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Die Wolfacher Fasnet - Netz-Seite

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Schrader: <strong>Die</strong> <strong>Wolfacher</strong> <strong>Fasnet</strong> und ihre Gestalten <strong>Seite</strong> 155<br />

hohe Qualität auf und verwenden eine Vielzahl unterschiedlicher Vers- und Strophenformen, die seine guten<br />

Literaturkenntnisse belegen 1211 . Georg Anton Bredelin dürfte seit seinem Eintritt in der Klosterschule im Herbst<br />

1763 zumindest fünf der neun Oratorien gehört haben.<br />

Als Ihro Königliche Hoheit, die Durchlauchtigste Fürstinn Maria Antonia Erzherzogin von Österreich (1755-<br />

1793), vermählte Dauphin von Frankreich, am 1. Mai 1770 im Alter von 14 ½ Jahren auf ihrer Reise von Wien<br />

zu ihrer Hochzeit mit dem französischen König Ludwig XVI. (1754-1793) nach Paris im Reichsstift Marchtall<br />

die Nachtruhe zu nehmen gnädigst beliebten, führten die Konventualen vor über 500 Gästen Sailers Huldigungskantate<br />

Beste Gesinnungen Schwäbischer Herzen auf 1212 . Zwar ist nicht bekannt, ob sich die drei Bredelin-<br />

Brüder aktiv an der Aufführung beteiligten, doch ließen sie sich wohl dieses besondere Ereignis nicht entgehen.<br />

1771 erschien in Ulm eine Perioche mit dem Titel:<br />

<strong>Die</strong> Seufzer der gefesselten Sinnen, / Ps. 101. v. 21. / Ein Singspiel. / Auf / das hohe Namens-Fest 1213 / des<br />

Hochwürdigen und Gnädigen / des Heil. Röm. Reichs / Prälaten und Herrn / Herrn Ignatius 1214 / des unmittelbar<br />

freyen Reichsstifft und Gotteshauses / Marchtall / des Schneeweisen Ordens von Prämonstrat /<br />

würdigsten Abbten etc. / verfasset 1215 / von / dessen / mindestem <strong>Die</strong>ner und Pflegkind / G.A.B 1216 .<br />

<strong>Die</strong> Initialen des Verfassers stehen möglicherweise für Georg Anton Bredelin.<br />

Im Wintersemester 1771/72 begann Bredelin an der Freiburger Universität mit seinem Studium 1217 . In der<br />

Matrikel wird er als Physikstudent bezeichnet, in den Visitationsakten aus dem Jahre 1787 steht jedoch, er habe<br />

Philosophie studiert 1218 . <strong>Die</strong>ser Widerspruch lässt sich wahrscheinlich darauf zurückführen, dass zu jener Zeit<br />

jeder Student vor dem eigentlichen Fachstudium zunächst das philosophische Grundstudium der sieben freien<br />

Künste zu durchlaufen hatte, das mit einer Magisterprüfung abschloss 1219 . (Für den Hinweis, dass Bredelin an<br />

der Hohen Schule in Tübingen studierte 1220 , finden sich in der dortigen Universitätsmatrikel keine Belege 1221 .)<br />

5.1.2. Ein hoch geschätzter Präzeptor und Schulvisitator<br />

Am 26. Juni 1778 heiratete Bredelin in Hayingen, das in der Nähe der Klöster Zwiefalten und Obermarchtal liegt<br />

und von 1627 bis 1806 fürstenbergisch war, Maria Knoll, die 40-jährige Witwe des Lehrers Aegydius Knupfer,<br />

und wurde fürstlich-fürstenbergischer Stadtpräzeptor 1222 . An seiner neuen Wirkungsstätte konnte sich seine<br />

künstlerische Begabung voll entfalten. In Hayingen wurde schon lange das Theaterspiel gepflegt: 1662 ließ der<br />

Bichishausener Pfarrer Johann Michael Gall aus Meßkirch durch die Hayinger Bürger eine Komödie aufführen,<br />

die er dem Abt von Marchtal widmete 1223 . <strong>Die</strong>se Tradition setzte Bredelin nun mit eigenen Schultheateraufführungen<br />

fort, wie er sie bereits aus seiner Schulzeit kannte. Von den ungefähr zehn Stücken, die er in<br />

Hayingen gedichtet und komponiert haben dürfte, hat sich bislang nur das am 1., 3. und 8. April 1781 aufgeführte<br />

Spiel Das Ziel und End des Menschen auffinden lassen 1224 . Das vom fürstenbergischen Hofbuchdrucker<br />

Johann Matthäus Mieth in Donaueschingen gedruckte Textheft diente zugleich als Einladung; in ihm wird auch<br />

auf die Verleihung von Prämien an die Schüler hingewiesen.<br />

Das Stück besteht, ganz im Stil des klösterlichen Schuldramas 1225 , aus einer dreiteiligen Cantate allegorischer<br />

Gestalten; zwischen den drei Teilen des Singspiels ist eine zweiteilige Prose, also ein Schauspiel in Prosa 1226 ,<br />

eingefügt, von der nur der Inhalt abgedruckt ist und in der der große Verachter der Welt, der heilige Arsen, be-<br />

1211 Frei: Comoedia Sacra, 210f. – Eine Neuausgabe der Oratorientexte erschien 1997, siehe: P. Sebastian Sailers Geistliche Schaubühne.<br />

1212 Frei: Comoedia Sacra, 206, 208.<br />

1213 Der Namestag des hl. Ignatius von Loyola, Gründer der später als Jesuitenorden bezeichneten Gesellschaft Jesu, die einen großen Einfluss<br />

auf das Musiktheaterleben der Prämonstratenser hatte, ist am 31. Juli.<br />

1214 1768 wurde Sebastian Stein (1721-1772) aus Rottenburg am Neckar als Ignatius zum Marchtaler Abt gewählt. Über ihn vgl. Manz:<br />

Reichsprälat Ignaz Stein.<br />

1215 Das Wort verfasset ist handschriftlich nachgetragen.<br />

1216 Originaldruck im Fürst Thurn- und Taxischen Zentralarchiv Regensburg, Standnummer Ma 1370, 913-926. Titelblatt abgedruckt in<br />

Oberst: Alles zur größeren Ehre Gottes, 205.<br />

1217 Schaub: <strong>Die</strong> Matrikel der Universität Freiburg II, 787: 1771/72 Nr. 34. – Im Registerband auf <strong>Seite</strong> 91 ist Bredelin durch einen Schreibfehler<br />

falsch eingeordnet unter Brodelini, G.A., auf <strong>Seite</strong> 291 unter Biberach / Riß ist der Name richtig geschrieben.<br />

1218 Disch: Chronik Wolfach, 313.<br />

1219 Dinkel: Akademiker in Stammbäumen.<br />

1220 Schneider-Strittmatter: Chronik der Stadt Hausach, 126.<br />

1221 Bürck / Wille: <strong>Die</strong> Matrikeln der Universität Tübingen.<br />

1222 Präzeptor < lat. praeceptor ‚Lehrer, Erzieher’. Wahrig: Deutsches Wörterbuch, 2866, s. v. Präzeptor. – <strong>Die</strong> Angabe in Schwendele:<br />

Geschichte der Stadt und Pfarrei Hayingen, 68, dass Bredelin von 1779 bis 1782 Schultheiß von Hayingen gewesen sei, stimmt nicht.<br />

<strong>Die</strong>se Verwechslung geht vermutlich auf die Taufeinträge von Bredelins Kindern zurück, in denen er als Proceptor civitatis ‚Stadtpräzeptor’<br />

bezeichnet wird.<br />

1223 Bolte: Kleine beiträge zur geschichte des dramas, 5f. – <strong>Die</strong> von Bolte beschriebene Handschrift mit 14 Schauspielen Galls aus den Jahren<br />

1658 bis 1672 aus der F. F. Hofbibliothek in Donaueschingen befindet sich heute unter der Signatur A III 34 in der Württembergischen<br />

Landesbibliothek Stuttgart.<br />

1224 F. F. Hofbibliothek Donaueschingen, Standnummer: I UB 3g. – Titelblatt abgebildet in Möring: Bredelin schrieb Singspiel zur Fastenzeit.<br />

– Im Hayinger Stadtarchiv finden sich keine Hinweise auf Bredelins Wirken. Briefl. Mitteilung von Herrn Geppert, Stadt- und<br />

Spitalarchiv Rottenburg a. N., vom 8.6.1987.<br />

1225 Frei: Comoedia Sacra; Oberst: Alles zur größeren Ehre Gottes, 207-209.<br />

1226 Prose ist eine in Anlehnung an das frz. prose gebildete, bis ins 18. Jahrhundert hinein übliche Variante zu Prosa ‚nicht (durch Reim,<br />

Vers, Rhythmus) gebundene Form der Sprache’. Etymologisches Wörterbuch des Deutschen, 1050, s. v. Prosa.

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