre hinweg an zweiter Stelle hinter Schmider gelaufen<br />

war und diesen bei seiner Aufgabe unterstützt hatte 725 .<br />

715 <strong>Die</strong> Rede hat keinen genau festgelegten Wortlaut, sondern wird vom Nasezuganführer improvisiert.<br />

716 Zu den <strong>Fasnet</strong>sprüchen siehe Abschnitt 4.3 <strong>Wolfacher</strong> <strong>Fasnet</strong>sprüche.<br />

717 Zur Geschichte des Nasezugs siehe Schrempp, O.: Eine Reise in die närrische Vergangenheit, 51f.<br />

718 Zitiert nach Schrempp, O.: Eine Reise in die närrische Vergangenheit, 51.<br />

719 Zur Geschichte des Rießners siehe Disch: Chronik Wolfach, 189; Schrempp, O.: Beständig war nur die Veränderung, 23-25. – Das Wort<br />

Rießner geht zurück auf mhd. rise ‚Wasser-, Stein- oder Holzrinne an einem Berge’. Lexer: Mhd. Taschenwörterbuch, 169, s. v. rise.<br />

720 Zum <strong>Fasnet</strong>verbrennen siehe Schrader: Aschermittwochsbrauchtum, 634f.<br />

721 Bericht im Schwabo vom 20.2.1985.<br />

722 <strong>Die</strong> Saugass verläuft parallel zur Graben- und Schlossstraße von der Kirchstraße zum Schloss.<br />

723 Berichte über Schmider als Nasezuganführer im Schwabo vom 1. und 4.3.2000. – Am spontanen Nasezug bei der ausgefallenen <strong>Fasnet</strong><br />

1991 nahm er nicht teil.<br />

724 <strong>Die</strong> erste und die letzte Zeile des Liedes sind in Schrempp, O.: Eine Reise in die närrische Vergangenheit, 52, falsch abgedruckt.<br />

725 Berichte im Schwabo vom 19.10.2000 und 15.2.2001.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!